Kommentar: Der Verbrenner wird schneller sterben, als viele glauben

Autos mit Verbrennungsmotor sind auf dem RĂĽckzug. Das Elektroauto dĂĽrfte sich viel schneller durchsetzen, als vielfach angenommen, meint Redakteur Martin Franz.

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BMW Sechszylinder

Es gab Verbrenner, denen ich durchaus gern zuhörte – wie den tollen Sechszylindern von BMW. Doch das Gebrumme der meisten Alltagsmotoren fehlt mir nicht.

(Bild: BMW)

Lesezeit: 13 Min.
Inhaltsverzeichnis
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This article is also available in English. It was translated with technical assistance and editorially reviewed before publication.

Die augenblicklichen Verhältnisse auf dem Automarkt sind ein schlechter Indikator für den epochalen Wandel, der bei der Fahrenergie vor der Tür steht. In vielen gesellschaftlichen Diskussionen könnte man den Eindruck gewinnen, die Frage, wohin die Reise geht, wäre offen. Dabei ist sie entschieden, unabhängig und losgelöst davon, ob einem das nun gefällt oder nicht. Es gibt mehrere Vorzeichen, dass ein Ende des Verbrenners im Pkw viel näher ist, als manch einer meint. Warum ich dieser Auffassung bin, beleuchte ich in drei Teilen – dies ist der erste.

Nein, es sind nicht alle Fragen und Bedenken rund um das Elektroauto gelöst. Die Ladesituation ist in den vergangenen Jahren aus dem Ruder gelaufen. Denn dass Anbieter zum Teil 90 Cent/kWh verlangen, ist einfach dreist und sollte per Abstimmung mit den Füßen bestraft werden, indem man solche Anbieter meidet. Die Ladeinfrastruktur wächst und gedeiht, lückenlos ist sie aber auch mit mehr 170.000 öffentlichen Ladepunkten in Deutschland keineswegs. In einigen Fällen nehmen Autohersteller drastische Aufpreise für den E-Antrieb, was immer weniger gerechtfertigt scheint. Auf der Zellebene sind 40 Euro/kWh Energiegehalt nicht mehr fern. Selbst eine für heutige Maßstäbe recht üppige Ausstattung kostet keine utopischen Summen mehr.

Ein Kommentar von Martin Franz
Martin Franz

Martin Franz ist der stellvertretende Chefredakteur von heise/Autos. Das berufliche Schrauben hat er hinter sich gelassen, um sich dem Thema Mobilität auf andere Art und Weise widmen zu können: beschreibend. Die Begeisterung für das Auto hat sich verändert, ohne abzunehmen.

Flüssiger Treibstoff ist unverändert im Vorteil, wenn es wirklich darum geht, schnell größere Mengen an Fahrenergie nachzufüllen. Solche Szenarien werden in Diskussionen sehr häufig angeführt, in der Praxis sind sie selten tatsächlich gefragt. Aber es gibt sie. In all diesen Punkten ist Besserung in Sicht – durch Forschung, Konkurrenz und zunehmende Nachfrage. Und schließlich, ja, es gibt Verbrenner, deren Sound ich vermissen werde – keine Frage. Das Gebrumme von braven Alltagsverbrennern aber wird mir nicht fehlen.

Das Ende des Verbrenners ist dennoch näher, als es in vielen Debatten den Anschein hat. Das hat zahlreiche Gründe: das Europäische Emissionshandelssystem 2 (EU-ETS 2), die Abgasnorm Euro 7, die globale Entwicklung inklusive des Ziels eines Flottenverbrauchs von null Gramm CO₂, Klimaschutz und schließlich auch, wie sich ein Elektroauto im alltäglichen Gebrauch im Vergleich mit einem Verbrenner anfühlt.

Die Abgasnorm Euro 7 und die Ausweitung des Emissionshandels werden ab 2027 Kauf und Unterhalt von Autos mit Verbrennungsmotor teurer als bisher machen. Die Schadstoffnorm Euro 7 gilt für alle neu homologierten Fahrzeuge ab dem 29. November 2026, für alle erstmals in der EU zugelassenen Autos ab dem 29. November 2027. Die EU-Kommission rechnet mit Mehrkosten von 90 bis 150 Euro pro Auto, was eine optimistische Einschätzung sein dürfte. Denn die tolerierten Abweichungen während der realen Messungen auf der Straße, beispielsweise bei Stickoxiden, sind klein geworden. Das erhöht den Aufwand beträchtlich. Dazu gibt es eine umfangreiche Dokumentationspflicht: Die Hersteller müssen bestimmte Dinge offenlegen. Eine dauerhafte Wirksamkeit von Abgasnachbehandlungen muss nachgewiesen werden. All das kostet Geld, was Neuwagen mit Verbrennern teurer macht.

Dass Traktionsbatterien in Elektroautos mit der Abgasnorm Euro 7 definiert durchhalten müssen, verändert für die Hersteller praktisch gar nichts. Gefordert werden künftig mindestens 80 Prozent nutzbarer Rest-Energiegehalt nach fünf Jahren oder 100.000 km und 72 Prozent nach acht Jahren oder 160.000 km. Das deckt die Garantie in der Regel schon heute ab. Hersteller garantieren nichts, was zuvor nicht eingepreist wurde.

Fahrer von Verbrennern müssen sich auf steigende Spritpreise einstellen. Ab 2026 klettert der CO₂-Preis je Tonne von 55 auf bis zu 65 Euro – und das ist nur ein Vorgeschmack. 2027 steht eine Reform des Emissionshandels an. Dann wird der Preis für CO₂-Zertifikate nicht mehr von der nationalen Regierung festgelegt, sondern durch einen europäischen Marktmechanismus bestimmt. An einer Börse müssen CO₂-Verursacher Zertifikate erwerben – Angebot und Nachfrage bestimmen den Preis, der an die Verbraucher weitergereicht wird. Das grundlegende Prinzip: Die Zahl der Zertifikate ist begrenzt und wird jährlich reduziert. Für Notfälle können weitere Zertifikate auf den Markt gekippt werden, und es ist einigen politischen Akteuren durchaus zuzutrauen, dass sie über diesen Weg eine Aufweichung erreichen wollen. Das grundsätzliche Verfahren stellen Parteien, die sich irgendwie als mittig betrachten, aber nicht infrage.

Zusätzlich wird ab 2027 der Verkehrssektor in den Emissionshandel aufgenommen. Es kursieren unterschiedliche Zahlen, was das für den Spritpreis an der Zapfsäule letztlich bedeutet. Eines sollte aber klar sein, auch wenn sich der Preis am Markt bildet: So billig wie aktuell wird Sprit perspektivisch nie wieder. Der ADAC warnte im Februar vor einem Preisanstieg von bis zu 19 Cent je Liter, und das nicht einmalig, sondern jedes Jahr, denn mit der sinkenden Zahl der CO₂-Zertifikate steigt der Preis. Der Präsident des "Zentralverband Deutsches Kraftfahrzeuggewerbe" Arne Joswig, forderte die Politik bereits auf, gegenzusteuern. Andernfalls könnte bis 2030 der CO₂-Preis bis auf 300 Euro/Tonne steigen. Das würde, so Joswig, den Preis an der Tankstelle um 70 bis 80 Cent je Liter anheben.

Da der Energiesektor schon heute im Emissionshandel verankert ist, wird die Verteuerung beim Strom weniger drastisch ausfallen. Ohnehin gehe ich davon aus, dass sich auf dem Markt der Ladesäulenbetreiber demnächst etwas ändert. Die AC-Ladesäule nahe meiner Redaktion schlägt derzeit mit 74 Cent/kWh ins Kontor. Gut für mich, denn so ist absolut zuverlässig immer mindestens ein Platz für meine Testwagen frei – und nur in raren Ausnahmefällen kann ich mir den Anschluss an der Säule nicht aussuchen. Für den Betreiber aber kann es dauerhaft kein tragfähiges Geschäftsmodell sein, dass seine Säule praktisch nur von mir genutzt wird.

Der nächste Punkt wird alle schmerzen, die zur Fraktion "ich muss aber dringend mehrmals die Woche 1000 km ohne Tankstopp in fünf Stunden zurücklegen" gehören. Es mag solche Anforderungsprofile tatsächlich geben, sie sind aber selbst in Deutschland die Ausnahme, und global spielt ein solches Szenario schlicht keine Rolle. Wer das also als unverhandelbar formuliert, muss sich darauf einstellen, dass seine Anforderung auf nur wenige Köpfe umgelegt wird. Und wo Skaleneffekte fehlen, wird es für den Einzelnen teuer. Meine Vermutung: richtig teuer.