Motorrad: Rennkoffer Harley-Davidson CVO Road Glide RR

Die CVO Road Glide RR mit 2,1-Liter-Motor ist die stärkste und teuerste Harley aller Zeiten. Jede der 131 racing-frisierten Road Glides kostet 110.000 Dollar.

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Harley-Davidson CVO Road Glide RR

Beim ersten Anblick fragt sich der europäische Motorradfahrer: "Fehlt da nicht was?". Ja schon, doch sind für eine Rennmaschine 340 Kilogramm noch weitaus absurder als die 110.000 Dollar Kaufpreis.

(Bild: Harley-Davidson)

Lesezeit: 6 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Das Wort "Exklusivität" wirkt auf manche Motorradfahrer geradezu magisch. Das weiß auch Harley-Davidson und hat deshalb 1999 die Abteilung "Custom Vehicle Operations" (CVO) gegründet. Dort werden jedes Jahr limitierte Modelle gefertigt, die sich durch zusätzliche Ausstattung auszeichnen. Sie basieren auf bereits vorhandenen Modellen, sind aber erheblich teurer – in der Regel weit über 10.000 Euro mehr – und dennoch fast immer schon vor Produktionsstart ausverkauft. Alle paar Jahre bekommen die CVO-Modelle aber auch als Erste einen neuen, stärkeren Motor. Traditionell vergrößert Harley-Davidson dafür bei seinen V2-Motoren den Hubraum.

Aktuell bohrt Harley-Davidson ausschließlich die CVO-Modelle von 1923 cm3 auf 1977 cm3 Hubraum auf. So hat die serienmäßig mit 109 PS und 175 Nm angegebene Road Glide, Listenpreis 32.600 Euro, während die CVO Road Glide 117 PS und 183 Nm satte 47.950 Euro kostet. Dabei ist das Hubraum-Plus kaum der Rede wert, die Leistungssteigerung gerade mal als "freieres Atmen" wahrnehmbar.

Peanuts gegen das, was Harley-Davidson jetzt aufgelegt hat. In der CVO-Abteilung ließ man sich von der in Amerika sehr beliebten "King of the Baggers"-Rennserie inspirieren, wo die riesigen, für Bestzeiten auf der Rennpiste präparierten Tourendampfer von Harley-Davidson und Indian Motorcycle gegeneinander antreten, Koffer sind übrigens Vorschrift. Die Marke aus Milwaukee betitelt sein neues Modell als "CVO Road Glide RR" und trumpft mit gewaltigen 2147 cm3 Hubraum auf. Das sind 1073 cm3 pro Zylinder. Dafür wurde die Bohrung auf 109,5 Millimeter vergrößert und der Hub auf 114,3 Millimeter erhöht. Harley-Davidson bezeichnet den Motor als "Screamin‘ Eagle 131", was dem Hubraum in Kubik-Inch entspricht und auf das Tuning-Programm hinweist.

Harley-Davidson nutzt außer der Hubraumvergrößerung die klassischen Wege zur Entdrosselung. Eine grundlegende Bearbeitung der wassergekühlten Zylinderköpfe ermöglicht um zwei Millimeter größere Ein- und Auslassventile. Mit geänderten Nockenprofilen erreichen die Ventile 1,4 Millimeter mehr Hub. Die Drosselklappe wird entsprechend auf 68 Millimeter vergrößert, ein voluminöserer Luftfilter trägt der größeren Durchströmung ebenso Rechnung wie die Auspuffanlage von Akrapovic.

Harley-Davidson CVO Road Glide RR I (6 Bilder)

Harley-Davidson baut mit der CVO Road Glide RR nicht nur sein stärkstes, sondern auch sein teuerstes Modell aller Zeiten, sie soll 110.000 US-Dollar kosten. (Bild:

Harley-Davidson

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Sie ermöglicht nicht nur die entsprechende Gasbewegung auf der Auslassseite, sondern spart auch Gewicht durch den Leichtbaustoff Titan. Die CVO Road Glide RR kommt mithilfe aller Maßnahmen auf 153 PS bei 5750/min und 204 Nm bei 4750 Touren, neuer Rekord für Harley-Davidson im Serienbau. Der Begrenzer setzt erst bei 6500/min, wenn die mittlere Kolbengeschwindigkeit bereits sagenhafte 24,77 m/s erreicht hat. Alles über 20 gilt im Serienbau nach einer Faustregel bereits als potenziell ungesund.

Um die gewaltige Maschine effektiv auf der Piste zu halten, ist die Upside-down-Gabel 130 Millimeter Federweg von Öhlins voll einstellbar. Die CVO Road Glide RR verzögert mittels GP4-RX-Bremszangen von Brembo mit 320 Millimeter großen Bremsscheiben – Komponenten, die sonst bei Superbikes verbaut werden. Die Radgrößen hingegen entsprechen nicht gerade dem Standard von Sportmotorrädern, statt 17 Zoll kommen 19 Zoll vorn und 18 Zoll hinten zu Einsatz. Bei der Schwinge betreibt Harley-Davidson enorm viel Aufwand, das nur acht Kilogramm wiegende Exemplar soll angeblich aus einem 100 kg schweren Aluminiumblock gefräst sein. Sie ist mit zwei Federbeinen mit externem Reservoir und 89 mm Federweg – ebenfalls von Öhlins – am Rahmen abgestützt. Da Federbeine und Gabel länger sind als beim Basis-Modell, wird die Sitzhöhe um 60 Millimeter angehoben.

Weil gleichzeitig die gefrästen Fußrasten weiter hinten und höher positioniert sind, erreicht die CVO Road Glide RR auch größere Schräglagen, die aber absolut gesehen mit 36 Grad rechts und 35 Grad links immer noch sehr bescheiden ausfallen.

Harley-Davidson CVO Road Glide RR II (6 Bilder)

Die Titan-Auspuffanlage von Akrapovic ist deutlich leichter und trägt zur Leistungssteigerung bei. (Bild:

Harley-Davidson

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Ein Sechsgang-Getriebe wurde installiert und die Endübersetzung auf 2,13:1 reduziert. Platz nimmt der Fahrer auf einem Solo-Sitzkissen, dahinter wölbt sich ein Höcker aus Kohlefaserlaminat. Auch an vielen anderen Stellen findet sich das leichte Material, so bestehen unter anderem die Verkleidung, der vorderen Kotflügel, der Bugspoiler, die Seitenabdeckungen, der Hitzeschutz am Krümmer und sogar die Koffer aus Kohlefaserlaminat.

Ein wenig absurd wird es bei der Gewichtsangabe, Harley-Davidson lobt den Gewichtsverlust von 23 kg und dennoch kommt die CVO Road Glide RR auf ein Leergewicht von 340 kg. Die aktive Sicherheit verbessern Kurven-ABS, Schlupfregelung, Verbundbremssystem, Anti-Hopping-Kupplung, Berganfahrassistent und neun Fahrmodi. Neben Road, Sport, Rain, Track und Track Plus kann der Fahrer vier Modi individuell konfigurieren. Doch der Harley-Fahrer an sich liebt den Komfort und so bekommt die CVO Road Glide RR ein 12,3 Zoll großes TFT-Display mit Touchscreen, das Apple Car Play und Skyline OS darstellen kann. Zur Unterhaltung dient ein Audio-System mit 500-Watt-Boxen.

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Für die CVO Road Glide RR verlangt Harley-Davidson 110.000 Dollar, auch das ist ein neuer Rekord der Marke. Wie alle CVO-Modelle ist auch sie streng limitiert, in Anlehnung an den Hubraum wird es nur 131 Exemplare geben. Deutsche Interessenten gucken in die Röhre: Das Modell bleibt dem US-Markt vorbehalten. Vermutlich würde sie aber auch nicht die Euro-5+-Norm erfüllen. Ein derart extrem fettes Tourenmotorrad auf Renntechnik umzubauen, ist, als schraubte man Nägel unter Skistiefel: sie werden dadurch noch lange nicht zu Sprinter-Schuhen. Bei der CVO Road Glide RR geht es aber ohnehin nur um Exklusivität, keiner der zukünftigen Besitzer wird damit auf die Rennstrecke gehen und riskieren, 110.000 Dollar zu schreddern.