Kommentar zu Produktfälschungen: Keiner wills gewesen sein

Gefälschte Produkte sind ein alter Hut, gerade deshalb müssten Chip-Hersteller und Händler mehr dagegen tun.

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Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Christof Windeck
Gefälschte Nvidia-Grafikkarten

Auf dem deutschen Markt tauchten gefälschte Grafikkarten mit Nvidia-GPUs auf, deren Produktname eine GeForce GTX 660 vorgaukelt. Die Spezifikationen der Grafikkarte unterscheiden sich aber deutlich von einer richtigen GeForce GTX 660, die Fälschungen bringen nur ein Viertel der Leistung. c't ging den Fälschungen nach.

Nun werden Hardware-Käufer also auch mit gefälschten Grafikkarten abgezockt – und wieder einmal versucht jeder der (Weiter-)Verkäufer, den Schwarzen Peter loszuwerden. Das ist zwar verständlich, aber unangemessen: Das Problem der Produktfälschungen ist speziell bei IT-Hardware altbekannt. Auch wenn der aktuelle Fall noch längst nicht geklärt ist, zeigt er wieder einmal typische Fehler, die sich vermeiden ließen.

Kollege Harald Bögeholz ist stolz, dass sein kleines Windows-Programm H2testw seit Jahren führende Plätze in der Abruf-Statistik von heise Download belegt. Er hat es Ende 2007 geschrieben, als (wieder einmal) massenweise gefälschte USB-Sticks im Handel auftauchten. Deren Anzahl hat zwar anscheinend wieder abgenommen, aber es tauchen noch immer welche auf. Auch bei SD- und MicroSD-Karten ist das Risiko seit Jahren vergleichsweise hoch. Früher waren immer mal wieder Prozessoren betroffen, darunter mehrere von AMD. Fälscher schreckten nicht einmal vor kompletten Mainboards zurück und sogar vor Billigteilen wie Floppy-Disk-Laufwerken. Die erwähnten Beispiele tauchten allesamt im normalen deutschen Einzel- und Versandhandel auf – bei dubiosen eBay-Händlern liegt das Risiko noch höher. Gerne werden etwa auch Gebrauchtteile als neu verkauft oder OEM-Komponenten ohne Herstellergarantie.

Hardware-Produktfälschungen (7 Bilder)

USB-Sticks aus dem Jahr 2008

Ende 2007 und 2008 tauchten massenweise gefälschte USB-Sticks auf - und nicht zum ersten Mal.

Betroffen sind auch nicht bloß Endkunden, sondern auch Geräte-Hersteller. Kürzlich warnte ein deutscher Produzent von Elektronik-Baugruppen vor untauglichen Produktkopien. Das US-Militär hat bereits ein umfangreiches und komplexes Anti-Counterfeit-Programm aufgelegt, um sich vor gefälschten Zulieferteilen zu schützen, die potenziell Menschenleben gefährden. Niemand in der IT- und Halbleiterbranche kann sich also damit herausreden, Fälschungen seien etwas Seltenes und Unerwartetes.

AMD hat seinerzeit die Lektion gelernt und das Problem mit technischen Mitteln, aber wohl auch durch strengere Vertriebsrichtlinien in den Griff bekommen. Wer seinen Vertriebsleuten zwecks kurzfristiger Absatzsteigerung erlaubt, große Stückzahlen mit hohen Rabatten an Käufer mit zweifelhaften Geschäftsinteressen zu verramschen, der darf sich über Negativschlagzeilen später nicht wundern.

Alte Lagerbestände wecken leicht die Fantasie findiger Trickser – also sollte man sie vermeiden oder sich mit guten Kunden über den Verbleib unverkäuflicher Restmengen einigen und sie notfalls zurücknehmen.

Ein Kommentar von Christof Windeck

Christof Windeck (ciw) schreibt für c't und heise online über PC- und Server-Hardware. Er kam nach einem Studium der Elektrotechnik und sieben Jahren in einem kleinen Industriebetrieb 1999 zur c't und ist heute leitender Redakteur des Ressorts PC-Hardware.

Transparenz hilft ebenfalls, etwa eine öffentliche Dokumentation von Chip-Varianten und deren genaue Bezeichnungen. Irgendwelche Sonderversionen "mal eben schnell" mit internen Kurzbezeichnungen an einen OEM-Auftragsfertiger zu verschleudern macht es Fälschern unnötig leicht. Es gibt aber auch noch zahlreiche andere Möglichkeiten, Prozessoren oder GPUs so zu markieren, dass sich Treiber-Software weniger leicht täuschen lässt, etwa durch eingebrannte und digital auslesbare ID-Codes.

Auch die Groß- und Einzelhändler tragen Verantwortung. Es mag ja passieren, dass selbst Einkäufer mit jahrelanger Branchenerfahrung keinen Verdacht schöpfen, wenn ihnen ein sonst zuverlässiger Anbieter besonders leckere Schnäppchen offeriert. Doch ist es selbst ein Vierteljahrhundert nach Einführung der ISO-9000-Qualitätsnormen noch so, dass hunderte von Produkten ohne jegliche Eingangskontrolle schlichtweg durchgeschoben werden – und das gleich an mindestens drei Stationen der Lieferkette? Die aktuell gefälschten Grafikkarten entlarvt ein kurzer Benchmark sofort. Nachweislich hat es Reklamation von Kunden gegeben, spätestens jetzt hätten die Alarmglocken schrillen müssen. Wer Qualitätsmanagement für überflüssig hält, muss die Folgen tragen.

Doch wir Käufer lassen uns im Schnäppchenrausch die Spielchen der Händler ja seit Jahren bieten. Gekauft wird oft genug schlichtweg nach dem Preis, selbst wenn im Kleingedruckten etwas von OEM-, Tray- oder Bulk-Ware steht. Klar: Die Produkte sind dieselben, doch die besonders billigen Vertriebskanäle führen oft auch näher an der Grenze zum Beschiss vorbei. Zwar wird sich das Problem nicht dadurch lösen lassen, dass jetzt alle einfach ein bisschen mehr bezahlen. Doch Hersteller, Händler und Käufer haben eigentlich ein gemeinsames Interesse daran, fair miteinander umzugehen – wieso ist es trotzdem so schwierig, vernünftige Spielregeln einzuhalten? (ciw)