Die Zukunft wird gut
Was macht eigentlich ein fest angestellter Zukunftsforscher? Und wie werden wir uns in einer Zukunft fortbewegen, in der selbst fahrende Roboterautos die Norm geworden sind? Alexander Mankowsky über gestaltende Zukunftsforschung
Heise Autos:
Was macht ein Zukunftsforscher?
Alexander Mankowsky:
Das Feld der Zukunftsforschung ist sehr weit gefasst. Früher gab es zum Beispiel das, was die Presse "Think Tanks" nannte. In diesen Denkfabriken wurden unter anderem Szenarien entwickelt, wie Kriege verlaufen könnten. Oder die Technikfolgenabschätzung aus den 60er und 70er Jahren, auch eine Art Zukunftsforschung. Hier wurden Szenarien erarbeitet, die Politikern oder anderen Entscheidern als Grundlageninformation dienten.
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Alexander an seinem Mac. Er erhofft sich einen positiven Einfluss der Auto-Software-Entwicklung auf Anwender-Software.
Was ich heute mache, ist etwas ganz Anderes. Ein Konzern wie Daimler hat die Möglichkeiten, die Zukunft aktiv zu gestalten. Dazu trage ich als Zukunftsforscher bei. Natürlich nicht alleine, sondern in einem Netzwerk aus internen und externen Kreativen. Das Ziel unserer gestaltenden Zukunftsforschung ist die Umsetzung, die kreative Tätigkeit, die in Konzeptenzwürfen, schließlich in echten Autos mündet.
Heise Autos:
Was ist denn der Unterschied zwischen einem freien Zukunftsforscher und jemandem wie Ihnen, der seit 25 Jahren in dieser Firma gearbeitet hat?
Alexander Mankowsky:
Der Unterschied ist tatsächlich sehr groß. Ich kann es anhand von drei Schritten erklären. Im ersten Schritt versuche ich, ein Zeitgefühl für technische, ästhetische und soziale Veränderungen zu entwickeln. Dazu schaue ich mir die treibenden Kräfte an. Sind sie noch "lebendig", wie haben sie sich gewandelt? Wir erleben alle, dass es als Mensch unheimlich schwierig ist, ein Zeitgefühl zu entwickeln. Wie lange die 45 Minuten einer Schulstunde sein können oder 30 Sekunden beim Zahnarzt, das kennen wir aus eigenem Erleben. Aber ein Zeitraum von 10 Jahren ist schwer vorstellbar; 20 Jahre sind fast unmöglich. Man muss eine gewisse Distanz entwickeln, mental ein Stück zurücktreten.
Die Autoindustrie zum Beispiel hat einen Rhythmus von 7 bis 8 Jahren, bis wieder ein komplett neues Auto entwickelt ist. Die Luftfahrtindustrie dagegen hat einen Rhythmus von 40 Jahren, wie am Beispiel der Boeing 747 zu sehen ist. Und bei Immobilien oder Infrastruktur ist der Rhythmus noch einmal deutlich langsamer. Unser menschlicher Lebensrhythmus ist damit nicht kongruent. Ein technischer Treiber für das autonome Fahren ist zum Beispiel die künstliche Intelligenz. Man kann sich die Fragen stellen: Wie hat sich die Künstliche Intelligenz seit ihrem Höhepunkt vor 25 Jahren verändert? Welche Paradigmen gab es damals, wie sind sie heute? Daraus entsteht schließlich ein Zeitgefühl.
Dann kommt es zum zweiten Schritt: ich gehe hinaus in die Welt und suche Kontakt zu Avantgarden und Pionieren, also zu Menschen, die etwas Neues erschaffen, die Phantasie haben und sich etwas trauen.
Der dritte Schritt ist der wichtigste und unterscheidet mich von einem "unabhängigen" Zukunftsforscher: Was machen wir bei Daimler selber und wie lassen sich neue Ideen umsetzen? Das geschieht in Zusammenarbeit mit unseren einzelnen Bereichen - vom Advanced Design bis zum Engineering.