Cebit

Die Politik entdeckt das Web 2.0

Auch deutsche Politiker hoffen auf den Obama-Effekt und diskutieren mit Wissenschaftlern auf dem Webciety-Forum der Cebit über den Web-2.0-Wahlkampf.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Achim Barczok

Blogs, Facebook, Twitter, StudiVZ: Nach dem großen Erfolg des Internetwahlkampfs von Barack Obama in den USA setzen auch deutsche Parteien und Politiker zunehmend auf die Tools des Web 2.0, um ihre Anhänger zu mobilisieren. Über die Chancen des Web für die Politik diskutierte ein Panel auf dem Webciety-Forum der Cebit.

Die Politiker in der Diskussionsrunde sind alle mehr oder weniger im Web 2.0 aktiv: Volker Beck (Die Grünen), Kajo Wasserhövel (SPD), Frank Schäffler (FDP) und Andreas Weber (CDU) twittern, schreiben Blogs oder partizipieren in Gruppen von Facebook oder StudiVZ. Für alle vier bieten die neuen Online-Medien nützliche Werkzeuge, um Wähler zu mobilisieren und mit den Bürgern in Kontakt zu treten. Dabei reiche es nicht, Infos wie Pressemeldungen auf möglichst vielen Kanälen an die Anhängerschaft zu versenden, so Volker Beck: "Man muss auch bereit sein zum Dialog, sonst bringt das nix". Das A und O sei dabei, als Politiker man selbst zu bleiben. Frank Schäffler von der FDP, dessen Partei seit einiger Zeit einen eigenen Youtube-Channel betreibt, erklärt: "Man muss schon versuchen, authentisch rüberzukommen". Jeder müsse dabei entscheiden, welche Dienste zu ihm am Besten passen, so Volker Beck: "Wir müssen nicht alle kleine Obamas werden".

Aber nicht nur die einzelnen Politiker tummeln sich mit ihren Botschaften auf den unzähligen Community-Plattformen des World Wide Web, auch die Parteien rüsten auf und wollen für den Wahlkampf 2009 die Aktivitäten der Webgemeinde auf den eigenen Seiten bündeln: Die kürzlich gestarteten Kampagnenseiten Team Deutschland (CDU) und Wahlkampf09 (SPD) verknüpfen ihre Wahlkampfbotschaften mit User Generated Content aus Webdiensten wie Twitter, flickr oder MySpace. Bei der FDP setzt man auf das Forum my.fdp.de, für die Grünen kündigte Volker Beck den Start einer Online-Community mit dem Namen Wurzelwerk an.

Prof. Karl-Rudolf Korte, Politikwissenschaftler an der Universität Duisburg, beobachtet dabei echte Veränderungen in den Parteien. Die hätten sich aufs Internet eingestellt und seien partizipativer geworden. Welche Partei im Einsatz sozialer Medien die Nase vorn hat, konnte das Panel allerdings nicht klären, auch wenn die Teilnehmer fleißig ihre Anhängerzahlen und Gruppengrößen im Social Web verglichen und die Online-Aktivitäten ihrer Parteien lobten. Ein Wahlkampf à  la Obama sei für die Bundestagswahl 2009 trotz der Web-2.0-Offensive nicht zu erwarten. Zwar falle laut Wasserhövel in den Diskussionen immer wieder der Satz: "Hast Du Obama gesehen? Internet ganz wichtig"; man müsse allerdings dabei berücksichtigen, dass sich Obamas Kampagne sehr lange entwickelt habe, in Deutschland sei man da einfach noch nicht so weit.

Politikwissenschaftler Korte warnte davor, das Internet als reine Mobilisierungsplattform für Wahlkämpfe zu sehen. Mit dem Web 2.0 bestehe die große Chance, die politische Willensbildung und die Legitimation von Parteien und Politikern grundlegend zu verändern und als Politiker in den direkten Dialog mit den Bürgern zu treten. Die entscheidende Frage sei dabei, wie sich das Web 2.0 für interessierte Bürger als "Einstiegsdroge" für Partizipation in der Demokratie nutzen lasse.

Während sich besonders die jungen Mitglieder der Parteien aktiv in den sozialen Netzwerken tummeln, ist bei vielen etablierten Politikern noch Überzeugungsarbeit und Schulung angesagt. "Wir sind als Parteien Lernende", so Wasserhövel, momentan werde vieles ausprobiert, die Impulse kämen dabei vor allem aus den Jugendverbänden der Partei. Dass die Überzeugung nicht immer einfach sei, weiß auch Andreas Weber von der Jungen Union: Viele in den Parteien würden noch nicht einmal E-Mail benutzen. Dennoch scheint die Richtung klar: Das Web entwickelt sich zur wichtigsten Plattform für politische Kommunikation, so Korte: "Kommunikationsmacht wird in Zukunft Online-Macht sein". (acb)