Bundesrat gibt grünes Licht fürs Informationsfreiheitsgesetz

Aufgrund der Enthaltungen der FDP-mitregierten Regierungen ruft die Länderkammer nicht den Vermittlungsausschuss an -- das Akteneinsichtsrecht kann damit Anfang 2006 in Kraft treten.

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Deutschland erhält ein Informationsfreiheitsgesetz: Der Bundesrat hat in seiner Sitzung am heutigen Freitag beschlossen, dem nur mit Müh und Not vom Bundestag kurz vor der Vertrauensfrage noch verabschiedeten Prestigeprojekt von Rot-Grün keine Steine mehr in den Weg zu legen. Die Länderkammer stimmte damit gegen eine Empfehlung des Innenausschusses, den Vermittlungsausschuss anzurufen. Dies hätte angesichts der im Raum stehenden Neuwahlen zu gravierenden Verzögerungen geführt, welche vermutlich das Aus für das Gesetz bedeutet hätten. Entscheidend war das Abstimmverhalten der FDP in den von ihr mitregierten Ländern: Nachdem die Liberalen sich als Bürgerrechtspartei neu entdeckt haben, gab es auch aus dem Bundestag großen Druck auf die entsprechenden Koalitionsländer, das Recht auf Akteneinsicht nicht zu verhindern. Das Gesetzeswerk kann damit Anfang 2006 in Kraft treten.

Mit dem Informationsfreiheitsgesetz soll ein allgemeiner Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen des Bundes geschaffen werden. Einschränkungen erfährt dieses prinzipielle Recht aber durch eine Reihe weit gefasster Ausnahmetatbestände. Dazu gehören etwa nachteilige Auswirkungen auf internationale Beziehungen, sicherheitsempfindliche Belange der Bundeswehr, Aufgaben der Finanz-, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden und bei Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Anfragen können sogar mit der schwammigen Begründung abgewiesen werden, dass "fiskalische Interessen des Bundes" tangiert würden. Industrieverbände pochten zudem auf einen breiten Schutz von Geschäftsgeheimnissen und ihres geistigen Eigentums: Sind Daten von Unternehmen mit betroffen, dürfen die Akten daher nur geöffnet werden, wenn die Betroffenen einwilligen. Sind personenbezogene Informationen im Spiel, kann eine Behörde dagegen selbst abwägen, wessen Interesse am Aktenzugang mehr wiegt.

Gegen die Versagung eines Auskunftsbegehrens besteht die Möglichkeit, den Rechtsweg (Widerspruch, Verpflichtungsklage) zu beschreiten. Zudem kann jedermann den Bundesbeauftragten für Informationsfreiheit anrufen, dessen Aufgabe der Bundesdatenschutzbeauftragte wahrnehmen wird. Abgesehen von besonderen Bereichen, wie dem Stasi-Unterlagengesetz, dem Umweltinformationsgesetz und bei öffentlichen Registern (Handels-, Vereins-, Güterregister) bestand ein Anspruch auf Akteneinsicht bisher nur im laufenden Verwaltungsverfahren, wenn der Antragsteller ein berechtigtes Interesse darlegen konnte.

Der federführende Ausschuss für Innere Angelegenheiten des Bundesrats hatte den Ministerpräsidenten zunächst empfohlen, auf eine grundlegende Überarbeitung des Gesetzes zu pochen. Grund: Mit dem Informationsfreiheitsgesetz treffe der Bundesgesetzgeber eine wichtige Entscheidung über den Umgang mit den bei Behörden vorliegenden Informationen. Es sei davon auszugehen, dass dem Gesetz über den unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus eine beispielgebende Funktion zukomme, die geeignet sei, generell auf das Verständnis vom Umgang mit den bei einer Behörde vorliegenden Informationen Einfluss zu nehmen. Die parlamentarischen Beratungen und eine Anhörung hätten zudem eine Vielzahl grundlegender Fragen aufgeworfen, die in dem Gesetz nicht hinreichend beantwortet würden.

Das Informationsfreiheitsgesetz hatten insbesondere die Grünen vorangetrieben, in der Hoffnung, damit die Demokratie zu stärken und den Bürgern eine Möglichkeit zu geben, die Aktivitäten des "gläsernen" Staates besser zu kontrollieren. Auch die Korruption soll mit dem Gesetz bekämpft werden. Die SPD sah ebenfalls die Chance zur Förderung der "Bürgergesellschaft". Ein erster Anlauf in der vorangegangenen Legislaturperiode war trotzdem an den Widerständen der Ministerialbürokratie gescheitert. Insgesamt bleibt das neue Gesetz hinter einem im April 2004 präsentierten Vorschlag zivilgesellschaftlicher Gruppen zurück. Das Gesetz ist zudem zunächst auf fünf Jahre befristet. Seine Handhabung soll bis dahin genau überprüft werden. Gute Erfahrungen haben allerdings bereits die Länder Brandenburg, Berlin, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen mit eigenen, weiter gehenden Informationsfreiheitsgesetzen gemacht. (Stefan Krempl) / (pmz)