Test: Toyota Supra GR 3.0

Seite 2: Altmodische Leckerbissen von der Schlachtplatte

Inhaltsverzeichnis

Wer altmodische fahrerische Dinge sucht, die er außer Linie und Bremspunkt finden unterwegs erledigen will, findet kaum ein aktuelles Auto, das ihm mehr davon bietet. Wenn du nicht auf Zug mit Last auf der angetriebenen Hinterachse auf einer schönen Linie aus dem Eck ziehst: Der Supra wird dir genau mitteilen, warum das gut wäre. Mit Toyotas Auslegung fährt der Supra ganz anders als ein Z4, obwohl BMW das Chassis konstruiert hat. Ein bisschen Abstimmung macht viel aus. Der Mk. 5 unterscheidet sich hier stark vom Mk. 4, bei dessen Entwicklung Fahrstabilität hoch oben im Pflichtenheft stand, direkt beim Zielkonflikt-Parameter "wendiges Handling".

Nun macht dieses Setup unbestritten viel Spaß. Es macht dich jedoch nicht schneller, eher im Gegenteil. Die Nervosität macht zudem auf der Autobahn Probleme. Meine Teststrecke ist die A81: offen und immer noch auf langen Abschnitten unrenoviert buckelig. Dort springt das Auto schon bei etwa 200 km/h herum, dass nicht nur ich das als deutlich geringere Sicherheit bezeichnen würde. Bei 250 km/h (Tacho 263) macht der Computer Schluss, obwohl sowohl Motor als auch Endübersetzung noch viel weiter möchten. Das ist allerdings ganz gut so, denn 280 würde ich mit diesem Setup auf der A81 ungern fahren oder empfehlen. Auch für die notorisch unebene Nordschleife funktioniert das Setup gut für Spaß, weniger gut für Rundenzeiten und Sicherheitsreserven. Im Werks-Setup würde ich eher die ebenere GP-Strecke empfehlen (die ist sowieso immer leerer).

Youtuber und Ringfahrer Misha Charoudin hat seinen Ringtaxi-Supra bei Raeder Motorsport vermessen lassen. Bemerkenswert die Ergebnisse bei der Spur. Sie ist ab Werk hinten komplett neutral (vorn 1 mm Vorspur). Dazu kommt hinten häufig ein ungleichmäßiger Radsturz, über den einige Käufer berichten. Der Grund ist unbekannt, Misha vermutet irgendwas aus dem Transport.

Ohne etwas an den Dämpfern zu ändern, wirkt eine stabilere Einstellung hier Wunder. Raeder stellte Misha hinten auf jeder Seite 1,5 mm Vorspur ein, um die Stabilität zu erhöhen, zusätzlich zu 1,9° Grad Radsturz symmetrisch beidseitig. Das Auto verliert dabei natürlich etwas seiner werksgegebenen Nervosität, wer jedoch schnell fahren (oder gar den Autobahn-Limiter entfernen) möchte, sollte sich die Einstellung überlegen. Spur und Sturz einstellen ist nicht teuer. Selbst bei Raeder direkt am Ring sollte es bei unter 300 Euro bleiben. Wer das Potenzial des Chassis' am Ring nutzen will, wird sich jedoch eher früher als später zusätzlich nach anderen Stoßdämpfern umsehen.

Obwohl der Innenraum aus dem BMW-Teileregal stammt, hat Toyota ihn etwas anders aufgezogen als BMW beim Z4. Ganz ehrlich: Das schnelle iDrive-Infotainment und das gute HUD tun dem Auto gut, auch wenn dort nicht die neueste Version aus München (OS7) verbaut wird. Die Sitze sind bequem und schön tief (etwa 30 cm über dem Boden), sie sollten Normalgewichtigen aber mehr Seitenhalt bieten. Durch das niedrige Sitzen werden auch die Seitenpolster stark abgerieben (siehe Foto), weil man beim Aussteigen mit der Hüfte darüber rollt (gilt besonders für die eher unsportliche Mehrheit von uns). Für den Preis von über 65.000 Euro des Testwagens werden Detailverliebte wohl stellenweise enttäuscht sein vom Interieur. Einen Fahrer-Pilotensitz wie im Supra Mk. 4 und dessen japanische Verarbeitung hätte nicht nur ich sehr cool gefunden.

Toyota Supra GR 3.0 Details (23 Bilder)

Kieme hinter dem vorderen Radkasten in Kontrast-schwarz.
(Bild: Clemens Gleich)

Interieur-Diskussionen sind aber Dinge für Leute, die sowieso besser beim Z4 aufgehoben wären, die lieber cruisen als rasen wollen. Wenn das aktive Differenzial hinten mit seinen zwei Lamellenkupplungen das Drehmoment fein lenkend auf die Hinterräder verteilt, der Turbomotor vorne singt, dann ist die Welt für Fahrfreudemenschen in Ordnung. Trotz (oder wegen) der Fahrwerksnervosität ertappte ich mich dabei, Ausreden zu suchen, wieso ich jetzt irgendwohin fahren muss – natürlich im Supra. Es ist nicht das erlesene Schnittchenbuffet eines Mittelmotor-Porsche. Aber so eine herzhafte Schlachtplatte hat einfach etwas für sich.

Der Supra ist ein sehr gutes Auto geworden. Das wundert niemanden. Er wurde jedoch obendrein ein sehr eigenständiges Auto. Das war weniger selbstverständlich. Es passt in CEO Akio Toyodas Linie, dass es bei Autos selbst in Massen eben doch auch darum geht, wie schön das fährt und nicht nur, wie lange oder billig das fährt. Dem Vernehmen nach fährt Toyoda gern schnell und kann das gut. Ohne seinen Richtungswechsel gäbe es das heutige Commitment zum guten Fahrwerk wohl nicht.

Der Supra ist ein tolles Flaggschiff dieser Philosophie, das zusammen mit der Vierzylinder-Variante zudem Geld einbringt. Die Schwächen des Autos liegen in einer geringen Tankreichweite (bei 250 km leuchtete die Reservelampe auf) und im etwas nervösen Fahrwerk. Die Stärken liegen in einem Konzept, das den Fahrspaß ganz nach oben hängt – pfeif' auf die Rundenzeiten. Hoffentlich bleibt Akio Toyoda noch lange am Ruder des Supertankers Toyota.