EU prüft Microsofts Einfluss auf ISO-Standardisierungsprozess

Die EU-Kommission verlangt im Rahmen seines Missbrauchsverfahrens gegen den Redmonder Softwarekonzern Informationen über die nationale Gremienarbeit beim Standardisierungsprozess für das Dokumentenformat Office Open XML.

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Im Rahmen des im Januar gestarteten neuen Missbrauchsverfahrens gegen Microsoft will die EU-Kommission prüfen, ob sich der US-amerikanische Softwarekonzern während des ISO-Standardisierungsverfahrens um das Dokumentenformat Office Open XML (OOXML) widerrechtlich verhalten hat. Das Wall Street Journal berichtet, die Kommission habe Microsoft um Informationen über seine Aktivitäten während des Verfahrens gebeten. Sie will demnach herausfinden, ob und wie der Softwarekonzern die Gremien in den einzelnen Ländern unter Druck gesetzt hat, OOXML als Standard zu ratifizieren.

Im September 2007 hatten die ISO-Mitglieder OOXML nicht abgesegnet. Microsoft hat noch Gelegenheit zur Nachbesserung, bis Ende dieses Monats in Genf die Schlussabstimmung ansteht. Kurz nach der Abstimmung im September hatte der Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII) auf Unregelmäßigkeiten in der Gremienarbeit hingewiesen und für einen Abbruch der Standardisierung plädiert. So war von einem "Kauf von Stimmen" in Schweden durch Microsoft die Rede, die Zurückweisung von Wettbewerbern der Redmonder in Portugal aufgrund mangelnder Sitzplätze oder das "Kapern" der Standardisierungsgremien in vielen Ländern einschließlich der USA, Kolumbien und Mexiko.

In Italien, so heißt es nun in dem Bericht, sei die Zahl der Standardisierungsgremium-Mitglieder so von 6 auf 85 angeschwollen. Microsoft hatte seinerzeit darauf verwiesen, je größer die Gremien seien, desto mehr Stimmen würden gehört. Auch OOXML-Gegner IBM habe versucht, Vertreter für sein Anliegen zu mobilisieren. Nun heißt es lediglich aus Redmond, das Unternehmen werde, wie schon im Januar versprochen, mit den EU-Ermittlern kooperieren.

Unter anderem zunächst durch einen Beschluss im US-Bundesstaat Massachusetts sowie durch Bestrebungen in anderen Bundesstaaten und Ländern, in öffentlichen Institutionen nur noch offene und freie, bereits standardisierte Dokumentenformate einzusetzen, drohte Microsoft mit seinem geschlossenen Dokumentenformaten ins Hintertreffen zu geraten. Das konkurrierende OpenDocument Format (ODF) wurde bereits Ende 2006 als ISO-Standard anerkannt. Daraufhin trat der Softwarekonzern verstärkt mit seinem OOXML in Erscheinung, dem Kritiker vorwerfen, nur dem Namen nach offen zu sein. Außerdem seien die Spezifikationen zu komplex. Inzwischen ist Microsoft nicht müde geworden, für sein Dokumentenformat die Werbetrommel zu rühren.

Siehe zu den Dokumentenformaten und ihrer Standardisierung auch: