Californication: Moto Guzzi bohrt die California auf

Supersize Guzzi

Die neu vorgestellte California 1400 ist gewissermaßen das erste Retrodesign-Modell der Cali, denn wie es sich bei dieser Design-Disziplin aus unerfindlichen Gründen gehört, wurde jetzt alles um den Faktor 1,5 vergrößert

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Von
  • Florian Pillau
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Mailand, 15. November 2012 – Seit 42 Jahren ist die Moto Guzzi California das amerikanischste Motorrad aus Europa. Kein Wunder, sie geht auf die V7 zurück, die 1968, nur ein Jahr nach ihrem Erscheinen, die Ausschreibung des Los Angeles Police Departements gewonnen hat und für den Polizeidienst einen breiten, hohen Lenker, einen ausladenden Sattel, Koffer für Funk und Utensilien, eine große Scheibe und die in den USA an Polizeifahrzeugen übliche Schwarzweiß-Lackierung erhalten hatte. 1970 fiel der Marketingabteilung (Unfug, so etwas gab es damals natürlich noch nicht – jedenfalls nicht unter diesem Namen) ein Geniestreich ein: Sie gab der V7 750 eine ähnliche Optik und den zutreffenden Namen "California". Konkurrenzlos in ihrem Konzept fand sie bald eine so treue Fangemeinde, dass sie seither siebenmal aufgelegt wurde. Und zwar mit den bei Guzzi üblichen homöopathischen Weiterentwicklungen.

Schluss mit Homöopathie

Mit den jetzt neu vorgestellten California 1400 ändert sich das: Sie ist gewissermaßen das erste Retrodesign-Modell der Cali, denn wie es sich bei dieser Design-Disziplin aus unerfindlichen Gründen gehört, wurde jetzt alles um den Faktor 1,5 vergrößert – wie bei den design-getriebenen monströsen Nachfolgern des Mini, in den sich just heute in London 28 gelenkige Turnerinnen gezwängt haben oder beim Fiat 500, der als Cinquecento in ähnlicher Weise verfettete. Nun waren der Mini oder der Fiat 500 seinerzeit wirklich klein. Die California aber überragte bereits damals die meisten Motorräder, weshalb das Ergebnis etwas beängstigend wirkt. Großen Anteil daran hat das barocke Scheinwerfergehäuse im memento-mori-Stil, das an gruslige "Tombstone"-Rückleuchten erinnert; aber auch die Ausformungen im Tank, die in beide Richtungen schreien: "Schaut alle her, wie groß meine Zylinder sind!" und das hintere Schutzblech tragen dazu bei, von Zierat-Details ganz zu schweigen.

Das 2445 mm lange Motorrad mit einem Radstand von 1665 mm bringt voll ausgestattet 337 Kilogramm auf die Waage. Die Räder messen 130/70 R 18 vorn und 200/60 R 16 aber – was will man machen – jede kleinere Dimension würde bei den ausufernden Abmessungen der neuen Cali einfach nur verhungert wirken. Jedenfalls kann das nicht dem "typisch italienischen Gepür für Ästhetik" entsprungen sein, das Guzzi in der Pressemappe selbstbewusst für sich in Anspruch nimmt. Immerhin ist es erstaunlich gut gelungen, die Gesamtlinien der ursprünglichen V7-Cali in die Gegenwart zu retten. Man fragt sich angesichts der Dimensionen sogar, ob sie sich vielleicht genauso typisch kopflastig fährt wie ihre Urgroßmutter (sehr wahrscheinlich nicht). Ästhetisch ist die kommende Generation der noch aktuellen sogar ein bisschen voraus.