CO₂-Handelssystem EU ETS2 ab 2027: Sprit wird absehbar immer teurer
Die Preise für Benzin und Diesel werden ab 2027 steigen. Wie stark, ist längst noch nicht ausgemacht, doch EU ETS2 wird Folgen für Nutzer von Verbrennern haben.
Elektroautos wie dieser Citroën ë-C3 könnten vom CO₂-Handelssystem EU ETS2 profitieren: Der Mechanismus sieht vor, dass Einnahmen aus dem Trading sozial umverteilt werden. Zum Beispiel könnte wie in Frankreich das Social Leasing etabliert werden; das ist ein Förderprogramm für Haushalte mit kleinen oder mittleren Einkommen.
(Bild: Christoph M. Schwarzer)
- Christoph M. Schwarzer
Der Spritpreis wird steigen: Ab 1. Januar 2027 tritt das CO₂-Handelssystem EU ETS2 (für Emissions Trading System) in Kraft. Es löst das bisherige Brennstoffemissionshandelsgesetz (BEHG) ab, das seit 2021 jährlich höhere CO₂-Preise in einer bestimmten Höhe festsetzt. 2025 zum Beispiel sind es 55 Euro pro Tonne Kohlendioxid. Das entspricht umgerechnet 14,7 Cent pro Liter Dieselkraftstoff und 13,2 Cent pro Liter Superbenzin. Wie schnell genau der CO₂-Preis durch EU ETS2 nach oben geht, ist unklar. Nahezu sicher ist dagegen, dass das passiert. Was sind die Folgen – und welche Antworten hat die Politik?
Das CO₂-Handelssystem EU ETS2 ist auch für Erdgas und Heizöl gültig; in diesem Beitrag soll es trotzdem ausschließlich um die Auswirkungen auf die Zapfsäule gehen. Die Autofahrer haben mit dem CO₂-Handelssystem direkt nichts zu tun. Das müssen die sogenannten Inverkehrbringer machen: Die Mineralölkonzerne sind für das Trading zuständig, das über die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) beim Umweltbundesamt abgewickelt wird. Big Oil reicht die Kosten an der Tankstelle weiter.
(Bild: Öko-Institut)
Die Menge der Zertifikate wird jährlich verknappt
Das Prinzip von EU ETS2 ist, dass für jede Tonne CO₂, die durch die Verbrennung von fossilen Ressourcen frei wird, ein Zertifikat erworben werden muss. Die Menge der verfügbaren Zertifikate aber wird jedes Jahr um etwa 5,1 Prozent verknappt. Wenn also die CO₂-Emissionen langsamer sinken als die Zahl der Zertifikate, steigt der Preis – und das ist sehr wahrscheinlich. Die Prognosen für den konkreten CO₂-Preis und in der Folge für den Diesel- und Superbenzinpreis haben ein sehr breites Spektrum. Für das Jahr 2030 reicht die Spreizung von 48 Euro pro Tonne, also sieben Euro weniger als aktuell, bis 350 Euro pro Tonne.
In einer Studie, die Ende März 2025 veröffentlicht wurde, schätzt das Energiewirtschaftliche Institut (EWI) der Universität Köln den durchschnittlichen CO₂-Preis bis zum Zieljahr 2035 auf 160 Euro pro Tonne, wobei die Spanne von 120 Euro pro Tonne im Jahr 2027 bis 205 Euro pro Tonne für 2035 reicht. Das entspricht für 2027 32,1 Cent pro Liter Diesel und 28,8 Cent pro Liter Superbenzin. 2035 wären es nach dieser Berechnung 54,8 Cent pro Liter Diesel und 49,2 Cent pro Liter Superbenzin.
(Bild: BDEW)
Fachleute sehen in Hintergrundgesprächen für 2027 eher eine Preisspanne von 70 bis 100 Euro. Es könnte so oder so sein? Ja, das ist das Wesen eines Handelssystems. Die Autofahrer können sich also nicht auf einen exakten Preis einstellen, zumal auch der Rohölpreis zum Beispiel in Abhängigkeit von Kriegen schwankt. Klar ist nur: Wer einen Pkw mit Verbrennungsmotor fährt, wird in den kommenden zehn Jahren mit großer Wahrscheinlichkeit kontinuierlich mehr bezahlen als heute – zusätzlich zur allgemeinen Preissteigerung, versteht sich.
Das Elektroauto profitiert – vielleicht
Aber wird der Fahrstrom für ein Elektroauto automatisch günstiger? Hierauf müsste die Politik mit einer klaren Aussage reagieren, und das tut sie nicht. Es gibt diverse unverbindliche und allgemeine Formulierungen im Koalitionsvertrag der Bundesregierung: "Die CO₂-Einnahmen geben wir an die Bürgerinnen und Bürger zurück." Ja, gerne, das ist schließlich die Definition von EU ETS2. Das CO₂-Handelssystem ist nämlich nicht als Steuer konstruiert, sondern als Umverteilungsmechanismus. 25 Prozent der Einnahmen gehen in den Europäischen Klimasozialfonds, und 75 Prozent verbleiben bei den jeweiligen Nationalstaaten der EU.
(Bild: Aral)
Wohin geht das Geld aus dem Klimasozialfond?
Der Europäische Klimasozialfonds ist allerdings nicht nur als Ausgleich zwischen Arm und Reich innerhalb eines Nationalstaats, sondern übernational gemeint. CO₂-Einnahmen aus Deutschland, wo rund 24 Prozent der Emissionen in der EU anfallen, könnten also auch zur Unterstützung eines Rumänen ausgegeben werden. Das Gros aber bleibt mit 75 Prozent innerhalb der Nationalstaaten. Im Koalitionsvertrag der Bundesregierung steht, dass es Kaufanreize für Elektroautos und ein Förderprogramm für Haushalte mit kleinem und mittlerem Einkommen geben soll. Mehr ist bisher nicht bekannt.
Konkreter wird Dr. Katja Schumacher, stellvertretende Leiterin des Bereichs Energie & Klimaschutz am Öko-Institut: "Direkten Kaufprämien ohne sozialer Differenzierung stehen wir kritisch gegenüber, weil die von der Autoindustrie eingepreist werden", so Schumacher. Stattdessen befürwortet sie drei andere Punkte: "Aus unserer Sicht wäre in der Mobilität das Social Leasing von Elektroautos für geringe und mittlere Einkommen eine Option. Zusätzlich ist eine soziale Steuerung des Deutschlandtickets wichtig. Außerdem muss der öffentliche Personennahverkehr im Sinn eines Zubaus der Infrastruktur ausgebaut werden."
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Über die Marktstabilitätsreserve wird verhandelt
Um radikale Preissprünge zu vermeiden, hat das CO₂-Handelssystem EU ETS2 zusätzlich eine Marktstabilitätsreserve. Ein Beispiel: Für 2027 bis 2030 sind insgesamt vier Milliarden Zertifikate vorgesehen. Zur Preisdämpfung können 600 Millionen weitere Zertifikate ausgeschüttet werden. Um diese Marktstabilitätsreserve auszulösen, sind hohe Hürden vorgesehen, wie eine kurzfristige Vervielfachung des CO₂-Preises. Wie so oft wird in Brüssel auch nach der Verabschiedung eines Gesetzes weiterverhandelt. So zirkuliert bereits ein informelles Diskussionspapier ("Non-paper") zur Aufweichung von EU ETS2. Deutschland gehört zu den Ländern, die dieses Papier lanciert haben.
Wer heute vor einem Autokauf steht, sollte also sorgfältig abwägen, welchen Antrieb er wählt. Bei einer langen Haltedauer muss im Falle eines Verbrenners mit einem stetig steigenden Spritpreis gerechnet werden. Eine staatliche Garantie für günstige Elektroautos und ebensolchen Fahrstrom bekommen deren Käufer trotzdem nicht.
(mfz)