MSC 2025: Wie viel Regulierung von Tech-Konzernen muss sein?
Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird auch Regulierung diskutiert. Stimmen von der EU, nationalen Regierungsvertretern – und Palantir.
Eine der typischen Panel-Diskussionen im Bayerischen Hof bei der MSC 2025.
(Bild: MSC/Karmann)
Die Nachjustierung europäischer Regulierung, insbesondere im Bereich des Boomthemas Künstliche Intelligenz, war Gegenstand zahlreicher Diskussionen bei der Münchner Sicherheitskonferenz (MSC). Europäische Vertreter schwanken im Angesicht radikaler Äußerungen des alten transatlantischen Partners USA zwischen promptem Widerspruch und der Sorge, im Rennen um Innovationen überrannt zu werden.
Europas Selbsteinschätzung, dass die schiere Größe des eigenen Marktes ihm erlaube, "die Geschwindigkeit der wirtschaftlichen Entwicklung zu diktieren", sei überholt, sagte Mike Gallagher, Head of Defense beim US-Überwachungs-Techkonzern Palantir am ersten Tag der MSC. "Angesichts des Mangels an Innovation im Bereich Künstlichen Intelligenz und Softwareentwicklung riskiert Europa, abgehängt zu werden", so der ehemalige republikanische Abgeordnete.
Nicht nur seien "die Tage des Kniefalls vor BrĂĽssel" vorbei, der Block drohe durch seinen Regulierungsansatz im "Kalten Krieg" um die TechnologiefĂĽhrerschaft auf dem Verliererplatz zu landen, sagte Gallagher.
Europa selbstkritisch
Ekaterina Zaharieva, frisch gebackene EU-Kommissarin für Start-ups, Forschung und Innovation im Kabinett von der Leyen, hielt zwar dagegen. Sie verwies auf den überproportionalen Anteil von Forschern in der Gemeinschaft: bei fünf Prozent der Weltbevölkerung leisten sich die EU-Mitgliedsstaaten immerhin 25 Prozent der Forscher weltweit. In Europa werde auch mehr patentiert als in den USA und es gebe mehr Startups.
Aber: viele von letzteren zöge es wegen besserer Entwicklungsmöglichkeiten dann in die USA. "Wir sind bereit zur Selbstkritik," anerkannte die Bulgarin und resümierte: "Wir sollten den richtigen Weg zwischen Überregulierung und null Regulierung finden."
Henna Virkkunen, Vizepräsidentin der EU für Tech-Souveränität, Sicherheit und Demokratie hatte auf Nachfragen bei der angegliederten Münchner Cybersicherheitskonferenz bereits "Vereinfachung und Harmonisierung" der Digitalgesetzgebung zugesichert. In einem ersten Schritt wolle man etwa die Gesetze über Digitale Dienste und den Digitalen Markt (DSA, DMA) und auch das EU-KI-Gesetz auf mögliche Überschneidungen hin abzuklopfen. Eine echte Harmonisierung bei der Umsetzung steht ebenfalls zur Diskussion.
KI-Act 1.2
Regulierung bleibt unverzichtbar, sie gut auszubalancieren sei dabei überlebensnotwendig für demokratische Gesellschaften, sagte die Chefin des Bundesamtes für Sicherheit in der Informationstechnik, Claudia Plattner in der Runde zum Thema KI. Weder könnten diese es sich leisten, auf Regulierung zu verzichten. Dann würden sie von der Technologie potenziell böswilliger Akteure überrannt. Noch dürften sie auf eigene Experimente und Innovationen verzichten. Denn würden sie von anderen abhängig.
"Ich würde mir wünschen", so Plattners Plädoyer, "dass wir schon jetzt an der Version 1.2 des KI Akts arbeiten. Wir müssen lernen, Gesetze schneller anzupassen und Dinge wieder rauszuwerfen, die nicht funktioniert haben", sagte sie.
Die berufsmäßige Softwareentwicklerin machte in der Münchner Runde konkrete Vorschläge, welche Regeln sie in der aufgeheizten Debatte um freie Meinungsäußerung, Desinformation und KI für sinnvoll hielte: Kein Account für Bots, die Kennzeichnung von KI-generierten Inhalten und die Möglichkeit, Inhalte zu signieren, um ihre Authentizität überprüfbar zu machen.
"Technisch, kryptographisch sind das Peanuts", so Plattner. Natürlich müssten die Tech-Unternehmen dazu kooperieren. Weitere Maßnahmen könnte die Kennzeichnung von privaten Meinungen und Unternehmensstatements als solche und die Markierung von Bezahlinhalten sein. Solche Ergänzungen zum DSA würden nichts kosten, sagt Plattner, brächten aber viel mehr Transparenz für die Nutzer.
Kulturelle Werte bei KI Regulierung?
Widerspruch zu Plattners Vorschläge kamen von Kent Walker, Präsident Global Affairs bei Google und Mitglied des Security Innovation Board der Münchner Sicherheitskonferenz. Vorschläge wie die von Plattner müssten stets vorab auf ihre Effekte überprüft werden. "Untersuchungen haben gezeigt, dass Nutzer beim Einsatz von KI-Markierungen Inhalte, die nicht so markiert sind, automatische für wahr halten," sagte Walker.
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Nach möglichen global harmonisierten Normen gefragt, lobte Walker die Arbeiten von OECD, GZ und UN, nicht ohne anzumerken, dass am Ende jedes Land seine eigene Regulierung für Internet und andere Technologien schaffe, "die die jeweiligen kulturellen Werte widerspiegeln".
Marktkonzentration nicht innovationsfreundlich
Die Zeiten für Regulierer werden härter, mahnte angesichts der EU-US-Verwerfungen Amba Kak, eine der Direktorinnen des AI Now Institute. Kak appellierte an die EU-Regulierer, dem Druck der neuen US-Administration nicht nachzugeben. Nachdem man ein Jahrzehnt lang die Übermacht weniger Plattformen diskutiert habe, dürfe man die Konzentration von KI Technologie in den Händen derselben wenigen Riesen nicht einfach hinnehmen. Kak erinnerte an die entsprechenden Verfahren, welche die Federal Trade Commission unter der Biden Administration erstmals angestrengt habe. Marktkonzentration und Schlüsseltechnologien in der Hände weniger Akteure schade einem innovativen, diversifizierten Markt, sagte auch EU Vizepräsidentin Virkunnen.
Ziel auf internationaler Ebene, etwa im Kreis der G7, müsse es sein, so Kak, dem von der Trump-Administration ausgegebenen neuen Credo entgegenzutreten, dass Regulierung ein schmutziges Wort sei. "Die Sichtweise, dass jegliche Einschränkung der unbeschränkten Macht der US-Tech-Konzerne gleichbedeutend ist damit, dass man China einen Vorteil im Rennen um die Technologieführerschaft gebe, ist gefährlich für unsere Gesellschaften."
(nie)