Im Schatten des 911 wächst der bessere Überland-Porsche: Boxster S

Little Brother

Porsches Ingenieure haben den Boxster mit schmerzvoll sichtbarer Exaktheit in allen Eckdaten unter dem Fahnenträger 911 einkastriert. Deshalb ist es umso bemerkenswerter, wie exquisit der Mittelmotor-Porsche fährt.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 6 Kommentare lesen
Warum will das ein Kradist? Weil es exquisit fährt. Auf den Ruf ist da gepfiffen. 17 Bilder
Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Clemens Gleich
Inhaltsverzeichnis

Stuttgart, 17. Februar 2014 – Kraftrad-Kollege Toby Münchinger hat kürzlich einen Boxster gesucht, zum kaufen als sein Privat-Zweispurfahrzeug. Erstaunlich. Wieso interessiert sich ein Motorradfahrer ausgerechnet für Porsches künstlich kastrierten Yuppie-Präsentierteller? Einen Teilgrund weiß mittlerweile jeder: Der Boxster ist viel besser als sein Ruf. Er ist das Fahrspaßauto unter den Präsentiertellern, aber der Ruf dieser Picknickkörbe ist eben bemerkenswert schlecht. Da hilft nur Eins: Im Namen der Wissenschaft in Zuffenhausen anklopfen.

Das Verständnis über Tobys Suche setzt schon auf den ersten Metern nach der Ausfahrt vom Werksgelände ein. Der Boxster S ist exquisit. Die Gewichtsverteilung auf seine vier Reifen ist optimal, vor allem jedoch zeigt sie sich dem Fahrer. Was bringt eine Ingenieurstat, die sich weder in der Messung noch im Gefühl auswirkt? Dazu kommt, dass der Boxster S ein sehr entspannendes Fahrzeug ist. Der Motor läuft kultiviert und leise, erst im oberen Drehzahlbereich klingt das Röhren des Sechszylinder-Boxers etwas lauter, aber immer noch ohne Nervschalldruck an. Das Gefühl für die Außenmaße stellt sich sofort ein, zusammen mit unaufgeregt zentimetergenauem Fahren. Einfach. Der Boxster ist eins dieser Fahrzeuge, mit denen man ruhigen Gemütes aus der Boxengasse fährt, ein paar entspannte Runden dreht, die einem nicht besonders schnell vorkommen, und dann von der Zeitmessung seine neue persönliche Bestzeit übermittelt bekommt.

Schneegrenzebereich

Wer die Zeit hat, sollte in seinen zukünftigen Lebenslauf unbedingt eine Ausfahrt mit einem Boxster in ein typisches Mittelgebirge einplanen. Es ist eine Lehrstunde in Sachen Vorteile des Mittelmotors. Auf Zug durchs Eck: göttlich. Klar. Aber im Schiebebetrieb ins Eck, dann aufs Gas stampfen: Problemlos. Oder auch: Auf der Bremse bergab eingelenkt ins Eck. Fangbar. Dazu kommen Assistenzsysteme, die niemals nerven und stattdessen einen Grad der Vollidiotie ohne Murren verarbeiten, bei dem alle Mitbewerber längst aufgegeben haben. Da piept nichts, da streckt kein System die Waffen, es wird nur zügig besonnen gehandelt. An den Grenzen der Physik steigen die Systeme immer noch nicht aus, sondern sortieren in professioneller Ruhe weiter, um den Schaden zu begrenzen. Ein Porsche-Testfahrer hat einmal im Interview gesagt, der 911 sei der aktiv sicherste Wagen der Welt. I beg to differ.