Große Koalition nähert sich Product Placement im TV an

In einem Antrag sieht Schwarz-Rot noch Diskussionsbedarf bei geplanten EU-Vorgaben zu neuen Werberegeln für audiovisuelle Medien, lehnt Product Placement aber nicht ganz ab. Der Jugendschutz soll nicht "verkürzt" werden.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 115 Kommentare lesen
Lesezeit: 4 Min.

In einem gemeinsamen Antrag (PDF-Datei) sehen die Fraktionen von CDU/CSU sowie SPD im Bundestag noch "erheblichen Diskussionsbedarf" bei den geplanten EU-Vorgaben zu neuen Werberegeln für audiovisuelle Medien im Rahmen der Novelle der Fernsehrichtlinie. Ganz lehnt die große Koalition die von der EU-Kommission vorgeschlagene und heftig umstrittene Freigabe von Product Placement in TV-Sendungen aber nicht ab und fordert kein generelles Verbot. Allein die im Entwurf der Brüsseler Behörde vorgesehenen Regelungen zur Kennzeichnung reichen den Abgeordneten "bei weitem nicht aus", um die Zuschauer vor Irreführungen zu schützen.

Die Bundesregierung soll ferner aufgefordert werden, sich bei den weiteren Beratungen dafür einzusetzen, dass die Orientierung der Programmmacher "allein an publizistischen Kriterien" sichergestellt sei. Diese dürften nicht davon beeinflusst werden, "dass Unternehmen ihre Produkte in einem positiven Umfeld dargestellt sehen wollen."

Die von der Kommission vorgeschlagenen Flexibilisierungsmöglichkeiten für normale Werbung jenseits von Produktplatzierungen gehen Schwarz-Rot dagegen noch nicht weit genug. Die Kritik bezieht sich insbesondere für die bislang vorgeschriebenen Abstände zwischen den Werbeblöcken, die laut Kommission 35 Minuten betragen sollen. Darüber hinaus will die große Koalition prüfen lassen, ob das Blockwerbegebot zugunsten der Möglichkeit, Einzelspots senden zu dürfen, gelockert werden könnte. Denkbar wäre, einzelne Unterbrecher-Spots zumindest bei Sportprogrammen zuzulassen. Über darüber hinausgehende Vorschriften sollten die Mitgliedstaaten entscheiden können. Die Bundesregierung möge den Richtlinienentwurf ansonsten in seiner Absicht unterstützt, an den qualitativen Werbebeschränkungen und insbesondere am Gebot der Trennung von Werbung und Programm festzuhalten.

Mit dem noch nicht vom Bundesratsplenum verabschiedeten Antrag soll die Bundesregierung ferner aufgefordert werden, sich gegen eine "Verkürzung" des Jugendmedienschutzes auszusprechen. Den Mitgliedstaaten solle die Möglichkeit erhalten bleibt, den Zugang zu audiovisuellen Mediendiensten "bei gravierenden Verstößen gegen den Jugendschutz sowie gegen Vorschriften zum Schutz der Menschenwürde und gegen Rassenhass effektiv einzuschränken." Inwieweit damit auch die seit langem sehr kontrovers diskutierten Sperrungsverfügungen gegen Internetprovider gemeint sein könnten, lässt der Antrag offen.

Insbesondere bei so genannten nicht-linearen, also interaktiven und zeitlich nicht fest programmgebundenen Diensten sehen die Abgeordneten "Harmonisierungsbedarf". In diesem Bereich seien laut einer Kommissionsstudie in 23 von 25 Mitgliedstaaten Aspekte wie Jugendschutz, Menschenwürde und Werbung noch unterschiedlich geregelt. Mit der vorgeschlagenen abgestuften Regulierungsdichte würden für die nichtlinearen Dienste "Mindestvorgaben" aufgestellt, "ohne neue Hemmnisse für die Entwicklung wettbewerbsfähiger Online-Medien und -Dienste zu schaffen".

Prinzipiell unterstützt der vor dem Amoklauf eines 18-Jährigen in Emsdetten entstandene Antrag auch noch, dass der Revisionsvorschlag das vielfach hoch gehaltene, etwa den Briten im Streben nach mehr Selbstkontrolle der Wirtschaft aber bereits zu weit gehende System der "Ko-Regulierung" als ein "alternatives Instrument zur Implementierung der Richtlinie anerkennt". Die vom Staat kontrollierte "Selbstregulierung" habe sich "im Rahmen des deutschen Aufsichtssystems über den öffentlichen und privaten Rundfunk grundsätzlich bewährt." In der aufgeregten neuen Debatte um ein Verbot von "Killerspielen" haben insbesondere Politiker von CDU und CSU dagegen in dieser Woche den 2003 mit der Reform der Jugendschutzgesetzgebung eingeführten Ko-Regulierungsansatz als nicht ausreichend für die Aufrechterhaltung eines hohen Jugendschutzes bezeichnet.

Zu den Diskussionen um die neue Fernsehrichtlinie der EU siehe auch:

(Stefan Krempl) / (jk)