IGF: Die Internet-Verwaltung und der freie, allgemeine Netzzugang

Debatten über Cybercrime, Spam oder die Kompetenzverteilung im Geflecht der Internet-Verwaltung nutzen denen, die noch keinen Zugang haben, herzlich wenig, kritisierten Redner auf dem UN-Forum zu Fragen der Internet-Aufsicht und der DNS-Kontrolle.

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Von
  • Monika Ermert

Debatten über Cybercrime, Spam oder die Kompetenzverteilung im Geflecht von Internetorganisationen und Internetwächtern nutzen denen, die noch keinen Zugang haben, herzlich wenig: Bei der ersten so genannten "Multistakeholder"-Diskussion beim Internet Governance Forum (IGF) in Athen kommentierte die Präsidentin der Internet Society, Lynn St. Amour, trocken: "Ich würde sagen, die fünf Milliarden Menschen, die keinen Zugang haben, kümmert Spam oder Sicherheit verdammt wenig." Das IGF war nach heftigen Streitereien um die Oberaufsicht über die Internet-Verwaltung und das Domain Name System, die den Weltgipfel der Informationsgesellschaft begleitet hatten, von den beteiligten Regierungen und der UN ins Leben gerufen worden.

Die Frage nach der Botschaft des Forums für die Nicht-Internetnutzer war eine der vielen Publikumsfragen bei der ersten, von den Organisatoren als interaktive Sitzung geplanten IGF-Diskussionsrunde mit vierzehn Panellisten, 800 gleichberechtigten Zuhörern und einem direkten Draht zu der am Webcast hängenden Netzgemeinde. Für die Themen Spam oder Cybersecurity gebe es bereits Foren, sagte St. Amour. "Was aber auf internationaler Ebene nicht behandelt wird, ist die Frage nach dem Zugang." Man könne also weiterhin die Frage der Aufsicht über das DNS-Rootsystem debattieren oder über "Multistakeholderism" als Modell. "Das bringt den Leuten aber keinen Internetzugang", hielt Lynn fest. Sie forderte, dass sich Regierungen und Wirtschaft fest verpflichteten, die Verbreitung des Internet voranzutreiben. In seiner Eröffnungsrede hatte der griechische Premierminister Konstantinos Karamanlis seine Regierungskollegen bereits aufgefordert, als eine Maßnahme für eine deutlich weitere Verbreitung von 100-Dollar Laptops zu sorgen. Diese sollten viel mehr auch aus Afrika selbst kommen, sagte Pierre Dandjinou, der Vorsitzende der afrikanischen IP-Adressvergabestelle AfriNIC.

David Gross, US-Botschafter und im State Department für Telekommunikationspolitik zuständig, gab die klassische Empfehlung, auf den Markt zu vertrauen. Natürlich sei es wichtig, über die Menschen ohne Internet zu reden, doch dazu hätte vor wenigen Jahren jeder der Anwesenden gehört, "ganz einfach weil es kein Internet gab". Das sage viel über die Ausbreitungsgeschwindigkeit. Im Übrigen sei er optimistisch, was die Entwicklung der Preise anbelange und setze darauf, dass die potenziellen Nutzer für lokalsprachliche Inhalte auch bereit sind, einiges auszugeben. Natürlich, betonte Gross, gelte es gleichzeitig auch, die Urheberrechte durchzusetzen, das sei auch für die Inhalteproduzenten aus den Entwicklungsländern sehr wichtig.

Der Idee vom Allheilmittel Markt widersprach dagegen Karen Banks von der Organisation Association for Progressive Communication (APC). Banks sagte, der Markt versage in vielen Fällen in den ärmsten Ländern, aber auch in den armen Regionen von Ländern, die nicht zu den Entwicklungsländern gehörten. Beim Weltgipfel der Informationsgesellschaft habe ihre Organisation erste Partnerschaften mit der Wirtschaft geknüpft und begonnen, an offenen Zugängen und Alternativen bei der Bereitstellung von Netzinfrastrukturen zu arbeiten. Das IGF, hofft Banks, sei ein "wunderbarer Ort", beim Thema alternative Geschäftsmodelle in diesem Bereich weiterzukommmen. Bei all den Überlegungen dürfe man eine Frage nicht vergessen: "Wie will man Internet dahin bringen, wo es keine Elektrizität gibt?", kommentierte Jean-Jacques Massima Landji, Delegationsleiter aus Gabon.

Banks gehörte übrigens zu denen, die nach der mit viel Aufwand realisierten Sitzung nicht ganz zufrieden waren. Nach dem Modell dieser ersten Veranstaltung sollen in den kommenden Tagen auch die Hauptpanels zu Offenheit im Netz, Sicherheit, Diversität und Zugang gestaltet werden. Die Frage nach dem Format und den konkreten Zielen des IGF sei zu kurz gekommen, sagte Banks nach der Sitzung. Sie hatte sich in der Diskussion dafür ausgesprochen, dass die erste IGF-Sitzung nicht völlig ohne formales Ergebnis bleiben solle. Empfehlungen oder Erklärungen lehnten vor allem die USA, aber auch Teilnehmer wie St. Amour oder Wirtschaftsvertreter ab.

Einmal mehr blieben die Fragen nach Lösungen für die Zukunft der DNS-Verwaltung nicht aus. Zwei Ministeriumsvertreter aus Saudi-Arabien mahnten, das Thema nicht gänzlich unter den Tisch zu kehren, beziehungsweise den Prozess der verbesserten Zusammenarbeit zwischen den Regierungen endlich zu starten. "Wir warten noch auf die Einladung des UN-Generalsekretärs zu diesem zweiten Prozess", sagte Abdullah Al-Darrab von der Informations- und Telekommunikationskommission Saudi-Arabiens. Vertreter der EU-Kommission hatten demgegenüber betont, dieser Prozess sei durch bilaterale Gespräche – zwischen den USA und der EU – bereits gestartet.

Alle großen Panelsitzungen können live im Internet verfolgt werden; Fragen lassen sich über das IGF2006-Portal direkt in die Sitzungen geben.

Siehe zum Internet Governance Forum, dem Weltgipfel der Informationsgesellschaft und zu den nach seinem Abschluss entfalteten Aktivitäten:

Zu den Ergebnissen des 1. WSIS siehe auch:

(Monika Ermert) / (jk)