KTM 1390 Super Adventure R: Extrem in jeder Hinsicht

KTM stellt mit der 1390 Super Adventure R die stärkste Reiseenduro der Welt vor. Lange Federwege und ein 21-Zoll-Vorderrad machen sie geländetauglich.

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KTM 1390 Super Adventure R

(Bild: KTM)

Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Ingo Gach
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KTM befindet sich in eigenverwalteter Insolvenz, hat 2,9 Milliarden Euro Schulden, hunderte von Mitarbeitern entlassen, 265.000 Motorräder auf Halde stehen und stellt die Produktion für Januar und Februar ein, um sie erst im März wieder vorsichtig anlaufen zu lassen. Das hält die österreichische Marke aber nicht davon ab, neue Modelle für 2025 zu präsentieren. Genaugenommen muss KTM das sogar tun, in der Hoffnung, dass die Neuheiten sich gut verkaufen. Ob aber die nun vorgestellte 1390 Super Adventure R zur Retterin wird, bleibt abzuwarten. Sie stellt mit sagenhaften 173 PS zurzeit zwar die Spitze in der Klasse der Riesen-Enduros, doch an dem tieferen Sinn einer solch brutalen Geländemaschine darf gezweifelt werden.

Ihre Vorgängerin, die 1290 Super Adventure R, verkaufte sich nur schleppend, bis KTM die Preise massiv senkte. Um die wie Blei in den Läden stehende Reiseenduro loszubekommen, boten manche Händler sie in ihrer Verzweiflung für sagenhafte 25 Prozent unter Listenpreis an.

Natürlich schlugen da viele Kunden zu, aber damit kannibalisierte KTM schon im Vorfeld die neue 1390 Super Adventure R. Die allermeisten greifen in der Klasse ohnehin zum bewährten Bestseller BMW R 1300 GS, allein bis November 2024 wurden 6904 Exemplare der Boxer-Enduro in Deutschland neu zugelassen, während es die 1290 Super Adventure S und R zusammen trotz riesigen Preisnachlässe auf nur 1505 Stück brachten.

Die 1390 Super Adventure R ist die geländegängigere Version der bereits vorgestellten 1390 Super Adventure S. Sie bietet 220 mm lange Federwege vorne und hinten, hat Drahtspeichenrädern statt Gussfelgen und ein 21 statt nur 19 Zoll großes Vorderrad sowie ein 18-Zoll-Hinterrad statt 17 Zoll. Ansonsten ist der Unterscheid zur S-Version nicht groß, auch die R zeigt das neue, umstrittene KTM-Gesicht mit einer offenen Maske, umrahmt von LED-Tagfahrleuchten.

KTM 1390 Super Adventure R I (9 Bilder)

KTM präsentiert die neue 1390 Super Adventure R mit längeren Federwegen und größeren Rädern als an der S-Version für mehr Geländetauglichkeit. (Bild:

KTM

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Sie verfügt nun über Kurvenlicht und leuchtet heller als die Vorgängerin. Die Front ragt hoch auf und wird von einem verstellbaren Windschild gekrönt. Der Kühler ist neu geformt und soll wesentlich leistungsfähiger als der in der Vorgänger-Generation sein. Die Verkleidung hat seitliche Luftauslässe, um die heiße Luft von den Knien wegzuleiten. Viel Platz nimmt der 23-Liter-Tank ein, er reicht tief hinunter und ist an den Flanken schmal, um dem Fahrer Spielraum zu lassen.

Im Gegensatz zur zweiteiligen Sitzbank der S ist die der R durchgehend, hat aber auch eine Stufe zum Sozius und liegt ohne Fahrer auf 880 mm Höhe. Das ist zwar 10 mm niedriger als bei der Vorgängerin, erfordert aber immer noch viel Körpergröße, um sicher mit beiden Füßen auf den Boden zu kommen. Der Stahlrohrrahmen mit angeschraubtem Aluminium-Heck ist, abgesehen von der orangen Lackierung identisch, auch am Motor wurde nichts geändert. Der 1349-cm3-V2 – das sind 48 cm3 mehr als bei der 1290er – produziert 173 PS bei 9500/min und satte 145 Nm bei 8000/min.

Zudem verfügt er über eine variable Ventiltechnik, bei der sich die Einlassnocken bei höheren Drehzahlen verschieben und dann die Ventile länger und weiter öffnen. Bei KTM heißt das "Camshift". Damit ist die 1390 Super Adventure R die stärkste Enduro mit 21-Zoll-Vorderrad und für beeindruckende Beschleunigungs- und Durchzugswerte gut.

Das voll einstellbare Fahrwerk liefert die KTM-eigene Marke WP. Die Gabel misst 48 mm im Durchmesser, die Schwinge ist ohne Umlenkung mit dem per Handknauf in der Vorspannung einstellbaren Federbein verbunden. KTM zieht ab Werk Bridgestone AT 41 in der Dimension 90/90-21 vorn und 150/70-18 hinten auf. Der straßenlastige Reifen ist angesichts der gewaltigen Kräfte die bessere Wahl, weil ein Enduroreifen mit grobem Profil und viel Negativanteil bei 173 PS auf Asphalt nicht lange überleben würde.

Mit 1577 mm Radstand ist die 1390 Super Adventure R auf Geradeauslauf ausgelegt, was bei ihrer Höchstgeschwindigkeit von 250 km/h auch dringend notwendig ist. KTM gibt ihren Verbrauch mit 6,1 Liter auf 100 km an, bei einem 23-Liter-Tank kommt sie somit auf 377 km Reichweite.

Ein gewisses Maß an Handlichkeit soll ihr der Lenkkopfwinkel von 64,8 Grad verleihen, was im Gelände bei einem Trockengewicht von 231 kg nur leidlich gelingen dürfte. Rechnet man noch alle Flüssigkeiten hinzu, kommt KTMs Riesenenduro auf gut fünf Zentner Gewicht.

KTM 1390 Super Adventure R II (5 Bilder)

Die Front der 1390 Super Adventure R ragt hoch auf und wird von einem verstellbaren Windschild gekrönt, die Verkleidung ist neu gestaltet. (Bild:

KTM

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Daher sind Motorschutz und Sturzbügel serienmäßig und auch dringend notwendig, falls der Koloss außer Kontrolle gerät. Wenn Rallye-Profis für Werbeaufnahmen mit dem Riesengerät durch die Wüste brettern oder Steilauffahrten erklimmen, sieht das natürlich ganz locker aus, in Wahrheit ist das PS-Monster mit fünf Zentner Lebendgewicht für normale Fahrer im Gelände mit größter Vorsicht zu genießen.

Gestoppt wird die 1390er über doppelte radiale Brembo-Vierkolbenbremszangen mit 320-mm-Bremsscheiben am Vorderrad, selbst hinten weisen die Bremsscheiben an der Doppelkolben-Bremse noch 267 mm auf. Um die überschäumende Kraft im Zaum zu halten, bekommt die 1390 Super Adventure R jede Menge elektronische Assistenzsysteme mit auf den Weg. Ganz neu ist das wie ein Tablet aussehende, acht Zoll große und senkrecht stehende TFT-Display mit Touchscreen. Der Bildschirm soll eine spezielle Beschichtung haben, bei der die Ablesbarkeit nicht durch Reflexionen oder Fingerabdrücke beeinträchtigt werden soll. Die Fahrmodi Rain, Street, Sport, Offroad und Custom lassen sich sogar mit dicken Handschuhen anwählen. Serienmäßig bekommt der Kunde das einstellbare Kurven-ABS, die mehrstufige Schlupfregelung, Reifendruckkontrolle, Tempomat, Keyless-Ride und Smartphone-Konnektivität.

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Unverständlicherweise kostet der Rallye-Modus Aufpreis, der dem Hinterrad viel Schlupf erlaubt, in neun Stufen einstellbar ist und das ABS am Hinterrad deaktiviert. Auch das adaptive Bremslicht, der Quickshifter, der Berganfahrassistent und das Frontradar sind nicht inbegriffen. Das an der 1390 Super Adventure S eingeführte automatisiertes Schaltgetriebe "AMT" ohne Kupplung, ist für die R ebenso wenig erhältlich wie das semi-aktive Fahrwerk. Den Listenpreis für die neue 1390 Super Adventure R hat KTM noch nicht bekannt gegeben, die Vorgängerin gab es ab 22.299 Euro.