Sorge um Autoindustrie: Bundesrat fordert rasche Überprüfung des Verbrenner-Aus
Der Beschluss, ab 2035 keine neuen Benziner oder Diesel mehr zuzulassen, soll laut den Ländern rasch auf den Prüfstand. Der CO2-Flottengrenzwert sei anzupassen.
(Bild: Fahroni/Shutterstock.com)
Der Bundesrat hat am Freitag auf Initiative des Saarlandes eine Entschließung gefasst, um die Automobilindustrie zu unterstützen und dadurch den Wirtschaftsstandort Deutschland zu sichern. Er fordert darin, die bestehenden beziehungsweise bislang geplanten einschlägigen gesetzlichen Rahmenbedingungen nochmals neu zu justieren. Insbesondere der "aktuell weiter gehemmte Hochlauf der Elektromobilität" mache es nötig, "die auf EU-Ebene dafür bisher vorgesehenen Regelungen an die momentane wirtschaftliche Realität und das aktuelle Verbraucherverhalten anzupassen".
Ein Dorn im Auge ist der Länderkammer laut der Resolution vor allem der EU-Beschluss, ab 2035 keine Neuwagen mehr zuzulassen, die mit Diesel oder Benzin fahren. Dieser soll daher bereits 2025 überprüft werden. Bisher sieht die entsprechende Verordnung vor, dass die Vorgaben für das sogenannte Verbrenner-Aus 2026 auf den Prüfstand kommen. Dem Bundesrat schwebt damit vor, "zeitnah eine Anpassung der bisherigen Regelung" zu ermöglichen. Für schwere Nutzfahrzeuge sollen die Vorgaben 2026 überdacht werden.
Die Länder beäugen zudem kritisch, "dass der europäische CO2-Flottengrenzwert zum 1. Januar 2025 um einen weiteren, abrupten Schritt reduziert werden soll". Für die Autobauer bedeutet das, dass der durchschnittliche CO2-Ausstoß ihrer Fahrzeuge zu sinken hat. Verbrenner müssen also sparsamer werden. Alternativ könnten die Hersteller in der EU auch mehr Elektroautos verkaufen. Wird ein individueller Grenzwert überstiegen, drohen empfindliche Strafen. Der europäische Automobilverband ACEA befürchtet, dass auf die Branche Abgaben von bis zu 15 Milliarden Euro zukommen könnten.
Keine Strafen bei Verstoß gegen CO2-Flottenziele
Die mit einer Nichteinhaltung der CO2-Flottenziele einhergehenden Strafzahlungen in Milliardenhöhe "würden die europäischen und deutschen Automobilhersteller in der aktuell schwierigen Wirtschaftslage und Transformation hart treffen und mittelbar auch deren Zulieferer", gibt der Bundesrat zu bedenken. Er verlangt daher von der Bundesregierung, auf europäischer Ebene darauf zu dringen, "die geplanten Strafzahlungen bei Nichteinhaltung der CO2-Flottenziele in 2025 für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge auszusetzen". Dafür haben sich unter der Woche auch schon die drei Länder Bayern, Baden-Württemberg und Niedersachsen stark gemacht, in denen große Automobilkonzerne ihren Sitz haben.
"Die Automobil- und Zuliefererindustrie ist der bedeutendste Industriezweig Deutschlands", begründet der Bundestag seinen Vorstoß. "Sie sichert bundesweit über 770.000 Arbeitsplätze und ist damit eine wesentliche Säule des Wirtschaftsstandorts Deutschland." Die Transformation zu nachhaltigen Antriebstechniken sei im Zuge der weltweiten Entwicklung perspektivisch zwar weiter "eine notwendige Voraussetzung dafür", dass auch künftig Wertschöpfung und Jobs hierzulande erhalten blieben und sich nicht weiter in andere Regionen der Welt verlagerten. Dieser Prozess müsse aber so gestaltet werden, "dass es nicht weiter zu vermeidbaren Brüchen, Marktverlusten sowie zum Abbau von Arbeitsplätzen kommt".
Die Automobilindustrie müsse "als Brücke zur E-Mobilität ein möglichst sicheres Marktumfeld" erhalten, heißt es weiter. Nur so könne sie "im Bestand und mit verlässlicher Markt-Option der bestehenden Antriebstechnologien weiter Richtung nachhaltige Modellpalette entwickeln". Insbesondere die umstrittenen Plug-in Hybride könnten dabei "als eine etablierte Brückentechnologie eine wichtige Funktion einnehmen". Schon 2019 musste die Bundesregierung aber einräumen, dass just neue Autos mit Batteriebetrieb und Verbrennungsmotor in einem immer weniger zum Klimaschutz beitragen, weil sich die Emissionswerte und elektrische Reichweiten wieder verschlechterten.
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Von der Leyens vage E-Fuels-Zusagen
EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU) will am Zeitplan rund um das "Verbrenner-Aus" eigentlich festhalten. Die Bundesregierung forderte aber schon auf Drängen der FDP im Rahmen der EU-Verordnung Ausnahmen für E-Fuels. Der 2023 gefundene Kompromiss sieht vor, dass in einem ersten Schritt eine neue Fahrzeugkategorie "E-Fuels only" geschaffen wird. Entsprechende Autos sollen also nur synthetische Kraftstoffe verbrennen dürfen. Die Hersteller müssen technisch sicherstellen, dass solche Fahrzeuge gar nicht anspringen, wenn sie nach 2035 noch mit Benzin oder Diesel betankt werden. Über die Flottengrenzwertregulierung soll zudem sichergestellt werden, dass die reine E-Fuels-Klasse zu den CO2-Reduktionszielen der EU und der angestrebten Klimaneutralität beitragen kann.
Von der Leyen kündigte in ihrem politischen Grundsatzprogramm für die neue EU-Legislaturperiode eine Initiative für synthetische Kraftstoffe an. Konkret ist darin davon die Rede, es sei "ein technologieneutraler Ansatz erforderlich, bei dem E-Fuels eine Rolle spielen werden, indem die Vorschriften im Rahmen der geplanten Überprüfung gezielt geändert werden". Das bezieht sich auf 2026 und nicht ein Jahr früher. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) zeigte sich mit den Zusicherungen der Kommissionschefin zufrieden, da es damit mehrere technische Möglichkeiten für klimaneutrales Fahren geben werde.
(nen)