Dark Patterns: Verbraucherschutzministerium sieht dringenden Handlungsbedarf
Viele Plattformen nutzen weiter manipulative Designs, was dem DSA widersprechen dĂĽrfte. Aus der Bundesregierung heiĂźt es: Die EU-Kommission muss einschreiten.
(Bild: Monkey Business Images/Shutterstock.com)
Bundesverbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) appelliert an die EU-Kommission, schärfer gegen manipulative oder süchtig machende Designs ("Dark Patterns") vorzugehen. Das Bundesministerium für Umwelt- und Verbraucherschutz (BMUV) setze sich hier "für eine konsequente Durchsetzung Digital Services Act (DSA) ein", damit EU-Bürger "und insbesondere auch Kinder effektiv vor manipulativen Designs auf Online-Marktplätzen und sozialen Netzwerken geschützt werden", erklärte eine BMUV-Sprecherin gegenüber heise online. Besonders bedenklich seien Designpraktiken, "die Schwächen ausnutzen, Suchtverhalten fördern oder Glücksspielelemente enthalten".
"Alle Befugnisse ausschöpfen"
"Hier ist dringendes Handeln geboten, da solche Designpraktiken zu erheblichen Verbraucherschäden führen", heißt es aus dem BMUV. "Gegenüber den sehr großen Online-Plattformen sollte die EU-Kommission alle Befugnisse nach dem DSA ausschöpfen und auch Bußgelder verhängen." Dafür machten sich Lemke und ihr Team auch gegenüber der EU-Kommission stark, hob die Sprecherin hervor.
Wichtig sei aber auch, "dass vollziehende Behörden, Verbände und Unternehmen wissen, was als unrechtmäßiges Dark Pattern gilt", so das Ministerium weiter. Das BMUV werbe deswegen dafür, dass die Kommission "zeitnah mit einem hohen Verbraucherschutzniveau die im DSA vorgesehenen Leitlinien erlässt, um zu einer möglichst einheitlichen Behandlung und Auslegung von Dark-Patterns zu kommen".
Das BMUV hält weitere Maßnahmen für erforderlich, um die Verbraucher effektiv zu schützen. Von der Kommission bereits ausgemachte Schutzlücken bei Dark Patterns sowie bei Influencer-Werbung "sollten schnellstmöglich geschlossen werden", verlangt Lemkes Sprecherin. Der angekündigte Digital Fairness Act müsse Nutzer "umfassend vor Manipulation und schädlichen Designpraktiken" schützen.
Manipulative Elemente
Die Ministerin reagiert damit auf eine Untersuchung des Bundesverbands der Verbraucherzentralen (vzbv), wonach große Betreiber von Online-Marktplätzen und sozialen Netzwerken noch immer im großen Stil auf Dark Patterns setzen. Genannt wurden dabei AliExpress, Amazon, eBay, Facebook, Instagram, Kaufland, LinkedIn, MediaMarkt, Otto, Shein, Snapchat, Temu, TikTok, X, Wish, YouTube und Zalando.
Sie verwenden demnach Verfahren wie Push-Benachrichtigungen, Autoplay, unendliches Scrollen oder Gamification mit Glücksspiel-ähnlichen Zügen. Auch die Angst, etwas zu verpassen, werde rigoros ausgenutzt. Zum Einsatz kämen potenziell ausbeuterische Elemente wie "Addictive Design" oder "Hyper-Engaging Dark Patterns" (HEDP), die in der EU untersagt seien. In extremen Fällen erhielten Nutzer stündlich Nachrichten mit Rabattversprechen oder zeitlich befristeten Angeboten, wobei oft Countdowns eingesetzt werden. Teils prasselten eine Vielzahl solcher HEDP permanent auf sie ein.
Die Experten stießen bei allen 18 Betreibern auch auf verschwimmende Grenzen. So setzten mittlerweile auch Marktplätze Techniken ein, die ursprünglich eher sozialen Netzwerken zugeordnet wurden. Der vzbv hat von Temu und Shein bereits Unterlassungserklärungen erwirkt, fürchtet aber einen Hase-Igel-Wettlauf.
Bundesnetzagentur muss noch liefern
Der Digital Services Act (DSA) verbietet in Artikel 25 Designs, die dazu führen können, dass Verbraucher in ihrer Fähigkeit, eine freie und informierte Entscheidung zu treffen, maßgeblich beeinträchtigt oder behindert werden. Die EU-Kommission und die Bundesnetzagentur als Digital Services Coordinator (DSC) müssten die Vorgaben "konsequent und nachhaltig umsetzen".
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Die Bundesnetzagentur äußerte sich vage. Der dort angesiedelte DSC "durchsucht in der Regel nicht aktiv das Internet auf Verstöße gegen den DSA", erläuterte eine Sprecherin. Der Koordinator nehme "jedoch jederzeit Beschwerden von Usern gegen vermutete Verstöße" entgegen. Sollte die Zuständigkeit für die gemeldeten Plattformen bei anderen nationalen DSCs oder der Kommission liegen, "werden die eingehenden Beschwerden dorthin weitergeleitet".
Sonst verweist der Regulierer nur auf einen engen Austausch mit dem Umweltbundesamt (UBA), das als Verbraucherschutzbehörde die Geschäftspraktiken von Online-Marktplätzen beobachte. Zusammen mit europäischen Kollegen forderte das UBA im November Temu auf, irreführende Geschäftspraktiken abzustellen. Die chinesische Firma zeigte sich kooperationsbereit.
(vbr)