Kompaktes Gedränge: Neuzulassungen im April 2012
Anders als im Rest von Europa spiegeln die aktuellen Pkw-Zulassungen in Deutschland eine gesunde Wirtschaft wider. Nicht alle Hersteller können sich deswegen freuen, denn der Expot ist wichtiger als der Binnenmarkt
- Gernot Goppelt
Hannover, 16. Mai 2012 – Der Neuwagenmarkt in Deutschland ist weiterhin im Plus, meldet das Kraftfahrtbundesamt aus Flensburg. 244.066 Pkw wurden im April zugelassen, somit 2,9 Prozent mehr als im April des Vorjahres. Auch der VDA zeigt sich erfreut über die Entwicklung, weniger allerdings darüber, dass sich derzeit nur der deutsche Markt als "Stabilitätsanker in einem schwierigen europäischen Marktumfeld" erweise. Im April wurden demnach 323.000 Pkw exportiert, ein Rückgang von 14 Prozent im Vergleich zum April 2011.
Golf einsam an der Spitze
Während also aus Sicht eines produzierenden Unternehmens die Gesamtentwicklung rückläufig ist, können die meisten deutschen Autohersteller im Inland Erfolge vermelden. Mit über 33 Prozent Wachstum tut sich dabei Smart hervor, verloren haben nur Ford mit -6,3 % und Opel mit -9,1 %. Während bei Opel zu befürchten ist, dass Sorgen um die Marke Opel die Kunden misstrauisch gemacht haben, muss es bei Ford andere Gründe haben. Besonders auffällig ist hierbei das Ergebnis des Ford Focus, der im April 15,9 Prozent und in den ersten vier Monaten insgesamt 2,9 Prozent verloren hat.
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Das "Weltauto" Ford Focus wird weltweit produziert, auch in Michigan. In Deutschland muss Ford bei der Produktion derzeit ein wenig auf die Bremse treten.
Das Gefälle zwischen dem VW Golf/Jetta und dem Focus ist mittlerweile eklatant: Während das VW-Modell allein im April 22.457-mal zugelassen wurde, waren es beim Focus gerade einmal 4224 Exemplare. Damit liegt der Kölner auch hinter Opel Astra, BMW 1er und Audi A3. Selbst der Golf-Ableger Škoda Octavia konnte fast genauso viele Zulassungen erzielen wie der Focus. Die Lage für Ford ist derzeit widersprüchlich: Während das Geschäft in Amerika brummt, ist in Köln Kurzarbeit angesagt, weil sich der Focus offenbar nicht wie erhofft verkauft.
Warum Weltauto?
Zeigt sich hier wieder einmal der Nachteil eines Weltauto-Konzepts? Ford verkauft den Focus bekanntlich weltweit in weitgehend einheitlichem Design und zum Teil mit identischen Motoren. An der Technik ist wenig auszusetzen, das Focus-Fahrwerk gehört nach wie vor zu den besten, die 1,6-Liter und 1,0-Liter-Turbobenziner gehören zu den modernsten Ottomotoren eines Großserienherstellers, beides wird aber offenbar nicht honoriert. Das Design andererseits – und hier besonders die Instrumententafel – wird gerade hierzulande viel als unübersichtlich und modernistisch kritisiert, könnte hier eine Ursache liegen?
Eines zumindest zeigt der Monat April deutlich: Die Kompaktklasse ist nicht mehr, was sie einmal war. Sie ist immer mehr auch ganz real zur "Golf-Klasse" geworden, der Wolfsburger dominiert das Segment mit riesigem Abstand. Die ehemaligen Konkurrenten Focus und Astra sind weit abgeschlagen, die "Premium"-Fahrzeuge von Audi, Mercedes und BMW haben auf- und zum Teil überholt. Ungemach droht zudem von den Koreanern, das ist nicht neu: Der Hyundai i30 robbt sich langsam an die Etablierten heran und wird es vermutlich weiter tun, weil mit steigender Stückzahl auch die Präsenz in den Straßen zunimmt. Ford und Opel wirken in diesem Konstellation ein wenig eingeklemmt: Ihnen fehlt einerseits der Ruf höchster Qualität, wobei man mit Recht fragen darf, ob es nicht eben nur der Ruf ist. Andererseits sind sie nicht einmal besonders preisgünstig. Wie soll man dieses scheinbare Dilemma auflösen? (ggo)