Nvidia dementiert Ausstieg aus dem Chipsatzgeschäft [Update]

Nvidia bestreitet einen Ausstieg aus dem Geschäft mit Chipsätzen für AMD- und Intel-Prozessoren - die Zukunftsaussichten in diesem Bereich sind aber alles andere als rosig, wenn man sich aktuelle Entwicklungen von AMD und Intel näher ansieht.

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Von
  • Thorsten Leemhuis

Am vergangenen Wochenende plapperten zahlreiche auf PC-Hardware spezialisierte Internet-Medien einen Bericht der taiwanischen Digitimes nach, Nvidia würde aus dem Markt für Mainboardchipsätze aussteigen. Auf Nachfrage von heise online dementierte ein Nvidia-Sprecher nach Absprache mit seinen Kollegen aus den USA das Gerücht. Die Digitimes-Story sei haltlos; man habe keinerlei Pläne, aus dem Chipsatzgeschäft auszusteigen.

Die Nvidia-Mitarbeiter betonten ferner, das Geschäft mit Chipsätzen sei gewohnt stark – nach Angaben von Mercury Research hätte man bei AM2-/AM2+-Chipsätze mit integrierter Grafik einen stabilen Marktanteil von zirka 60 Prozent. Das praktisch nur von den hauseigenen nForce-Chipsätzen unterstützte SLI (Scalable Link Interface) sei zudem die "bevorzugte" Techniken zum Koppeln von Grafikkarten.

Ganz unrecht hat Nvidia mit dieser Einschätzung derzeit nicht, auch wenn die Gerüchte über den Ausstieg aus dem Chipsatzgeschäft angesichts aktueller Entwicklungen nicht ganz abwegig zu sein schienen. So hatte Nvidia nach dem Anfangs etwas holprigen Einstieg in den Chipsatzmarkt für AMD-Prozessoren sich dort zwischenzeitlich zum Platzhirsch hochgearbeitet. SiS und VIA konnten da schließlich nicht mehr mithalten und mussten nach und nach Marktanteile abgeben; im hiesigen Markt nutzen derzeit nur mehr absolute Billig-Boards Chipsätzen der beiden Unternehmen. Nicht unerheblich von Nvidias Erfolg profitiert hat in den letzten Jahren auch AMD, denn ohne die Nvidia-Chipsätze mit und ohne SLI-Unterstützung wären AMD-Prozessoren speziell im Gaming-Markt wohl nie so erfolgreich gewesen. Auch in den lange von Intel mit CPUs und passenden Chipsätzen dominierten Business-PC-Markt hat AMD dank Nvidias HyperTransport-Chipsätzen mit integrierter Grafik einen deutlich besseren Stand gefunden als zuvor mit Chipsätzen von VIA oder SiS.

Nvidias langjähriger Konkurrent ATI konzentrierte sich hingegen auf die Intel-Plattform; die Chipsätze für AMDs CPUs kamen meist ein wenig verzögert und konnten häufig nicht so recht mit denen von Nvidia mithalten. Mit der Übernahme von ATI durch AMD wendete sich das Blatt dann; AMD optimierte die Chipsätze für die eigenen Prozessoren und bewarb bei den Board- und PC-Herstellern nun ähnlich wie Intel eine "Lösung aus einer Hand". Zusammen mit recht ordentlichen neuen Chipsätzen wie AMDs zur diesjährigen CeBIT vorgestellten 780G konnte AMD sich so am Chipsatzmarkt erheblich besser aufstellen.

Nvidia hatte derweil schon seit Längerem versucht, auch am Chipsatzmarkt für Intel-CPUs Fuß zu fassen. So erfolgreich wie zuvor bei der AMD-Plattform war Nvidia gegen Intels umfangreiches Chipsatzangebot allerdings nicht. Einen halbwegs guten Stand haben noch die Chipsätze mit SLI-Unterstützung, weil Gamer, die neuere Intel-Prozessoren mit zwei oder mehr Nvidia-Grafikkarten koppeln wollen, auf diese angewiesen sind – auf den mit mehreren PEG-Slots und Intel-Chipsatz ausgestatteten Desktop-Boards funktioniert nur CrossFireX mit Radeon-Grafikkarten, da Nvidias Treiber SLI bei allen Desktop-Chipsätzen von Intel nicht freigibt.

Als rosig kann man Nvidias Zukunftsaussichten im Chipsatzmarkt daher nicht gerade bezeichnen. AMD wird die eigene Chipsätze weiter fördern und so Nvidia wahrscheinlich nach und nach weitere Marktanteile abnehmen; auch für Highend-Gaming-PCs sind die nForce-SLI-Chipsätze für AM2-/AM2+-CPUs derzeit nicht mehr so interessant, da AMDs schnellste Prozessoren nicht so recht mit den schnellsten von Intel mitzuhalten vermögen. Weiteres Ungemach droht auf der Intel-Seite, denn zukünftige Prozessoren übernehmen einige Chipsatz-Aufgaben und nutzen ein anderes Interface für die Kommunikation mit dem Chipsatz. Für das braucht Nvidia erstmal eine Lizenz von Intel; bei den Verhandlungen um eine solche wollte Intel Gerüchteweise im Tausch die SLI-Unterstützung bei Intel-Chipsätzen rausschlagen. Darauf wollte sich Nvidia aber wohl nicht einlassen. [Update]In einer zweiten Stellungnahme gegenüber heise online teilte ein Nvidia-Sprecher mit, dass das Unternehmen sehr wohl eine Lizenz für die Nehalem-Architektur habe. Man plane aber keinen vollwertigen Chipsatz für den QuickPath-Interconnect (QPI, früher CSI) der High-End-CPU Bloomfield; für die Nehalem-Desktop-CPUs mit DMI-Schnittstellte wie den Lynnfield werde Nvidia aber sehr wohl Chipsätze anbieten.[/Update]

Es ist daher nichts wirklich Neues, dass sich Nvidia im Chipsatz-Markt neu positionieren muss; auch ein schleichender Ausstieg scheint durchaus im Bereich des Möglichen. Sicher dürfte aber sein, dass Nvidia noch einige Chipsätze in der Pipeline hat. Erst Mitte Juli hat das Unternehmen SLI-Unterstützung für Intels Bloomfield angekündigt; dabei handelt es sich aber nicht um einen normalen Mainboard-Chipsatz, sondern vielmehr um einen Anbau für den kommenden Intel-Chipsatz X58/Tylersburg. Zum Sommerende/Herbstanfang und somit wohl irgendwann im September will Nvidia zudem noch für Intel-CPUs geeignete Varianten der GeForce-Chipsätze (Motherboard-GPUs/mGPUs) 8100, 8200 und und 8300 vorstellen. (thl)