Lotus-Werksbesichtigung: mit deutschen Chefs zu neuer Blüte?
200 Arbeitsstunden für einen Sportwagen, eine störanfällige Lackiererei und eine gewisse Schrulligkeit – so ist es eben bei der Kultmarke Lotus. Zwei deutsche Manager kündigten ihre Jobs bei Porsche beziehungsweise AMG, um in Hethel aufzuräumen
- Gregor Hebermehl
Hethel (England), 7. Juli 2011 – Aus dem Ländle in die Grafschaft Norfolk im Osten Englands: Wolf Zimmermann gab seinen Job bei der Mercedes-Performance-Tochter AMG auf, um nach Hethel zu ziehen. Dort ist er als CTO (Chief Technical Officer) unter anderem in der Rolle des Entwicklungschefs dafür verantwortlich, die britische Kultmarke fit für die Zukunft zu machen. Der große, schlanke Fünfzigjährige könnte mit seinen schulterlangen Haaren und diversen Kreuzen und Totenköpfen an Kette und Armband locker als zehn Jahre jünger durchgehen. Doch bei Lotus muss einem früheren Daimler-Mann vieles antiquiert vorkommen.
Deutsche am Ruder
Die Globalisierung macht auch vor dem kleinen Hethel, 175 Kilometer nordöstlich von London, nicht halt. Und so sitzt noch ein zweiter Deutscher am Ruder: Obwohl es bei unserem Besuch ungewöhnlich heiß ist, trägt Michael Och einen perfekt sitzenden Anzug. Der Manager kam von Porsche und soll die Produktion von Lotus auf Vordermann bringen. In seiner Funktion als Werksleiter (Director of Operations) merkte er schnell, dass es bei Lotus reichlich zu tun gibt. "Die Leute hier sind nicht schlecht, sie haben nur zu lange im eigenen Saft geschmort." Das ist jetzt vorbei. So soll die 1952 von Colin Chapman gegründete Sportwagenschmiede wieder in die Spur kommen.
Lotus-Werksbesichtigung: mit deutschen Chefs zu neuer Blüte? (20 Bilder)

Grüner Lotus-Liefertruck und grüne Elise: zu Besuch am Lotus-Stammsitz im englischen Hethel
Weiße Böden
Och fand in Hethel eine Old-School-Produktion vor. Viele Teile wurden außerhalb der Produktionslinien montiert, die Arbeiter trugen keine Handschuhe, was die Oberflächen der montierten Teile verschmutzte, und die Sauberkeit ließ generell sehr zu wünschen übrig. So ließ Och den Produktionsprozess optimieren, verpasste seinen Mitarbeitern Handschuhe – und ließ sämtliche Fußböden weiß lackieren. Das machte nicht nur die Werkshallen insgesamt heller, auch ist jetzt jedes zu Boden gefallene Teil sofort zu sehen. Für die Sauberkeit sind nun die Teams selbst verantwortlich. Früher gab es drei Teamleiter, heute sind es zehn, die mit entsprechend kleineren Gruppen die Verantwortung für ihren Bereich übernehmen. Och setzt dabei stark auf das Prinzip Eigenverantwortung: Die Trupps kümmern sich selbst um die Logistik. Auch in vielen anderen Dingen gibt der Werksleiter nur die Richtung vor, für die Umsetzung im Detail sind wiederum die Arbeitsgruppen verantwortlich. Was in einer modernen Produktion vielleicht als selbstverständlich erscheint, gab es bis vor kurzem bei Lotus einfach nicht.
Flexible und längere Arbeitszeiten
Außerdem musste Och das starre Arbeitszeitengeflecht der Lotus-Mitarbeiter aufbrechen. Einer der Gründe: Die Lackieranlage ist beispielsweise 22 Jahre alt und fällt öfter mal aus. In der Folge kamen die Lackierer nur noch, wenn die Maschine läuft, anstatt tatenlos herumzusitzen. Doch Och hat eine neue Lackieranlage geordert, die noch in diesem Jahr den Betrieb aufnehmen soll. Eine der wichtigsten und noch lange nicht abgeschlossenen Aufgaben des Werksleiters war die Steigerung der Effizienz. So hat er die Arbeiter besser nach ihren Fähigkeiten eingeteilt, ihnen aber zugleich längere Arbeitszeiten ohne Lohnausgleich verordnet. Och selbst nimmt sich da nicht aus: "Die Leute sind nur richtig motiviert, wenn du als Chef morgens als Erster kommst und abends als Letzter gehst. Ich bin also für meine Leute immer da."