Hyundai Ioniq 9 in Fahrbericht: Reichlich Platz und Leistung im E-SUV

Mit dem Ioniq 9 bringt Hyundai sein größtes E-Auto auf den Markt. Es teilt sich seine Basis mit dem Kia EV9 und richtet sich an Käufer mit hohem Platzbedarf.

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Hyundai Ioniq 9

(Bild: Dirk Kunde)

Lesezeit: 8 Min.
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  • Dirk Kunde
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Losfahren mit dem Ioniq 9 ist gar nicht so einfach. Der Start-/Stopp-Knopf befindet sich am unteren Rand eines Stockhebels, der vom leicht eingeschlagenen Lenkrad verdeckt wird. Mit gleichem Hebel dreht man in den Vorwärtsgang. Langsam rollt der Koreaner den Hügel im Rheingau hinab, und unsere Ausfahrt kann beginnen. Soviel vorab: Er wendet sich an eine Zielgruppe, die tatsächlich viel Platz benötigt – oder eben schlicht ein riesiges Auto haben will.

Früher hätte man die Fahrzeugform als Van bezeichnet. Heute heißt sie MPV, was für Multipurpose Vehicle steht. Der Ioniq 9 teilt sich eine technische Plattform (E-GMP) mit dem Kia EV9. Sie treten aber äußerlich unterschiedlich auf. Die Kia-Variante ist kantig geformt, der Ioniq 9 kommt runder und weicher daher. Dabei wirkt die Front durchaus futuristisch. Ganz unten öffnen und schließen Luftklappen, darüber erkennt man Kameras, Radar- und Ultraschall-Sensoren hinter einer glänzenden Oberfläche. Tagfahr- und Abblendlicht sind im Pixel-Design gehalten. Man könnte annehmen, dass die durchgehende Pixel-Linie als Tagfahrlicht leuchtet. Das tut sie aus regulatorischen Gründen nicht. Dazu müssten größere Abstände zu den Scheinwerfern bzw. eine Logo-Unterbrechung in der Mitte vorhanden sein. Die beiden Seiten des Ioniq 9 erzeugen durch Wölbungen, Kanten und Linien in der Karosserie Lichtreflexionen sowie Schatten. Die Dachlinie fällt nach hinten leicht ab. Insgesamt wird das E-Auto nach hinten minimal weniger voluminös. Blickt man auf das Heck, bilden Rück- und Bremslichter ein umgekehrtes U.

Mit 5,06 m Länge und 1,98 m Fahrzeugbreite ohne Spiegel wird jede Fahrt durch enge Gassen zur Mutprobe. Doch auf den kurvigen Bergstraßen im Rheingau-Taunus-Kreis überwiegt der Fahrspaß. In 5,2 Sekunden ist die Allrad-Performance-Variante auf 100 km/h. Dafür sorgen zwei permanenterregte Synchronmotoren mit einer Systemleistung von 315 kW. Die müssen immerhin 2819 kg plus Insassen in Bewegung setzen. In den engen Kurven des Weinanbaugebietes fallen Wankbewegungen des 1,79 m hohen E-Autos gering aus. Auch bleibt es extrem leise im Innenraum. Zusätzlich zu Verbundglas in Front- und Seitenscheiben dämmt ein Active Noise Cancelling-System Geräusche von außen. Das funktioniert über die 14 Lautsprecher der optionalen Bose-Soundanlage. Künstlich erzeugte Schallwellen neutralisieren fast gänzlich Rad- und Windgeräusche.

Hyundai Ioniq 9 auĂźen (4 Bilder)

Lassen Sie sich von der hübschen Landschaftsaufnahme nicht täuschen: Der Ioniq 9 ist für europäische Verhältnisse ein sehr großes Auto. Er misst 5,06 m in der Länge. (Bild:

Dirk Kunde

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So bleibt es auch auf der folgenden Autobahn-Runde um Mainz herum erstaunlich ruhig. Der Testwagen beschleunigt laut Tacho bis 210 km/h, laut Hersteller sollen es maximal 200 km/h sein. Das gilt auch für Allrad-Version mit 226 kW Motorleistung. Beim Modell mit Heckantrieb und 160 kW ist bei 190 km/h Schluss. Alle drei Varianten verfügen über eine 110-kWh-Batterie mit 800 Volt Spannung. Die Ladeleistung geht bis auf 233 kW Gleichstrom, sodass ein Ladestopp von 10 bis 80 Prozent in 24 Minuten erledigt sein sollte. Das entspricht einer versprochenen Durchschnittsladeleistung von netto 192 kW in diesem Fenster. Das können wir auf unserer kurzen Tour nicht überprüfen.

Mit Wechselstrom liegt die Ladeleistung bei 11 kW. Eine Option für 22 kW bietet der Hersteller nicht an. Das ist schade, denn bei dem Energiegehalt würde es an innerstädtischen Ladesäulen mit zeitlichem Ladelimit einen entscheidenden Unterschied machen. Der Ioniq 9 kommt mit der bereits von anderen Hyundai-Modellen bekannten V2L-Funktion. Dabei wird Energie mit bis zu 3,6 kW über eine Steckdose im Kofferraum oder einen Adapter im Ladeanschluss an externe Geräte abgegeben. Am Ende unserer Testrunde zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch von 22 kWh pro 100 km. Das liegt nur knapp über dem WLTP-Wert von 20,6 kWh, der allerdings die Ladeverluste enthält. Der Unterschied ist also größer, als es diese beiden Werte auf den ersten Blick suggerieren. Der Verbrauch ist, auch angesichts dessen, dass wir auf der kurzen Probefahrt nicht ausgesprochen langsam unterwegs waren, für einen solchen Koloss absolut in Ordnung. Hier macht sich unter anderem der cW-Wert von 0,26 positiv bemerkbar.

Wie stark das E-Auto beim Verzögern Energie zurück in die Batterie speist, bestimmt der Fahrer über zwei Lenkradwippen. In vier Stufen lässt sich die Rekuperation einstellen. Die WLTP-Reichweite unseres Testwagens wird mit 600 km angegeben. Auf langen Fahrten kann der Fahrer dank Massagefunktion entspannen. Sie ist zusammen mit der Bose-Soundanlage Teil des "Techniq"-Pakets. Auf eine Massage-Funktion muss der Beifahrer jedoch verzichten. Er kann dafür in der "Uniq"-Ausstattung Smartphones desinfizieren. Dazu legt man das Gerät in ein geschlossenes Fach im unteren Bereich des Cockpits. Ein Knopfdruck startet die Bestrahlung mit UV-C-Licht. Viren und Bakterien auf der Oberfläche sollen so unschädlich gemacht werden.

Den Ioniq 9 gibt es mit sechs oder sieben Sitzplätzen. Entscheidet man sich für sechs Sitze, besteht die zweite Reihe aus Einzelsitzen. Die kommen optional als Relax-Sitze, die sich fast vollständig in eine Liegeposition bringen lassen. Oder man nimmt sogenannten Swivel-Sitze. Die beiden Sitze lassen sich dann um 180 Grad drehen. Wer dabei mehr Tageslicht im Innenraum möchte, als unser Testfahrzeug zuließ, bestellt das Panoramaglas-Schiebedach für 1350 Euro mit, das sich teilweise auch öffnen lässt. Laut Hyundai-Pressesprecher bietet der Ioniq 9 mehr Platz im Innenraum als ein VW ID.Buzz. Das könnte passen, denn in der Standardversion beträgt der Radstand des Volkswagens 2,99 m. Der Ioniq 9 misst zwischen beiden Achsen 3,13 m.

Hyundai Ioniq 9 innen (10 Bilder)

Hyundai gelingt eine gute Mischung aus Touchflächen, Tasten und Sprachsteuerung. Man findet sich schnell zurecht, obwohl es viel zu bedienen gibt. (Bild:

Thorsten Weigl

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Jeder Sitzplatz im Ioniq 9 verfügt über einen USB-C-Anschluss. Die Mittelkonsole in der ersten Sitzreihe lässt sich um bis zu 19 cm nach hinten schieben. So kommen auch Passagiere in der zweiten Sitzreihe an die Ablage, deren Deckel sich in zwei Richtungen öffnen lässt. Das Ablagefach darunter fasst 5,6 Liter. Ebenfalls aus der zweiten Reihe kann man ein Schubfach mit 12,6 Litern Fassungsvermögen aus der Mittelkonsole ziehen.

Sind alle Sitze belegt, stehen im Kofferraum 338 Liter Stauvolumen zur Verfügung. Da müssen sich die Insassen beim Gepäck zurückhalten. Klappt man die dritte Sitzreihe per Knopfdruck am Heck stehend um, entsteht ein Volumen von 908 Litern. Werden beide Sitzreihen umgeklappt, hat man 2494 Liter Laderaumvolumen. Unter die Fronthaube, die sich per Funkschlüssel oder Knopf am Armaturenbrett öffnen lässt, passen 52 Liter. Ist hier kein Motor verbaut, sind es 88 Liter. Wer noch mehr mitnehmen möchte, setzt auf eine Dachbox (100 kg Dachlast) oder eine Anhängerkupplung. Die hat bei den Allrad-Versionen eine Stützlast von 125 kg. Alternativ zieht man damit bis zu 2,5 Tonnen Anhängelast.

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Das Testfahrzeug verfügt über einen digitalen Rückspiegel. Mit einem Klappschalter wechselt man vom klassischen Spiegel zur Bildschirmansicht der Heckkamera. Der Vorteil: Man sieht mehr. Die Kamera zeigt nachfolgende Fahrzeuge in voller Größe, während beim Spiegel Kopfstützen und Heckscheibe weniger erkennen lassen. Wer mag, bekommt für 1400 Euro auch Kamera-Außenspiegel. Die mögen die Aerodynamik verbessern, doch ein minimaler Gewinn an Reichweite wird in der Regel durch erhöhten Energieverbrauch der beiden OLED-Bildschirme zunichtegemacht.

Hyundai ist in Deutschland die größte asiatische Importmarke. Deutschland-CEO Ulrich Mechau ist stolz auf einen E-Auto-Anteil von 28 Prozent. Der Durchschnitt liegt in Deutschland bei 18 Prozent. Hyundai erreichte im Juni 2025 mit dem Modell Inster die Top Ten der E-Auto-Neuzulassungen des Kraftfahrtbundesamtes. Mit dem Ioniq 9 bedient die Marke nun das obere Ende. Monatliche Leasingraten ab 599 Euro bei 1500 Euro Anzahlung ziehen private Käufer an, hofft Mechau. Mit der kürzlich erweiterten Abschreibung setzt der CEO auf Flottenkunden. Preislich startet der Ioniq 9 mit Heckantrieb bei 68.500 Euro. Unser Testwagen mit Performance-Allrad-Antrieb hat einen Grundpreis von 86.750 Euro.

(mfz)