Kommentar zum Ampel-Ende: Die Schuldengebremsten

Die „Fortschrittskoalition“ scheitert an der Digitalisierung. Behörden bleiben analog, Investitionen in KI, Bildung und Netze fehlen, meint Tim Gerber.

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Eine defekte Ampel hängt am Kabel von ihrem Mast herab.

(Bild: roibu/Shutterstock, bearbeitet durch c't)

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Von
  • Tim Gerber

Vollmundig war sie gestartet, die selbst ernannte "Fortschrittskoalition". FDP-Chef Christian Lindner hatte auf seine Wahlplakate den Spruch "Digitalisierung first, Bedenken second" drucken lassen. Nicht aufs Plakat gepasst hat, dass er als Finanzminister nicht bereit sein wĂĽrde, das notwendige Geld dafĂĽr auszugeben.

Ein Kommentar von Tim Gerber
Ein Kommentar von Tim Gerber

Tim Gerber ist gelernter Theaterbeleuchter und Beleuchtungsmeister; Jura-Studium in Leipzig, seit 2001 c't-Redakteur. Dort anfangs für Drucker zuständig, aktuell für Programmierung, Löten und Basteln mit Elektronik sowie für Verbraucherthemen in der Rubrik "Vorsicht, Kunde".

Die Bilanz der Koalition in Sachen Digitalisierung ist folglich mau. In den Ämtern geht noch immer kaum etwas wirklich digital, noch immer flattern jedes Jahr 11 Milliarden Briefe quer durchs Land, von denen eine erhebliche Zahl aus Behörden stammen dürfte wie die 4,5 Millionen Grundsteuermessbescheide in Niedersachsen. Mein Finanzamt schreibt mir jedenfalls eisern Briefe, da kann ich zigmal in Elster die Einwilligung zur digitalen Bescheidzustellung hinterlegen.

Die Schuld trifft nicht allein Lindner. So hat sein grüner Finanzministerkollege aus Baden-Württemberg gerade via Bundesrat ein Verbot der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs in Steuersachen durchgesetzt. Wir sollen so zur Nutzung von Elster gezwungen werden, wo Belege aber nur 10 MByte groß sein dürfen, eine Nachricht insgesamt nicht größer als 10,4 MByte. Rechtsanwälte und Steuerberater sind verärgert. Könnte also sein, dass die Ämter bald noch mehr Post bekommen; Porto ist ja absetzbar.

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Dabei ist eines klar: Wenn wir nicht jetzt ordentlich Geld in die Hand nehmen, es in KI-Forschung, Netzinfrastruktur und Bildung stecken, dann werden wir im weltweiten Vergleich von der Entwicklung der Zukunft abgehängt. Jetzt, nicht erst zu Weihnachten oder gar zu Ostern kommenden Jahres! Da ist jetzt auch der Schuldenbremser Friedrich Merz von der CDU gefordert.

Sonst hinterlassen wir unseren Kindern zwar keine Schulden, aber ein heruntergewirtschaftetes, rückständiges und von wissenschaftlicher und technischer Entwicklung abgehängtes Land. Vielleicht merken die Kids es ja gar nicht, denn 40 Prozent von ihnen kommen schon jetzt mit der digitalen Welt kaum zurecht, Tendenz negativ, wie die jüngste ICILIS-Studie unter Achtklässlern gezeigt hat. Und übrigens: Auch mit iPad und WLAN wird man nichts lernen, wenn Schulen aus Geldmangel zu Ruinen mit ekelerregenden Toiletten verkommen. Danke, Ampel.

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(tig)