USA: Prozesse gegen Filesharer vor dem Auftakt

Im Sommer kommt es in zwei Verfahren der US-Musikindustrie wegen mutmaßlich illegalen Filesharings zur Prozesseröffnung. In beiden zieht ein nicht unbekannter Harvard-Professor auf Seiten der Verteidigung die Fäden.

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Zwei der weltweit meist beachteten Prozesse der US-Musikindustrie gegen Internetnutzer steuern in diesem Sommer auf einen ersten Höhepunkt zu. Im Wiederaufnahmeverfahren gegen Jammie Thomas-Rasset steht der Prozessauftakt ebenso bevor wie im Verfahren gegen Joel Tenenbaum, der wegen seines prominenten Verteidigers und dessen unorthodoxer Vorbereitung viel Aufmerksamkeit erregt. Doch haben die beiden Verfahren mehr gemeinsam als einen Termin im Sommer.

Der neue Prozess gegen Jammie Thomas, die nach einer Heirat nun auch den Namen ihres Gatten führt, soll wie geplant am 15. Juni beginnen. Nachdem ihr Anwalt Brian Toder im Mai sein Mandat niedergelegt hatte, schien eine Wiederaufnahme des Verfahrens nach Plan zunächst gefährdet. Doch Thomas-Rasset hat mit Kiwi Camara aus Houston (US-Bundesstaat Texas) und Garret Blanchfield aus St. Paul (Minnesota) inzwischen neue Rechtsvertreter gefunden.

Der von den Philippinen stammende Camara war US-Berichten zufolge der jüngste Student, der sich jemals an der juristischen Fakultät der Universität Harvard eingeschrieben hat und schloss die Law School im Jahr 2004 mit Auszeichnung ab. Dort lernte er auch Professor Charles Nesson kennen. Der Jurist hatte im vergangenen Jahr die Verteidigung Joel Tenenbaums übernommen und spielte auch eine aktive Rolle bei der Vermittlung des Thomas-Verfahrens an Camara. Auch will er der neuen Verteidigung beratend zur Seite stehen.

Beiden Beklagten werfen Vertreter der US-Musikindustrie vor, mit der Verbreitung von Musik über Filesharing-Netze Urheberrechte von Musikern und Verwertungsrechte von Labels verletzt zu haben. Thomas-Rasset war in dem ersten Geschworenenprozess wegen Filesharing überhaupt zu 222.000 US-Dollar Schadensersatz verurteilt worden. Das Urteil wurde aufgrund eines Verfahrensfehlers kassiert und eine Wiederaufnahme angeordnet.

Mit dieser immensen Schadensersatzsumme im Blick hebt Verteidiger Nesson in dem für den 20. Juni angesetzten Verfahren gegen Joel Tenenbaum vor allem auf die Verfassungsmäßigkeit der im US-Copyright vorgesehenen Schadensersatzregeln ab. Darüber hinaus will er den Prozess und vorhergehende Anhörungen live ins Internet übertragen lassen, ist damit allerdings bisher gescheitert. Das Verfahren nimmt seinen Fortgang, auch wenn die Frage der Live-Übertragung nun beim US-Verfassungsgericht liegt.

Im Vorfeld beider Prozesstermine herrscht wie in Verfahren durchaus üblich ein reger Briefwechsel zwischen den Parteien. In zahlreichen Anträgen geht es um die Zulassung von Beweisen und Zeugen oder Ergänzungen der Klageschriften. Insbesondere die ungewöhnliche Vorgehensweise von Nesson und seinen Studenten haben bei Urheberrechtsexperten und Juristen Zweifel an der Strategie des Harvard-Teams aufgeworfen. Eine Sprecherin des Teams bekräftigte auch gegenüber heise online wiederholt, dass die teils erratisch wirkende Verteidigung tatsächlich einen Plan hat. Es stehen also zwei spannende Prozesse bevor. (vbr)