Menschenrechtler werfen westlichen Firmen Mitschuld an Zensur in China vor
Human Rights Watch hat das Internet in China untersucht und kommt in einem Bericht zu dem Ergebnis, dass Microsoft, Google, Skype und Yahoo die "Great Firewall" aktiv mit aufgebaut haben.
"Westliche Internet-Firmen sind mit schuld an der aktiven Zensur politischen Materials, ohne die Nutzer über die Vorgänge zu informieren", schließt Rebecca MacKinnon von Human Rights Watch (HRW) aus einem Bericht, den die Menschenrechtsorganisation nun vorgelegt hat. Auf 149 Seiten dokumentiert HRW nach eigenen Angaben in dem Bericht Race to the Bottom: Corporate Complicity in Chinese Internet Censorship die Zusammenarbeit privater Unternehmen einschließlich einiger der größten Internet-Unternehmen der Welt mit den chinesischen Behörden, namentlich Yahoo, Microsoft, Google und Skype. HRW sei überzeugt davon, dass die Unternehmen moralisch verantwortlicher handeln und gleichzeitig weiter in China tätig sein können, sagte MacKinnon. Es sei für die Unternehmen an der Zeit, zu entscheiden, ob sie Teil des Problems oder Teil der Lösung sein wollten.
Chinas Zensursystem, bekannt als die "Große Firewall", sei das fortgeschrittenste der Welt, schreibt HRW weiter. Nun seien Gesetze und eine Selbstverpflichtung der Branche nötig, um die Verwicklung westlicher Unternehmen in die politische Zensur zu beenden. Die Menschenrechtler weisen auf den Widerspruch hin, dass Unternehmen, deren Erfolg auf dem Recht auf Meinungsfreiheit beruht und von diesem abhängt, die Rolle des Zensors eingenommen haben – auch in Fällen, in denen die chinesische Regierung nicht konkret dazu aufgefordert habe. In den USA, wo die vier genannten Firmen ihren Sitz haben, wurde im Februar angesichts wachsender Kritik an der Kooperation mit chinesischen Behörden eine Task Force für Internet-Freiheit gegründet, die Gesetzesinitiativen vorwegnehmen sollte. Auch das EU-Parlament ist mittlerweile auf das Thema aufmerksam geworden.
Der HRW-Bericht wurde auf der Basis von Interviews und Versuchen mit Suchmaschinen in China erstellt. Er enthält 18 Screenshots mit Zensurbeispielen und eine Liste mit Wörter, die nie im chinesischen Cyberspace zu sehen sein werden. Im Fall Yahoo verurteilt HRW scharf die Mitwirkung an der Verhaftung der Regime-Kritiker Shi Tao, Li Zhi, Jiang Lijun und Wang Xiaoning. Microsoft filtere Suchanfragen und Blog-Titel mit "sensiblen politischen Inhalten" und habe bereits gesamte Blogs blockiert. Die von Skype in China vertriebene Chat-Software sei so konfiguriert, dass sie bestimmte Wörter ausfiltere, ohne den Nutzer darüber zu informieren. Und Google bekommt von HRW Schelte für die eingeschränkte Ausgabe von Ergebnissen seiner Suchmaschine auf www.google.cn.
Siehe zum Thema auch: (anw)
- Amnesty kritisiert Microsoft, Google und Yahoo
- Chinesischer Journalist zu zwei Jahren Haft verurteilt
- EU-Parlament kritisiert Microsoft, Yahoo und Google
- Mitarbeiter der "New York Times" in China angeklagt
- Google räumt Bruch von Firmenprinzipien in China ein
- Reporter ohne Grenzen: Yahoo beugt sich in China kompromisslos
- Menschenrechtler erheben neue Vorwürfe gegen Yahoo
- Reporter ohne Grenzen erhebt neue Vorwürfe gegen Yahoo
- Reporter ohne Grenzen lässt bei Yahoo China nicht locker
- Microsoft bestreitet Beteiligung an Identitätspreisgabe
- Reporter ohne Grenzen erhärten Vorwürfe gegen Yahoo
- Menschenrechtsorganisation wirft Yahoo rege Kooperation mit chinesischer Polizei vor
- Yahoo, Microsoft und Google verteidigen ihr Engagement in China
- Investmentfonds-Bündnis gegen Internet-Zensur
- Chinesischer Dissident wirft Yahoo Verrat vor
- Reporter ohne Grenzen: Yahoo hilft chinesischen Strafverfolgern
- Chinesischer Finanzbeamter wegen online geäußerter Kritik vor Gericht
- Erneut Internet-Benutzer in China vor Gericht gestellt