BMW Neue Klasse: Zonen-Architektur und kräftige Rechner
BMW hat fĂĽr die Plattform der Neuen Klasse das Elektronikkonzept von Grund auf neu konzipiert, mit Zonen, Hochintegration und reichlich Rechenleistung.
Die offizielle Vorstellung der ersten Modelle auf Basis der Neuen Klasse soll noch in diesem Jahr erfolgen.
(Bild: BMW)
Für die "Neue Klasse" räumt BMW grundsätzliche Dinge in der Elektronikarchitektur komplett um. Die Plattform wird auf eine moderne Zonen-Architektur gestellt, die Rechenleistung drastisch erhöht. "Diese Architektur erlaubt es uns, die Entwicklung von Fahrzeug und Software voneinander zu entkoppeln", sagt Frank Weber, Entwicklungsvorstand der BMW AG. "Der Vorteil: Mehr noch als heute bleiben alle künftigen BMW-Modelle via Over-the-Air Upgrades digital auf dem neuesten Stand und erhalten Updates auch noch aus der nächsten und übernächsten Fahrzeuggeneration." Vier Rechengeräte brachten die Ingenieure vorn vor den Beifahrerfüßen im Auto unter:
- "Core Brain" steuert Kernfunktionen wie Fahrzeugzugang, Klimatisierung, Komfortsysteme, Beleuchtung, Datenfluss und -verarbeitung und kĂĽmmert sich um Software-Updates.
- "Brain of Panoramic iDrive" steuert ebendieses iDrive mit den Bildschirmen der gesamten vorderen Konsole, 3D-HUD, Sound, Navigation, Unterhaltung generell und die Sprachsteuerung.
- "Brain of Automated Driving" kĂĽmmert sich um die Fahrautomatisierung. Laut BMW hat sich hier die Rechenleistung verzwanzigfacht.
- "Heart of Joy" schließlich bündelt die Fahrdynamikfunktionen. Da nun Antriebs- und Fahrwerkssteuerung auf einem Gerät stattfinden, reduzieren sich die Latenzen von Interaktionen auf unter eine Millisekunde. Das ist ein Zehntel der bisher üblichen Technik mit getrennten Controllern für die Steuerungen.
(Bild:Â BMW)
Vier Zonen
Fortschritte in der Zonalisierung und den elektronischen Sicherungen lassen BMW große Mengen teures Kupfer sparen. Statt eines klassischen Kabelbaums mit zahlreichen Direktverbindungen zwischen den Steuergeräten kommt in der Neuen Klasse eine Zonen-Architektur zum Einsatz, die das Bordnetz in vier Zonen unterteilt. Je Zone bündelt ein Zonen-Controller den Energie- und Datenfluss für die Sensoren und Aktuatoren in der jeweiligen Zone.
Die Zonen-Controller sind untereinander und mit den Rechnern über Ethernet verbunden. Das verkürzt die nötigen Kabelmengen massiv, weil Strom und Schaltsignale nur noch den kurzen Weg vom Zonen-Controller zu den jeweiligen Verbrauchern geschaltet werden müssen statt im Extremfall durchs ganze Auto. Die Verkabelung kann damit deutlich reduziert werden. BMW schreibt davon, pro Fahrzeug mit 600 Metern weniger Verkabelung auszukommen und mit 30 Prozent weniger Kabelbaumgewicht. Aufgrund der Preisentwicklung von Halbleitern und Kupfer und einem höheren Automatisierungsgrad in der Produktion des zonalen Kabelbaums dürfte auch das Kostengefüge stimmen.
Programmierbare Halbleiterschalter
Auch die klassische Schmelzsicherung hat für viele Einsatzzwecke ausgedient in der Neuen Klasse. BMW ersetzt je nach Modell bis zu 150 Schmelzsicherungen durch elektronische Sicherungen namens "Smart eFuse". Das sind im Prinzip digital programmierbare Halbleiterschalter, die nicht nur zum Leitungsschutz den Strom kappen wie eine Schmelzsicherung, sondern auch nach anderen Gesichtspunkten intelligent geschaltet werden können. BMW verwendet sie, um Verbraucher gezielt komplett abzuschalten. Damit ist der Hersteller unabhängig davon, wie gut Zulieferer die Ruhestromaufnahme auf Standby umsetzen.
In den Zonen-Controllern arbeitet BMW mit zustandsgesteuerten Power-Modi, um etwa typische Situationen wie Parken, Laden, Fahren oder Software-Updates jeweils mit den optimalen Schaltungen zusammenzufassen. Die eFuses leisten so einen erheblichen Beitrag zur Energieeffizienz der Neuen Klasse, die laut BMW um bis zu 20Â Prozent besser sein soll als in der bisherigen Elektronikarchitektur.
(Bild:Â BMW)
Fazit
BMW nutzt die neue Plattform an vielen Stellen von Produktion und Fahrzeugtechnik für einen Neuanfang am aktuellen Stand der Technik. Die neue Elektronikarchitektur ist ein großer Schritt nach vorn und erlaubt eine Flexibilität, wie sie bisher nur teurer oder gar nicht möglich waren. Die Reduktion der Steuergeräte folgt dem aktuellen Trend zur Zentralisierung der Rechenleistung. Die unterschiedlichen Funktionsdomänen werden dabei in den vier Rechnern integriert. Das erhöht sowohl die Sicherheit als auch die Flexibilität enorm.
Die erheblich erhöhte Rechenleistung wiederum gibt BMW den Raum für zukünftige Software-Verbesserungen. Aus Technik-Interessierten-Sicht ist es schön, dass BMW die Chancen der neuen Plattform genutzt hat, um auch hinter den Kulissen große Fortschritte einzuführen. Es erinnert an Herrn Jobs bekanntes Zitat des Schreiners: Wer seinen Job leidenschaftlich macht, versucht immer, bis in die letzte, unsichtbare Ecke genau so durchzuziehen wie bei den Headliner-Features.
(mfz)