Die Ladesäule fährt mit

Ladestationen für Elektroautos benötigen aufwendige Elektronik und sind entsprechend teuer. Ein kleines Berliner Unternehmen verfolgt eine gänzlich andere Lösung, damit sich Stromtankstellen schneller verbreiten.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 9 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

Ladestationen für Elektroautos benötigen aufwendige Elektronik und sind entsprechend teuer. Ein kleines Berliner Unternehmen verfolgt eine gänzlich andere Lösung, damit sich Stromtankstellen schneller verbreiten.

Wenn Stromversorger zeigen wollen, wie sie sich die künftige Betankung von Elektroautos vorstellen, greifen sie gern in die Vollen. Die Ladestationen, die sie auf Messen und Kongressen präsentieren, sind meist mannshohe Säulen, die aussehen wie eine Mischung aus Telefonzelle und Geldautomat. Die beiden Juristen Knut Hechtfischer und Frank Pawlitschek, Geschäftsführer der kleinen Berliner Firma Ubitricity, arbeiten an der gegenteiligen Vision – an Stromtankstellen, die aus wenig mehr als aus einer Steckdose bestehen.

Ein ehrgeiziges Ziel, denn die Ladesäulen brauchen Stromzähler, Kartenleser, Tastatur und Bildschirm, um Kunden zu identifizieren und den verbrauchten Strom abrechnen zu können. Über den Stromverkauf, rechnen Experten vor, lassen sich solche Säulen allerdings kaum refinanzieren. Der Bundesverband Solare Mobilität verzichtet bei seinen über hundert Stromtankstellen in Deutschland deshalb gleich auf das aufwendige Abrechnen einzelner Kilowattstunden. Stattdessen zahlen Kunden eine nach Leistung ihres Fahrzeugs gestaffelte Jahresgebühr und dürfen dafür so viel Strom ziehen, wie sie benötigen.

Hechtfischer und Pawlitschek halten eine solche Flatrate fürs Fahren für kein brauchbares Modell, eine große Zahl von E-Autos zu laden. Der Grund: Wenn alle Fahrer nach Feierabend gleichzeitig ihre Akkus füllen, erzeugen sie eine Lastspitze im Netz, für die zusätzliche Kraftwerke hochgefahren werden müssen. Wenn sich aber Elektroautos umgekehrt genau dann laden, wenn ohnehin ein Überangebot an Strom herrscht, können sie das Netz nicht nur nicht belasten, sondern stabilisieren es sogar. Das setzt aber, so die Ubitricity-Gründer, dreierlei voraus: Erstens die genaue Abrechnung des Stromverbrauchs, zweitens Tarife, die sich am Stromangebot orientieren, und drittens eine intelligente Laderegelung.

Die Stromtarife liegen nicht im Einflussbereich von Ubitricity. Für die Frage aber, wie sich die nötige Lade-Elektronik verbreiten kann, ohne die Stromzapfsäulen prohibitiv teuer zu machen, haben die Berliner eine Antwort: "Alles, was teuer ist, gehört ins Auto und nicht in die Ladestation", sagt Hechtfischer. Gemeinsam mit ITF-EDV Fröschl, der Voltaris GmbH sowie der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Braunschweig arbeitet Ubitricity an einem solchen Ladesystem. Derzeit befindet sich das Projekt noch im Laborstadium, im zweiten Quartal 2011 soll ein Prototyp fertig sein.

Und so funktioniert das Konzept: Ein Autofahrer stöpselt sein E-Auto an einer speziellen Ladesteckdose an. Über das Stromkabel teilt die Ladestation dem Wagen ihre Identität mit. Das Fahrzeug setzt sich dann per Mobilfunk mit dem Server des Stromversorgers in Verbindung. Dort wird überprüft, ob es sich um einen registrierten Kunden handelt. Wenn ja, wird ein Code zurück ans Auto geschickt, mit dem die Steckdose freigeschaltet wird. Die bezogene Strommenge wird vom Auto per Mobilfunk an den Versorger gemeldet.

Völlig ohne Elektronik kommt die Steckdose auch bei diesem Konzept nicht aus – doch die Kosten beziffert Ubitricity auf weniger als hundert Euro, im Gegensatz zu den fünfstelligen Beträgen, die sonst für ausgewachsene Ladestationen angesetzt werden. Der Umrichter, der den Wechselstrom aus dem Netz in Gleichstrom für die Batterien verwandelt, gehört nach Ansicht von Ubitricity ebenfalls ins Auto – zumindest für kleinere Leistungen bis zehn Kilowatt. Für Schnellladungen, bei denen der Akku innerhalb weniger Minuten vollgepumpt wird, ist das System nicht ausgelegt. "Unser Ziel ist es, Orte zu bedienen, wo die Elektroautos ohnehin länger stehen, etwa auf Firmenparkplätzen", sagt Hechtfischer. Ergänzend dazu machen einige aufwendige, leistungsstarke Schnellladestationen weiterhin Sinn. "Schon ihre bloße Existenz hat bei Versuchsprojekten dazu geführt, dass die Leute mit ihren Elektrofahrzeugen größere Strecken zurücklegen", sagt Hechtfischer. "Selbst wenn sie die Stationen gar nicht nutzen – es reicht zu wissen, dass man zur Not einen Rettungsanker hat."

Ob sich auch die Autobauer für das Konzept erwärmen können, steht auf einem anderen Blatt. Schließlich müssen sie für rund 250 Euro zusätzliche Elektronik einbauen. "Früher hieß es bei dem Thema immer: zu schwer, zu kompliziert, zu teuer", gibt Hechtfischer zu. "Aber diese Auffassung hat sich in den letzten Monaten deutlich verändert." Schließlich hätten auch Autohersteller ein Interesse daran, schnell und preiswert eine dichte Lade-Infrastruktur zu schaffen. Es gebe bereits Gespräche mit der Autoindustrie, sagt Hechtfischer, Details könne er aber noch nicht nennen. (grh)