6D erfindet den Helm neu: Eine Elastomer-Dämpfung verbessert die Schutzwirkung

Helme mit Köpfchen

Es ist immer wieder erstaunlich, wenn ein Produkt über Jahrzehnte hinweg zwar optimiert, aber nie revolutioniert wurde - und plötzlich taucht jemand mit einer ganz neuen Idee auf. So jetzt geschehen in der Helmtechnologie

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht
Helme mit Köpfchen 11 Bilder
Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Ingo Gach
Inhaltsverzeichnis

Köln, 22. Mai 2014 – Es ist immer wieder erstaunlich, wenn ein Produkt über Jahrzehnte hinweg zwar optimiert, aber nie revolutioniert wurde und plötzlich jemand mit einer ganz neuen Idee auftaucht. So jetzt geschehen in der Helmtechnologie. Seit 55 Jahren bestehen Motorradhelme aus einer Schale aus Thermoplast oder Duroplast und Verbundwerkstoffen, die eigentliche Energie absorbierende Innenschicht ist aus geschäumten Polystyrol.

Die beiden Ex-Motocross-Profis und späteren Manager bzw. Ingenieure Bob Weber und Robert Reisinger gründeten 2011 in Kalifornien die Firma 6D. Ihr Ziel war es, einen völlig neuen Ansatz im Helmbau zu verfolgen. Sie fanden es bedenklich, dass bei den Anforderungen sowohl der US-Norm als auch der europäischen ECE-Norm für Helme nur auf senkrecht einwirkenden Kräften getestet wird, wie bei einem Frontalaufprall. Sehr häufig treten bei Stürzen aber schräg einwirkende Energien auf, sogenannte Winkelbeschleunigungen, die wiederum die Hauptursache für Gehirnverletzungen durch die besonders gefährlichen Rotationskräfte sind. Die Helme traditioneller Bauweise können solche Kräfte kaum abfedern. Versuche von Medizinern der Wayne State University in Detroit haben ergeben, dass die Rotationskräfte auf das Gehirn ohne Helm und mit einem herkömmlichen Helm gleich hoch sind.

Elastomer-Elemente zur Abfederung

6D kam bei ihrem Modell ATR-1 auf die clevere Idee, zwischen zwei dünnen Polystyrol-Schichten 27 Elastomer-Elemente zu setzen, um so eine bewegliche, Energie absorbierende Konstruktion zu erreichen. Die kleinen Elastomer-Dämpfer haben die Form von Sanduhren und arbeiten mit Rampenkammern, um bei einer Kompressionsbelastung eine schnell ansteigende Federrate zu ermöglichen. Wenn die sieben Millimeter Arbeitsweg der Elastomere aufgebraucht sind, formen die beiden Polystyrol-Schichten eine Einheit. Das System kann in alle Richtungen wirken und bietet einen verbesserten Schutz gegen linear und tangential auftretende Energien.

Das „Omni Directional Suspension“ (ODS) genanntes Patent überbietet die Schlagdämpfung herkömmlicher Helme. Die Helm-Norm ECE-R 22.05 fordert die Erfüllung von Testanordnungen bei linearem Fall von bis zu 7,5 m pro Sekunde (27 km/h). Das ODS kann, laut den Laborergebnissen von 6D, die einwirkenden Kräfte auf das Gehirn bei einem niederschwelligen Aufprall um bis zu 38 Prozent mindern. Um die gleiche Dämpfungswerte nur mit weichem Polystyrol zu erreichen, müsste ein Helm überdimensional groß gebaut werden. Die Rotationsbeschleunigung kann der 6D-Helm im Vergleich zu Helmen herkömmlicher Bauart sogar um bis zu 80 Prozent reduzieren.