Telekom-Chef Ricke bläst der Wind ins Gesicht

Selbst wohlwollende Insider werfen Kai-Uwe Ricke Zögerlichkeit vor: "Er reagiert auf Entwicklungen, dabei muss die Telekom als Marktführer agieren."

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Von
  • Martin Murphy
  • dpa

"Schonungslos und konsequent" wolle er durchgreifen, sagte Telekom-Chef Kai-Uwe Ricke. Tabulos alte Zöpfe abschneiden und damit der schwächelnden T-Aktie zum Aufschwung verhelfen. Mit diesen Worten trat Ricke am 14. November 2002 seinen Posten als Nachfolger von Ron Sommer bei Europas größtem Telekommunikationskonzern an. Genauso ist jetzt wieder von einer härteren Gangart die Rede, nach schwachen Quartalszahlen und einer gekappten Prognose für 2006. Auch den rund drei Millionen Anteilseignern brachte die vierjährige Ricke-Ära wenig: Mit 10,84 Euro ist die Aktie sogar einen Euro billiger als zu seinem Amtsantritt. Der Druck auf den Manager und seine Führungsriege wächst.

In Medienberichten wird bereits über eine Abberufung von Ricke und einiger seiner Vorstandskollegen spekuliert. Der im Herbst 2007 auslaufende Vertrag könnte laut Süddeutscher Zeitung nicht verlängert werden. Unruhig dürfte vor allem Großaktionär Blackstone sein, der mit Lawrence Guffey einen Vertreter im Aufsichtsrat hat. Seit dem Einstieg im April verlor der Finanzinvestor rund 500 Millionen Euro und kann sich kaum Hoffnung auf eine Besserung machen. Nach der Vorlage der schwachen Halbjahresbilanz brach die Aktie am Donnerstag um bis zu zehn Prozent ein, und Analysten stuften die Telekom reihenweise zurück. Zu schaffen macht den Bonnern die schwache Nachfrage in Deutschland – quer durch alle Geschäftsbereiche sacken die Ergebnisse ein. Ricke musste daher die Prognose für 2006 und 2007 kräftig kürzen.

Ricke weist jeden Gedanken an einen frühzeitigen Rücktritt von sich. Er wolle die Chance des wandelnden Telekommarkts nutzen, beteuert er. Den Aufschwung sollen nun neue Produkte wie etwa ein Festnetz-Handy und Fernsehen über das neue Hochgeschwindigkeitsnetz (VDSL) bringen. Zudem soll stärker gespart werden. Neue Produkte kündigt Ricke allerdings schon seit Jahren gebetsmühlenartig an. Und gespart wird sowieso schon seit Langem aufs "Schärfste", wie er bei jeder Gelegenheit beteuert.

Selbst wohlwollende Insider werfen Ricke Zögerlichkeit vor. "Er reagiert auf Entwicklungen, dabei muss die Telekom als Marktführer agieren", sagt ein Kenner. Erst Jahre nach der Konkurrenz kündigte die Telekom im Sommer vergangenen Jahres die Einführung des integrierten Festnetz-Handys an und ließ sich dann mit der Vermarktung noch Monate Zeit. Die Verzögerungen kosten den Marktführer viel Geld. Während der Gewinn des Geschäftskundenbereichs T-Systems sinkt, weist Konkurrent BT (früher British Telecom) dort ordentliche Zuwachsraten aus. Mit neuen Produkten und Technologien geht der britische Ex-Monopolist erfolgreich auf die Kundenbedürfnisse ein. Erst kürzlich vergab die Deutschen Post – eigentlich ein Referenzkunde der Telekom – einen Großauftrag an BT.

Trotz der Kritik an seinem Kurs ist eine Demission von Ricke im Aufsichtsrat derzeit kein Thema. Sein Vertrag könnte im Herbst verlängert werden, heißt es. Allerdings wird das Gremium die Entwicklung des Aktienkurses im Auge behalten, denn die Bundesregierung als Hauptaktionär will ihre Aktien verkaufen, um mit dem Erlös den Haushalt zu sanieren.

Ricke zieht nun die Zügel fester an: Am vergangenen Donnerstag gab er bei einer Telekonferenz mit den wichtigsten Managern die gemeinsame Marschrichtung vor. Wer nun die vorgeschriebenen Planzahlen in seinem Bereich nicht liefere, der muss um seinen Job bangen. Die harten Worte erinnern an seinen Amtsantritt, als er den Posten von Vorgänger Ron Sommer übernahm. Sommer musste nach dem Einbruch der Telekom-Aktie gehen. (Martin Murphy, dpa-AFX) / (jk)