In Rumänien entsteht das "Nokia-Village"

Bei einem 4200-Seelen-Örtchen im Westen Rumäniens liegt das Industriegebiet, in dem Nokia mit einem neuen Werk zunächst 3500 Arbeitsplätze schaffen will.

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Von
  • Kathrin Lauer
  • dpa

Ioan Pojar, Bürgermeister im idyllischen siebenbürgischen Dorf Jucu, jubiliert: "Ich mache gerade einen Bebauungsplan für 100 Wohnungen, 80 sind gerade im Bau". Es gilt, Unterkünfte zu schaffen für die tausenden Menschen, die demnächst im neuen Industriepark arbeiten sollen. Das Wunder in dem bisher verschlafenen 4200-Seelen Ort nahe der Universitätsstadt Cluj heißt Nokia.

Auf einem Acker, wo früher Getreide und Gemüse angebaut wurden, ist ein 159 Hektar großer Industriepark entstanden. Das Zugpferd war der finnische Handy-Hersteller, der hier bis Ende 2009 insgesamt 3500 Menschen beschäftigen will. 90 Hektar besetzt "Nokia Village", den Rest teilen sich drei Nokia-Zulieferer, vier weitere Telekom-Firmen und eine Gasfirma. "30 Hektar wären noch frei", sagt der Kreisratsvorsitzende Marius Nicoara, der die Infrastrukturarbeiten auf der grünen Wiese koordiniert hat. Anfang Februar will Nokia mit der Serienproduktion beginnen.

Die Aufregung darüber, dass Nokia in Deutschland eine Fabrik schließt, kann Nicoara nicht verstehen. "Die Deutschen sollten sich überlegen, was Nokia an Steuereinnahmen gebracht hat. Wir hier werden unsere Investitionen in die Infrastruktur des Industrieparks in anderthalb Jahren wieder hereinholen." Geschätzte 33 Millionen Euro haben der rumänische Staat und der Landkreis Cluj dafür ausgegeben, dass "Nokia Village" einen Gasanschluss für die Heizung, eine Wasserleitung, Strom und Zufahrtswege bekommen hat. Sogar Gleise wurden aus dem Dorf zur Fabrik verlegt, so dass die Angestellten direkt vor den Werkstoren aus dem Zug aussteigen können.

All dies sei ohne einen Cent von der EU gebaut worden, beteuert Nicoara. Nur beim Ausbau der 10 Kilometer langen alten Landstraße aus Jucu nach Cluj zur Autobahn seien Gelder aus Brüssel verwendet worden – dies allerdings als Teil eines bereits sieben Jahre alten allgemeinen Programms zum Bau einer Ortsumgehungsstraße für Cluj. "Das hat mit Nokia nichts zu tun", sagt Nicoara. Der Zubringer aus Jucu soll auch zur künftigen Autobahn führen, die der US-Konzern Bechtel hier quer durch Siebenbürgen baut. Für die Bechtel-Autobahn gibt es keine EU-Förderung.

Insgesamt 15.000 Arbeitsplätze wird Nokia indirekt in der Region schaffen, schätzt das rumänische Arbeitsamt. Die ersten rumänischen Angestellten wurden im vergangenen Sommer ausgewählt. Für die 500 Plätze bewarben sich damals sage und schreibe 8200 Kandidaten. Die Kreishauptstadt Cluj gilt als Zentrum für IT-Ausbildung. Siemens finanziert dort ein Forschungszentrum. Die US-Firma Emerson hat am Stadtrand von Cluj ebenfalls einen Industriepark errichtet. Dies dürfte auch Nokia angelockt haben. Die Finnen waren schon seit 2006 auf der Suche nach einem Standbein in Rumänien.

Die Gehälter bei Nokia in Jucu sollen vorerst laut Medienberichten zwischen 170 und 238 Euro liegen. Das ist nicht viel. Derzeit liegt der Netto-Durchschnittslohn in Rumänien bei 320 Euro. Wie viele Handys Nokia hier pro Minute produzieren will, hat der finnische Konzern noch nicht verraten. Die zu erwartenden Wundergeschichten aus dem "Silicon Valley" von Jucu dürften in Rumänien aber mindestens so schön klingen wie die Berichte über König Mihai, die Bürgermeister Pojar von seinem Vater gehört hat. Vor dem Zweiten Weltkrieg lagen hier nämlich die königlichen Gestüte und der damalige Monarch war oft zu Gast.

Zur geplanten Schließung des Nokia-Werks in Bochum siehe auch:

(Kathrin Lauer, dpa) / (vbr)