Heftig umkämpftes Telekommunikationsgesetz tritt in Kraft

Vom morgigen Samstag an sind "neue Märkte" im Breitbandbereich für unbestimmte Zeit von der Regulierung freigestellt. Die neue Rechtslage bringt auch umstrittene Regeln zum Verbraucherschutz mit sich.

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Mit der Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt tritt am morgigen Samstag die lang umkämpfte Novelle des Telekommunikationsgesetzes (TKG) in Kraft. Gemäß dem hinzugekommenen Paragraphen 9a des " Gesetzes zur Änderung telekommunikationsrechtlicher Vorschriften" (PDF-Datei) werden "neue Märkte" für unbestimmte Zeit von der Vorabregulierung freigestellt. Die damit einhergehenden "Regulierungsferien" für das VDSL-Netz der Deutschen Telekom werden von Wettbewerbern und Oppositionspolitikern als Signal zur erneuten Monopolisierung des Telekommunikationssektors scharf kritisiert. Der Bundesrat hatte Mitte Dezember trotzdem – auch entgegen Bedenken im eigenen Wirtschaftsausschuss wegen mangelnder EU-Rechtskonformität – den Weg für die Reform freigemacht.

Die EU-Kommission hat im Vorfeld ein Vertragsverletzungsverfahren bereits vorbereitet und das entsprechende Schreiben mit der jetzt erfolgten offiziellen Publikation des Gesetzes vermutlich bereits an die Bundesregierung abgeschickt. Nach Einschätzung der Brüsseler Behörde wird die Telekom durch die Regulierungsferien für ihr Hochgeschwindigkeitsnetz gegenüber den Konkurrenten bevorzugt. Auf der Sitzung der Kommission am 20. Dezember hat die federführende Medienkommissarin Viviane Reding Rückendeckung durch das Kollegium bekommen und wurde zu einer Verfahrenseröffnung ausdrücklich ermächtigt. Es droht damit eine Klage vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg.

Die Herausforderer der Telekom setzen ihre Hoffnung nun in die Regulierungsbehörde. Die Bundesnetzagentur soll auch im Breitbandsektor noch einschreiten dürfen, wenn "Tatsachen die Annahme rechtfertigen", dass bei fehlender staatlicher Kontrolle "die Entwicklung eines nachhaltig wettbwerbsorientierten Marktes im Bereich der Telekommunikationsdienste oder -netze langfristig behindert wird". Auch wenn die Entscheidungsspielräume der Bundesnetzagentur nicht nur nach Ansicht der EU-Kommission durch das neue Telekommunikationsgesetz unzulässig eingeengt worden seien, "vertrauen wir darauf, dass der Regulierer auch weiterhin mit aller Kraft für faire Wettbewerbsbedingungen sorgen wird", erklärte Jürgen Grützner, Geschäftsführer des Branchenverbands VATM. Angesichts sich widersprechender Formulierungen im eigentlichen Text und in der Begründung des TKG sei dies jedoch eine "schwierige Aufgabe". Die Reform böte daher "nicht gerade gute Voraussetzungen für Rechtssicherheit im Markt und damit für den Investitionsstandort Deutschland".

Für besonders wichtig erachtet es Grützner, dass der Regulierer weiterhin für einen fairen Netzzugang für die Wettbewerber zum neuen Glasfasernetzabschnitt der Telekom sorge. Die Teilnehmeranschlussleitung bleibe auch in Zeiten der viel beschworenen Next Generation Networks und der Umstellung kompletter Netze auf das Internetprotokoll "die Mutter aller Vorleistungen – egal ob sie aus Kupfer oder aus Glasfaser besteht". Grützner erinnerte zugleich daran, dass bereits Ende März die Entscheidung des Regulierers über den umstrittenen Preis der Teilnehmeranschlussleitung anstehe, "der für den Infrastrukturwettbewerb auf der so genannten letzten Meile unabdingbar ist". Hier müsse die Bundesnetzagentur die Weichen richtig stellen.

Die TKG-Änderung bringt auch neue Regeln zum Verbraucherschutz mit sich. Nach dem Gesetz müssen Preisinformationen für Auskunfts- oder Massenverkehrsdienste wie beim Televoting und Kurzwahl-Dienste wie Klingeltöne oder Logos ab einem Preis von zwei Euro deutlich sichtbar und gut lesbar präsentiert werden. Der Bundesverband der Verbraucherzentralen (vzbv) hat sich hier für eine Grenzziehung schon bei einem Euro ausgesprochen. Auch die einheitlich festgelegte Preisobergrenze für Mehrwertdienste von drei Euro pro Minute im Festnetz und Mobilfunk scheint den Verbraucherschützern zu hoch. Hilfreich gewesen wäre laut vzbv ferner eine Verpflichtung von "Call by Call"-Anbietern zur vorherigen Preisansage. Andererseits dürfen Abo-Verträge für Kurzwahl-Dienste künftig nur noch zustande kommen, wenn der Kunde diese bestätigt. Auch soll es jederzeit ein Kündigungsrecht geben. Abo-Kunden können ferner auf Verlangen eine kostenlose "Warn-SMS" erhalten, wenn sich die Rechnung auf 20 Euro im Monat beläuft.

Der Branchenverband Bitkom hält die Verbraucherschutzbestimmungen daher für mehr als ausreichend. Ihm liegt schwerer im Magen, dass sich die Bundesregierung nach wie vor nicht durchringen konnte, die mit der geplanten Verpflichtung zur Vorratsdatenspeicherung noch einmal steigenden Kosten für die Telekommunikationsüberwachung zu tragen. Die Heranziehung von Unternehmen als "Hilfssheriffs auf eigene Rechnung" binde bei diesen Geld, "das auch in innovativen Kundenschutz investiert werden könnte". (jk)