Verfahren um Datenzugang: X lässt Richter austauschen

Im Verfahren um den Zugang zu Daten von X tauscht das Landgericht Berlin den Richter aus, der für die an der Klage beteiligte GFF gearbeitet hat. 

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X-Symbol auf einem Smartphone. Das Smartphone liegt auf einer Mac--Notebook-Tastatur.

(Bild: sdx15/Shutterstock.com)

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Das Verfahren um den Zugang zu Daten des Kurznachrichtendiensts X (ehemals Twitter) nimmt eine überraschende Wendung: Das Landgericht Berlin hat den verantwortlichen Richter von dem Verfügungsverfahren abgezogen, weil er befangen sein könnte. Das bestätigte eine Gerichtssprecherin auf Anfrage von heise online am Freitag (Az. 41 O 140/25 eV).

Das Landgericht hat am 7. Februar auf Antrag von Democracy Reporting International (DRI) und der Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) per einstweiliger Verfügung angeordnet, dass X den Organisationen auf Grundlage des europäischen Digital Services Act (DSA) einen "unbeschränkten Zugang zu allen öffentlich verfügbaren Daten der Plattform X" über eine Online-Schnittstelle zu gewähren habe.

Der DSA sieht vor, dass sogenannte sehr große Online-Plattformen – zu denen X bzw. Twitter zählt – einen API-Zugang zu Daten für Forschungszwecke bereitstellen müssen. Ende 2023 hat die EU-Kommission ein Verfahren gegen X eingeleitet, in dem es unter anderem um die Bereitstellung der Daten für Forschungszwecke geht.

X hat Anfang der Woche gegen die einstweilige Verfügung Widerspruch eingelegt. Ferner haben die Anwälte des Unternehmens einen Ablehnungsantrag gegen den Richter gestellt, dem die Kammer am Donnerstag stattgegeben hat. "Für die Ablehnung des Richters muss dessen Parteilichkeit nicht tatsächlich bestehen", erklärt die Gerichtssprecherin. Vielmehr reiche auch, wenn eine Partei die Sorge haben könne, der Richter sei nicht unvoreingenommen.

Die Kammer sei zu dem Schluss gekommen, dass diese Sorge entstehen könnte, "da der betroffene Richter in der Vergangenheit bei einer die Antragstellerin unterstützenden Gesellschaft tätig war", so die Gerichtssprecherin weiter. Der ursprüngliche Beschluss habe trotz des Richterwechsels vorerst Bestand. Über den Widerspruch des Unternehmens X werde nun am 27. Februar unter Vorsitz eines anderen Richters der Kammer verhandelt.

Nach Recherchen von heise online hat der aus dem Verfahren entfernte Richter im Jahr 2023 kurzzeitig als Rechtsreferendar für die GFF gearbeitet. Das hat die GFF auf Anfrage bestätigt. "Der Richter, bei dem das Landgericht dem Antrag der Befangenheit stattgab, absolvierte Anfang 2023 drei Monate seiner Ausbildung als Rechtsreferendar bei der GFF", erklärte eine Sprecherin der GFF und betonte, der Referendar habe sich damals nicht mit dem DSA oder der Klage gegen X befasst, die bisher nicht geplant gewesen sei.

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"Der GFF und den Anwälten von DRI war vor Erlass der einstweiligen Verfügung nicht bekannt, dass das Verfahren einem ehemaligen Referendar der GFF zugewiesen wurde", so die GFF-Sprecherin weiter. Welche Auswirkungen der Richterwechsel auf das Verfahren habe, sei noch nicht abzusehen. "Wir rechnen nicht damit, dass sich die Entscheidung des Befangenheitsantrags negativ auf die weitere Entscheidung in der Sache auswirkt."

Die GFF ist eine BĂĽrgerrechtsorganisation, die 2015 unter Mitwirkung des ehemaligen Strafrichters am Landgericht Berlin Ulf Buermeyer und des grĂĽnen Politikers Malte Spitz gegrĂĽndet wurde. Buermeyer hat sein Richteramt im Sommer 2024 niedergelegt, um sich ganz seiner Arbeit im Vorstand der GFF und dem bekannten Podcast "Lage der Nation" zu widmen, den er gemeinsam mit dem Journalisten Philip Banse betreibt. Buermeyer war bis 2016 auch gelegentlich Autor fĂĽr heise online und c't sowie zuletzt Gast im Datenschutz-Podcast "Auslegungssache".

(vbr)