Zertretenes Pflänzchen

Tesla will das Patent für sein Schnellladesystem freigeben. Die anderen Autobauer sollten das Angebot sehr wohlwollend prüfen.

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Tesla will das Patent für sein Schnellladesystem freigeben. Die anderen Autobauer sollten das Angebot sehr wohlwollend prüfen.

Es ist so trivial, dass ich es kaum noch hinschreiben mag: It’s about standards, stupid! Kaum etwas bremst eine neue Technologie stärker als das Fehlen von einheitlichen Normen. Das gilt auch und besonders für die Elektromobilität. Die Dichte an Ladesäulen ist immer noch homöopathisch niedrig, was die Suche nach Strom zu einer Odyssee machen kann. Umso mehr Interesse sollten Autohersteller und Energieversorger an einem einheitlichen Standard haben. Die Betreiber dieser teuren Säulen hätten mehr potenzielle Kundschaft, und die Kunden eine größere Auswahl an Ladesäulen.

Doch was macht die deutsche Industrie? Sie zeigt den frühen Elektropionieren den ausgestreckten Mittelfinger. Anfang des Jahres entschloss sie sich, auf das sogenannte Combined Charging System (CCS) zu setzen. Dabei dominieren derzeit die Modelle von Nissan, Renault und Mitsubishi den deutschen Markt für E-Autos. Und die arbeiten mit dem japanischen Chademo-Schnellladesystem. Die Folge: Autos oder Ladestationen müssen mit mehrfachen Ladesystemen ausgestattet werden, was die Sache nicht billiger macht.

Natürlich wird jeder der Beteiligten versichern, dass ausschließlich technische Vorteile den Ausschlag für CCS gegeben hätten. Das System lädt schneller, und es braucht für Wechsel- und Gleichstrom nur einen Stecker, mithin auch nur eine Bohrung in der Karosserie. Mag ja sein. Doch mein Verdacht ist: Die Deutschen versuchen hier ein aufkeimendes Pflänzchen zu zertreten, weil sie es nicht selbst gesät haben.

Und dann ist da noch Tesla. Die Amerikaner haben keine Lust auf langwierige Diskussionen und wollen hierzulande kurzerhand ihr eigenes Schnellladesystem aufbauen. Das klingt zunächst nach Cowboy-Mentalität. Doch Tesla-Chef Elon Musk hat nun angekündigt, das Patent für seine Ladetechnik freizugeben. Ist das nun eine reine Marketing-Nummer? Ein industriepolitischer Schachzug voller Hintergedanken? Oder ein wirklich gutwilliges Angebot?

Ich vermag das im Moment noch nicht zu beurteilen. Ich glaube aber, dass die restliche Autoindustrie diese Offerte zumindest sehr wohlwollend prüfen sollte. Denn noch sind die Ladestrukturen nicht einzementiert, noch können die Weichen neu gestellt werden. Ich glaube aber nicht ernsthaft daran. Eitelkeit und das Not-Invented-Here-Syndrom haben in der Vergangenheit schon oft genug über die Kundenfreundlichkeit gesiegt.

Update: Tesla-Chef Elon Musk hat mittlerweile bekanntgegeben, dass er nicht nur die Patente für das Ladesystem, sondern alle Patente freigeben will. (grh)