Bürgerrechtler machen gegen "Internetvertrag" der ITU mobil

Über 30 Organisationen fordern, die Dokumente für die Reform der International Telecommunication Regulations zu veröffentlichen und die Zivilgesellschaft stärker einzubinden.

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Über 30 Bürgerrechtsorganisationen haben den Generalsekretär der Internationalen Fernmeldeunion ITU, Hamadoun Touré, und die Mitgliedstaaten der UN-Einrichtung in einem offenen Brief aufgefordert, die vorbereitenden Dokumente für die laufende Überarbeitung der International Telecommunication Regulations (ITR) zu veröffentlichen. Alle Interessenvertreter und insbesondere die Zivilgesellschaft sollten stärker in den Prozess eingebunden werden. Angesichts der Äußerungen einiger ITU-Länder sei zu befürchten, dass die Novellierung auch Grundrechte in der digitalen Welt wie die Meinungs- und Informationsfreiheit oder den Schutz der Privatheit berühren könne. Damit würden die Zuständigkeiten der Institution unangebracht ausgeweitet.

Mit dem seit 1988 bestehenden ITR-Vertrag sollte der grenzüberschreitende Betrieb von Telekommunikation erleichtert, für Interoperabilität gesorgt und ein Abrechnungsrahmen entworfen werden. Die völkerrechtlich verbindliche Übereinkunft stammt noch aus der Zeit vor der Privatisierung der Telekommunikationsmärkte und vor dem Siegeszug des Internets. Daher soll auf der World Conference on International Telecommunication (WCIT) Anfang Dezember in Dubai ein Nachfolgevertrag verabschiedet werden. Arabische Staaten haben vorgeschlagen, zentrale Funktionsbestandteile des Internets stärker staatlich zu kontrollieren. Viele Änderungswünsche gibt es Berichten zufolge auch aus China und anderen autoritären Ländern. Touré selbst setzte sich gerade für eine stärkere Zusammenarbeit bei der Cybersicherheit ein.

Um ein Fiasko zivilgesellschaftlicher Sicht wie beim Zustandekommen des Anti-Piraterie-Abkommens ACTA oder der im Raum stehenden Vereinabrung "Trans-Pacific Partnership" (TPP) zu vermeiden, drängen die Aktivisten auf mehr Transparenz. Zumindest sollten die Beteiligungsstrukturen rund um den Weltgipfel der Informationsgesellschaft mehr beachtet werden, die eine gleichberechtigte Einbindung aller Interessengruppen vorsähen. Darauf habe sich eigentlich auch die ITU bereits eingelassen, ohne diesen Ankündigungen bislang Taten folgen zu lassen.

Zu den Erstunterzeichnern des Briefes gehören neben internationalen Verbänden wie Consumers International oder Reporter ohne Grenzen, US-Organisationen wie dem Center for Democracy & Technology (CDT) oder der Electronic Frontier Foundation (EFF) die Canadian Internet Policy & Public Interest Clinic (CIPPIC), die "European Digital Rights"-Initiative (EDRi) sowie die deutsche Digitale Gesellschaft an. Letztere befürchtet, dass sich die ITU zum "Aufsehergremium" für das Internet ernennen wolle. Dies würde nach Ansicht des Vereins "die offene und freie Struktur des Netzes in Gefahr bringen". Telekommunikationsunternehmen solle es beispielsweise erlaubt werden, Gebühren für den "internationalen" Internetverkehr etwa auf Basis von Klicks auf Webseiten zu verlangen. (anw)