e-miglia Tag 2: "Das schafft ihr nie!"
Wenn jeder denkt, du schaffst es nicht, hat das ja seine ganz eigene Motivation aus purem Trotz. Doch als oben auf der Edelweißspitze sogar die Copilotin jede Hoffnung fahren ließ, sah der Tag verloren aus
Stuttgart, 24. August 2012 – "Ihr fahrt den Leaf? Das schafft ihr nie." Mit solchen Sprüchen fing der zweite Tag an (hier zum ersten Tag). Wir kannten sie schon seit vor dem Prolog. Ein Werksstudent von irgendeiner Ehmobillitiehfirma sagte den diesmal, was ich recht straff fand, weil sein Team einen Peugeot Ion hatte, also einen Mief mit "Peugeot"-Aufklebern. Der Mief hat 16 kWh im Akku bei 1100 kg Gewicht. Dem zeigen wir doch mal, wer hier ankommt! Dann kam mehr als einer der "Twike"-Fahrradfahrer: "Mit dem Leaf?! Das schafft ihr heute nie." Ich habe mich später mal in so ein Fahrrad gesetzt. Es ist höchst rustikal: Ruderpinnensteuerung, drei Mofa-Räder, die zwar irgendwie aufgehängt sind, ja, aber es gibt kein "Fahrwerk" im KFZ-Sinn, mit den Pedalen kann man das Teil nicht allein fahren, weil die Übersetzung viel zu hoch ist, der Motor ruckelt beim Losfahren gelegentlich an wie eine alte Einzylinderharley und hat nur zwei Steuerstufen (Halbstrom/Vollstrom), und die Kabine ist so laut wie ein Igluzelt bei Gewitter
Fahrende Wellblechhütten
Ich hatte den größten Respekt (und das tiefste Mitleid) für die Jungs und Mädels, die in diesen Wellblechhütten mit über 100 km/h die Berge runter sind (und mit unter 50 hoch), aber ein "schafft ihr nie" von Favela-Fahrzeug-Fahrern schmerzte doch, weil es von dieser moralisch eigens erklommenen Position kommt: Schau her! Ich riskiere Leib, Leben und Würde beim Strampeln in meiner Seifenkiste! Für die Rettung der Welt! Du dagegen bist in deinem Leaf die dekadente Elektrik-Bourgeoisie mit deinen Radios, Klimaanlagen und Velours! Die Twikes haben am Ende natürlich den Effizienzpreis abgestaubt (der mit dem RTG mir gehört hätte), und die Frau fand sie so großartig, dass sie eines im Schwarzwald fahren will. Also nochmal mit Fairness: Die Dinger sind Freizeitfahrzeuge, die einen Charme haben, den man offenbar finden kann. Selber ausprobieren.
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Special Stage Großglockner-Hochalpenstraße von der Mautstation hoch zur Edelweißspitze. Gefragter Schnitt: 55 km/h. Der Schnitt ist jedoch nicht das Problem, sondern die Frage, ob man ihn fahren und trotzdem ankommen kann.
Nach diesem psychologischen Schlagabtausch und einem wortwörtlichen Anschleichen an den Start begann der eigentliche Fahrtag mit einer Special Stage: Großglockner-Hochalpenstraße mit 55-km/h-Schnitt hochfahren – wunderbar. Die gefragten Schnitte dieser Sonderprüfungen waren alle nicht schwer, als Fahrer musste man sich lediglich überlegen, ob man sie fahren und trotzdem zur nächsten Ladestation kommen kann. Ich fuhr die Prüfung zunächst auf Schnitt, ließ mich jedoch aus Akkuangst auf den letzten zwei Kilometern von einem Wohnmobil aufhalten, das sich wahrscheinlich für die Tage zuvor rächte. Nach der etwas verspäteten Zieldurchfahrt war der Akku oben auf der Edelweißspitze zu drei Vierteln leer: 20 km Restreichweite. Zu fahren waren noch: 90 km. Jetzt sagte selbst die Frau "Das schaffen wir doch nie". Ich als Motorradfahrer konnte Nachsicht walten lassen, weil ich die Gegend kenne: Es ging zum Ziel in Bozen fast ausschließlich bergab, und es gibt eine Ladestation dort, wo mal der Gletscher war. Wenn vorhersehbar alle Stricke rissen, wollte ich am Kreisverkehr dort rüberfahren und eine (ausgedehnte) Kaffeepause im Franz-Josef-Haus einlegen.