Bericht zur Brandenburger E-Mail-Affäre bescheinigt "gravierende Mängel"

"Erschreckend geringe Sensibilität mit den Datenschutzanforderungen" bescheinigt der Abschlussbericht der CDU Brandenburg in der Affäre um die Kontrolle von E-Mails an Politiker des Landesverbands.

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Von
  • Jürgen Kuri

Der frühere brandenburgische CDU-Generalsekretär Sven Petke ist für gravierende Mängel beim Datenschutz und für Missstände im kaufmännischen Geschäftsverkehr der Landespartei verantwortlich, heißt es in einem dpa vorliegenden Bericht der CDU-Kommission, die die E-Mail-Affäre untersuchte. Petke hatte im Zuge der E-Mail-Affäre Mitte September auf Druck des Parteivorsitzenden Jörg Schönbohm sein Amt aufgegeben. Die Cottbuser Staatsanwaltschaft prüft derzeit einen Anfangsverdacht gegen Petke und den beurlaubten Landesgeschäftsführer Rico Nelte. Gegen beide liegen Strafanzeigen vor, weil sie E-Mails an CDU-Vorstandsmitgliedern ohne deren Wissen überwacht haben sollen. Beide bestreiten die Vorwürfe.

Seinerzeit hatte die Untersuchungskommission unter Vorsitz von Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns einen Zwischenbericht vorgelegt. Abschließend kommt das Gremium nun zu dem Fazit: "Die Wahrnehmung der Verantwortung durch den Landesgeschäftsführer/Generalsekretär hat eine erschreckend geringe Sensibilität mit den Datenschutzanforderungen offenbart." Der Vorwurf einer systematischen Überwachung des E-Mail-Verkehrs durch Petke und Nelte konnte laut dem Bericht aber "weder bestätigt noch zweifelsfrei widerlegt werden". Es stehe fest, dass Nelte persönliche E-Mails an CDU-Vorstandsmitglieder ohne Legitimation las und erst dann manuell weiterleitete. Als "äußerst kritisch" bewerte der Kommissionsbericht, dass die beiden Beschuldigten das Leseverhalten von Abonnenten eines CDU-Newsletters nachvollziehen konnten. So ließ sich feststellen, wer welchen Artikel las.

Ende August hatte der bisherige Betreuer des CDU-Internet-Auftrittes den Generalsekretär und Landesgeschäftsführer der Partei, Sven Petke und Rico Nelte, beschuldigt, die elektronische Post führender Unionspolitiker ohne deren Wissen überwacht zu haben. Beide bestreiten die Vorwürfe. Petke habe auch die 2600 Empfänger eines wöchentlich versendeten Newsletters der Partei überwacht; es sei kontrolliert worden, welche Links in dem Newsletter die Empfänger angeklickt hätten.

Aus dem dpa vorliegenden Papier der Untersuchungskommission dokumentierte die Agentur Wortlautauszüge:

E-Mail-Nutzung

In der CDU-Landesgeschäftsstelle eingehende E-Mails mit der Endung @cdu-brandenburg.de wurden in der Regel auf ein Sammelpostfach des Landesgeschäftsführers geleitet. Darunter befindliche personenbezogene E-Mails wurden vom Landesgeschäftsführer manuell an den jeweiligen Adressaten weitergeleitet. (...) Autorisierungen für manuelle Weiterleitungen durch den Landesgeschäftsführer konnten nicht vorgelegt werden. (...) Es bestand (...) für ihn die Möglichkeit, den Inhalt der E-Mails zu lesen. (...)

Newsletter

Ausgewertet wurde, wie viele Nutzer den Newsletter und einzelne Artikel gelesen haben. (...) Dies geschah ohne Wissen oder Einwilligung der Nutzer. (...)

Vertragsgestaltung mit dem Dienstleister

Der Umfang der vom Dienstleister zu erbringenden Leistungen ist unklar. (...) Die Pflichten des Dienstleisters sind in wesentlichen Punkten überhaupt nicht geregelt. (...) Auch die Rechte des Auftraggebers sind nicht dokumentiert. (...)

Kaufmännischer Geschäftsverkehr mit dem Dienstleister

Beauftragungen zur Leistungserbringung, ggf. Angebotsanforderungen mit Kostenvoranschlägen etc., sind (...) nicht dokumentiert. Regelmäßig werden Aufträge "auf Zuruf" ausgelöst.

Bewertung

Insgesamt offenbarte die Untersuchung in der CDU- Landesgeschäftsstelle sowohl aus technischer als auch aus organisatorischer Sicht gravierende Mängel bezüglich Datenschutz, Datensicherheit und kaufmännischer Abläufe. (...)

Der Vorwurf einer bewussten, planmäßigen und dauerhaften Überwachung des gesamten E-Mail-Verkehrs durch den Landesgeschäftsführer/Generalsekretär konnte mit den zur Verfügung stehenden technischen Mitteln und nach Durchsicht der vorhandenen lokalen Dateien und Konfigurationen weder bestätigt noch zweifelsfrei widerlegt werden.

Der mit dem Dienstleister geschlossene Vertrag über die Erbringung von Internet-Dienstleistungen, Web-Hosting und Server-Housing entspricht nicht annähernd den Anforderungen des Bundesdatenschutzgesetzes an die Regelung einer Datenverarbeitung im Auftrag. Der kaufmännische Geschäftsverkehr entsprach nicht den Erfordernissen und Gepflogenheiten sorgfältigen kaufmännischen Handelns. (...)

Die Wahrnehmung der Verantwortung durch den Landesgeschäftsführer/Generalsekretär hat eine erschreckend geringe Sensibilität mit den Datenschutzanforderungen offenbart. (...)

Während sich die Gegner des früheren Generalsekretärs Sven Petke in ihrer Kritik an dem 38-Jährigen bestätigt sahen, sprachen seine Unterstützer dem Papier die Substanz ab. Der Bericht bestätigt aus Sicht von Justizministerin Beate Blechinger (CDU) Schönbohms Entscheidung, sich von Petke zu trennen. Ein "objektiv urteilender Landesvorstand" hätte jetzt zu dem gleichen Ergebnis kommen müssen, sagte Blechinger der dpa. Der Potsdamer CDU-Kreisvorsitzende Wieland Niekisch nannte die dort enthaltenen Erkenntnisse "unfassbar und unglaublich". Offensichtlich seien Petke und Nelte nicht in der Lage gewesen, die Landesgeschäftsstelle für rund 7000 Parteimitglieder kaufmännisch und datenschutzrechtlich ordentlich zu führen.

Der CDU-Bundestagsabgeordnete und Kreischef in der Uckermark, Jens Koeppen, nannte den Untersuchungsbericht dagegen "substanzlos". Er entlaste Petke und Nelte. "Die Vorwürfe, um die es geht, können nicht belegt werden." Das Papier solle offensichtlich "im parteiinternen Wahlkampf instrumentalisiert werden". Der Vorsitzende der Kreis-CDU im Havelland, Dieter Dombrowski, sagte, aus dem Bericht eine Schuldzuweisung abzuleiten, sei "abenteuerlich". "Es ist nichts bewiesen."

Siehe dazu auch: (jk)