Urheberrecht: Zweiklassengesellschaft in der akademischen Ausbildung?

Das "Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft" kritisiert den Entwurf der Urheberrechtsnovelle.

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Von
  • Richard Sietmann

"Ein Klima des Misstrauens und der Verknappung" im Umgang mit Wissen und Information befürchtet das Aktionsbündnis Urheberrecht für Bildung und Wissenschaft in einer Kritik des Referentenentwurfs zum "2. Korb" der Novellierung des Urheberrechts. Der Entwurf befindet sich momentan in der interministeriellen Ressortabstimmung.

Der geplanten Neuregelung zufolge dürften Bibliotheken nun zwar auch elektronische Materialien "an eigens dafür eingerichteten elektronischen Leseplätzen zur Forschung und für private Studien zugänglich" machen, den Zugriff allerdings nicht auf mehr Exemplare eines Werkes ermöglichen, als im Bestand der Bibliothek vorhanden sind. Der Vorteil der elektronischen Erschließung werde ad absurdum geführt. Auch seien in der Praxis mit erheblichen Restriktionen zu erwarten, wenn eine Bibliothek trotz zehn vorhandener Terminals den wartenden Nutzern erklären müsse, daß sie einen Artikel oder ein Buch nur an zwei Lesestationen gleichzeitig zugänglich machen dürfe.

Als "besonders realitätsfern" kritisiert das Bündnis den neuen Paragrafen 53a, der die Bibliotheken von der elektronischen Dokumentenlieferung ausschließt, wenn die Verlage selbst ein solches Angebot bereitstellen. "Das klingt marktkonform und harmlos", sei aber "schlicht eine Katastrophe". Leistungen wie der erfolgreiche "subito-Dienst" -- der auf Einzelbestellung Kopien als Faksimile herstellt, per E-Mail versendet, und bei dem die Nutzung der Kopien ausschließlich analog erfolgt -- würden aus den Bibliotheken verschwinden. Wo Studierende und Wissenschaftler heute rund fünf Euro pro Artikel bezahlen, müssten sie für die Artikelkopien der großen kommerziellen Wissenschaftsverlage wie Elsevier und Springer dann 20 Euro und mehr aufbringen. In der Wissenschaft drohe "eine Zweiklassengesellschaft" zu entstehen, "zwischen denen, die dank ihrer direkten Wirtschaftsrelevanz bezahlen können, und denen, die das nicht können".

An die Wirtschaft appelliert das Aktionsbündnis, dem unter anderem die Deutsche Initiative für NetzwerkInformation (DINI), der Verein zur Förerung eines Deutschen Forschungsnetzes (DFN), Schulen ans Netz e.V. und das Institut für Rechtsfragen der Freien und Open Source Software (ifrOSS) angehören, "den Bogen nicht zugunsten kurzfristiger kommerzieller Erfolge zu überspannen". Wissenschaft und Ausbildung wollten keinen "Informationskrieg" mit den Verlagen, doch "so wie jetzt vorgesehen, darf der Gesetzesentwurf nicht Realität werden".

Zu dem Entwurf des Bundesjustizministeriums für die weitere Novellierung des Urheberrechts siehe auch:

Zur Auseinandersetzung um das Urheberrecht siehe auch:

(Richard Sietmann) / (jk)