Romeos Julchen

Vor 60 Jahren ist Konrad Adenauer Bundeskanzler, im Kino läuft "Das fliegende Klassenzimmer" und Deutschland wird Fußball-Weltmeister. Bei Alfa Romeo erblickt ein für den Mittelstand erschwingliches, sportliches Auto das Licht der Welt – die Giulietta

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Romeos Julchen
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Düsseldorf, 17. März 2014 – Das Auto hatte mir den Kopf verdreht, aber ich war damals noch viel zu jung für sie. Giulietta war wunderschön und schlank, eine junge Italienerin, die meine Buben-Träume aufregend machte und die so gnadenlos unerreichbar blieb, dass es nur für ihr Bild an der Wand reichte. Da hing Giulietta dann neben Bill Haley und Elvis Presley, die mit Rock'n Roll die Jugend und die Eltern zur Verzweiflung brachten.

Aber ich konnte Giulietta so oft besuchen wie ich wollte. Ich musste dazu nur zu unserem Alfa Romeo- Händler laufen, wo sie erstmals 1954 zu sehen war: Giulietta, für mich damals das schönste Auto. Ein Coupé wie ein Hauch aus Italien, prickelnd wie Spumante und stark wie Espresso. Aber bereits 1962 war sie wieder verschwunden und wurde von der Giulia abgelöst. Erst 1977 tauchte sie wieder auf, mit strengen Linien und einem platten Po wie ein Bügelbrett. Das ließen sich die Fans bis 1985 gefallen. Dann dauerte es bis 2010, bis wieder ein Alfa Romeo den Namen der schönen Italienerin trug.

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1954 wurde die Giulietta in Form des von Felice Boano entworfenen, bei Bertone gebauten Coupés Giulietta Sprint präsentiert. (Bild: Alfa (alle))

Vor 60 Jahren. Konrad Adenauer war Bundeskanzler, im Kino liefen Filme wie "Das fliegende Klassenzimmer" und "Auf der Reeperbahn nachts um halb eins" und Deutschland wurde beim "Wunder von Bern" Fußball-Weltmeister. In Italien sorgt der Nachkriegs-Topolino, der Fiat 500 C, für Mobilität, und bei Alfa Romeo erblickte neben den teuren Sport- und Luxusmodellen ein für den Mittelstand erschwingliches Auto das Licht der Welt – die Giulietta, ein schickes Coupé. Es war eine Frühgeburt. Geplant war, dass auf dem Turiner Autosalon am 20. April 1954 eine Giulietta Limousine präsentiert werden sollte. Doch die Entwicklung hatte sich verzögert, und so kam die beim Karosserieschneider Bertone in Auftrag gegebene Coupé-Variante namens Giulietta Sprint ein Jahr vor der Limousine auf den Markt. Von diesem Coupé waren jährlich 1000 Exemplare geplant, aber bereits bei der Premiere auf dem Autosalon wurden 3000 Aufträge gebucht. Die Giulietta sollte Geschichte schreiben.

Dafür sorgte schon der Motor. Der 1,3-Liter-Vierzylinder war komplett aus Aluminium, leistete 65 PS und später 80 PS, und die Kunden staunten über zwei oben liegende Nockenwellen und zwei Doppelvergaser – so etwas kannte man nur von Sport- und Rennwagen. Mit nur 880 kg war Giulietta ein Leichtgewicht und ging ab wie Rekordsprinter Jesse Owens. Und mit 165 "Sachen", wie man damals gerne sagte, sorgte der kleine Alfa für Aufsehen. Alfa Romeo legte schnell nach, ließ weitere Modelle wie den Sprint Veloce mit 90 PS sowie Zagato und Speziale mit jeweils 100 PS folgen. Zwischen 1954 und 1962 wurden insgesamt 28.708 Giulietta gebaut, die Limousine kam zwischen 1955 und 1964 sogar auf 131.806 Exemplare.