Blockade der Dokumentenformat-Standardisierung bei der ISO

Seit der Abstimmung über Microsofts OpenXML-Spezifikation ist in dem zuständigen Komitee der Normungsorganisation jede weitere Standardisierungsbemühung aufgrund mangelnder Beteiligung neuer Gremienmitglieder gescheitert.

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Seit der umkämpften Abstimmung über Microsofts OpenXML-Spezifikation Anfang September ist in dem zuständigen Komitee der Internationalen Organisation für Normung (ISO) jede weitere Standardisierungsbemühung aufgrund mangelnder Beteiligung neu hinzugekommener Gremienmitglieder gescheitert. Dies berichtet der Standardisierungsexperte Andy Updegrove. Das entsprechende Gremium, der für Dokumentenbeschreibungen und Programmiersprachen zuständige Ausschuss SC 34, sei nicht mehr handlungsfähig, zitiert der Jurist einen Manager des Komitees. Früher seien dagegen in 90 Prozent der Wahlverfahren die erforderlichen Mehrheiten auf Anhieb zustande gekommen.

Ursache sei, dass sich bei einer Abstimmung gemäß der komplizierten ISO-Regeln mindestens 50 Prozent der Hauptmitglieder eines Ausschusses beteiligen müssen, damit diese für gültig erklärt werden kann. Obwohl dabei auch eine kurz begründete Enthaltung möglich sei, glänze die Mehrheit des im Frühjahr und Sommer deutlich erweiterten Kreises der entscheidenden Länder mit keinerlei Reaktion auf Aufforderungen zur Wahl. Länder wie Bulgarien, die Elfenbeinküste, Libanon, Kenia, Kasachstan, Rumänien oder die Antillen-Staaten Trinidad und Tobago haben die letzten drei Abstimmungen laut Updegrove mehr oder weniger komplett geschwänzt. Die Arbeitsfähigkeit eines wichtigen Gremiums, das sich etwa mit Spezifikationen wie PDF, ODF, Themenkartierungen oder allgemeinen XML-Entwicklungen beschäftige, sei damit nicht mehr gewährleistet. Interessant zu beobachten sein dürfte aber, ob das Interesse bei der Behandlung einer mit PDF konkurrierenden XML-Spezifikation der Redmonder wieder anziehe.

Die Zahl der Hauptmitglieder in dem Ausschuss für Dokumentenformate ist in diesem Jahr bislang von 30 auf 41 signifikant angestiegen. Hinzugekommen sind auch 23 mehr beobachtende Mitglieder, deren Stimmen aber weniger Gewicht haben. Kritiker der Microsoft-Spezifikation Office Open XML (OOXML), die sich etwa in der Kampagne OOXML zusammengetan haben, bezeichnen die jüngst hinzugekommenen Hauptmitglieder seit längerem als "Strohmänner" der Redmonder. Die Lahmlegung des SC-34-Komitees werten sie nun als weitere Bestätigung dieser These.

Die Leitung des Gremiums hat die Neuzugänge allerdings inzwischen aufgefordert, entweder verstärktes Interesse an den Ausschussarbeiten zu zeigen oder einen Beobachterstatuts einzunehmen. Die Endabstimmung über OpenXML soll im Februar erfolgen. Die Spezifikation ist von den Gremienmitgliedern von einer Vielzahl an kritischen Kommentaren bedacht worden, welche die Redmonder aufgreifen und ihren 6000 Seiten umfassenden Standardvorschlag entsprechend umarbeiten müssten. Aus Sicht des Förderverein für eine Freie Informationelle Infrastruktur (FFII), der die OOXML-Site betreibt, enthält der bisherige Entwurf schwerwiegende Fehler und sei kaum zu implementieren. OOXML sei zudem ein Minenfeld voller unbekannter gewerblicher Schutzansprüche und nicht veröffentlichter oder unvollständiger Lizenzbedingungen.

Siehe zu den Dokumentenformaten und ihrer Standardisierung auch:

(Stefan Krempl) / (jk)