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"Es führt kein Weg an der elektronischen Gesundheitskarte vorbei"

"Wann ist die elektronische Gesundheitskarte im Portemonnaie der Verbraucher?" Die schlichte Antwort auf der CeBIT-Subkonferenz Telehealth: Irgendwann. Die IT-Industrie sagt immerhin klar, was sie will: Geld verdienen mit der Gesundheitskarte.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Detlef Borchers

"Wann ist die elektronische Gesundheitskarte im Portemonnaie der Verbraucher?" diskutierte eine hochkarätige Runde auf der CeBIT Subkonferenz Telehealth. Die schlichte Antwort: Irgendwann. Unterdessen wurden eine Reihe von Lösungen zur neuen Karte auf der Messe vorgestellt.

Die Situation ist paradox: Die elektronische Gesundheitskarte (eGK) ist von den Datenschützern abgenommen und als sicheres System bewertet worden. Dennoch wird gerne über die Datenschutzengel gelästert, die angeblich das Projekt behindern. Kritikern der elektronischen Gesundheitskarte wird vorgeworfen, mit ihrem technisch falschen Gerede von "zentralen Servern" auf das Unwissen der Bevölkerung zu setzen. Dennoch veröffentlicht der IT-Branchenverband Bitkom auf der CeBIT das Ergebnis einer repräsentativen Umfrage, nach der die 74,7 Prozent der Deutschen der Speicherung auf zentralen Servern zustimmen würden. Die IT-Industrie sagt damit klar, was sie will: Geld verdienen mit der Gesundheitskarte. Zur Eröffnung der Telehealth bedauerte Bitkom-Präsident August Wilhelm Scheer unter Verweis auf Intel-Chef Craig Barrett, dass elektronische Gesundheitsakten für Arbeitgeber nicht einsehbar sind, wie die Gesundheitsakten, die der Rancher Barett für seine Pferde anlegt.

Auf der Messe selbst erklärte der französische Chipkartenproduzent Sagem Orga, dass man für 2009 zweistellige Millionenumsätze mit der eGK erwarte, da man Produktionsverträge mit 60 Krankenkassen abgeschlossen habe. Außerdem präsentierte die Firma (Halle 9 / B86) das neue mobile Kartenterminal Orga 920 M eGK für Ärzte im Außendienst bzw. Rettungswagen. Erwähnenswert auch Reiner SCT (Halle 17 / D11) mit dem neuen Chipkartenleser Cyberjack e-com plus, ein Universal-Lesegerät, das die kommende kontaktbehaftete elektronische Gesundheitskarte wie den kontaktlosen elektronischen Personalausweis sowie eine Vielzahl von Bankkarten mit HBCI, EBICS oder Secoder auslesen kann. Der Multifunktionsleser, der optional mit einem Fingerabdruck-Leser ausgestattet werden kann, ist für den Hausgebrauch gedacht. Als Einsatzbeispiel denkt man an die Medikamenten-Bestellung bei einer Online-Apotheke, bei der das Rezept von der Gesundheitskarte kommt und die Identität des Bestellers mit dem elektronischen Personalausweis via RFID geprüft wird.

Doch all die neuen Dinge sind nichts gegen die weiterlaufende Diskussion um die Gesundheitskarte, die sich die Befürworter des Systems liefern. So erklärte Gilbert Mohr von der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein, für den Rollout der Lesegeräte in den Arztpraxen zuständig: "Egal, was mit der Gesundheitskarte nach der Bundestagswahl passiert, kann ich den Ärzten sagen: 'Ihr bekommt doch schicke neue Geräte.'" Mohr rechnete vor, das Ärzte bei den maximal möglichen 1020 Euro Zuschuss auch die Installationspauschale als Plus mitnehmen könnten "wenn der Schwiegersohn ein ITler ist". Insgesamt stellten Mohr zufolge die Krankenkassen 15 Millionen Euro für den Rollout am Nordrhein zur Verfügung, die bis zum 30. Juni 2009 abgerufen sein müssen. Dennoch werde das Angebot etwas reserviert aufgenommen.

Für die Ärzteschaft meldete sich Franz-Josef Bartmann, Telematik-Spezialist der Bundesärztekammer, zu Worte und warnte davor, am Prinzip der Freiwilligkeit beim Start der Online-Anschlussphase der Praxen zu drehen. "Das ist kritisch, da darf man nur die ranlassen, die das wollen und auch können, sonst bekommen wir das totale Chaos. Das Prinzip der Freiwilligkeit ist die Conditio sine qua non." Wer die Ärzte zwingen wolle, könne das Projekt gleich einstampfen. Seine Äußerung wurde vom Ministerialdirigenten Norbert Paland, Leiter der Projektgruppe Gesundheitskarte im Bundesgesundheitsministerium, prompt kassiert. Paland wies darauf hin, dass die Ärzte etwa über eine Vereinbarung in den Mantelverträgen zur Verhinderung des Kartenmissbrauchs verpflichtet werden könnten, die Online-Anbindung zu realisieren. Mit Bezug auf die Plakataktion der Zahnärzte erklärte Paland: "Das war ein guter Gag, aber es führt kein Weg an der Gesundheitskarte vorbei."

Nicht auflösen konnte die Podiumsdiskussion den Widerspruch von der sicheren Kartentechnik und der Tatsache, dass die Versichertendaten in einem ungeschützten Bereich liegen, solange noch die herkömmliche KVK eingelesen werden muss. Auch über die möglichen Implikationen eines Regierungswechsels wurde nicht diskutiert. Auf die entsprechende Frage des Moderators Pablo Mentzinis vom Bitkom wollte niemand direkt eingehen, Fragen aus der Zuhörerschaft waren nicht zugelassen. In dieser Form war die Diskussionsrunde nicht unbedingt eine Werbung für die deutsche Karten-Technik auf der Telehealth, die sich mit einer Simultanübersetzung dem internationalen Publikum präsentierte. (Detlef Borchers) / (jk)