Lehrzeitverkürzung
Die technischen Voraussetzungen für das autonome Fahren sind bereits vorhanden. Jetzt muss die Software trainiert werden. Trotz einer erfolgreichen Methode aus der Künstlichen-Intelligenz-Forschung ist das Anlernen des Computers ein Geduldsspiel
- Wolfgang Gomoll
München, 10. Juli 2015 – Im selbsttätig steuernden A7, einem Versuchswagen von Audi auf der Autobahn 9 zwischen Ingolstadt und Nürnberg, wurde es offensichtlich: Der Reiseverkehr stellte den Autopiloten auf harte Proben. Ihn verwirrten sogar auf Stoßstangen aufgeklebte Geschwindigkeitsbegrenzungen, die Markierungslinien einer Autobahnausfahrt und die Wildwest-Manieren der anderen Verkehrsteilnehmer sowieso. Der Fahrer musste eingreifen. Solche Fehler zählen die Entwickler zu dem langen Lernprozesses, den die Maschine durchlaufen muss, bis sie zum perfekten Autofahrer geworden ist.
Computer lernen heute wie Kinder
"Deep Learning" heißt das im Computer-Deutsch und ist dem menschlichen Gehirn nachempfunden: Die Eltern erklären dem Sprössling auf seine Frage "Was ist das?", welches Objekt es gerade sieht. Das Konzept ist schon älter, kann aber erst mit den heute verfügbaren Rechenleistungen eingesetzt werden und ist dabei erfolgreicher, als es die Wissenschaft erwartet hatte. Das Spracherkennungsmodul von Siri, dem digitalen Assistenten auf dem iPhone, basiert beispielsweise auf Deep-Learning-Verfahren. Und nun lernen auch die Super-Computer im Auto ähnlich wie Kinder, wenn sie Pixelhaufen zu Bildern zusammenzusetzen. "Wenn wir Grafikprozessoren weiterentwickeln, dann machen wir aus dreidimensionalen Bildern, zweidimensionale. Beim autonomen Fahren ist es genau umgekehrt", sagt Danny Shapiro, Automotive-Chef des amerikanischen Grafik-Spezialisten Nvidia.
Lehrzeitverkürzung (14 Bilder)

(Bild: Nvidia)
Die Hardware für das autonome Fahren ist vorhanden: Kameras plus Radarsensoren sind die Augen des Autos. Die Frage ist nur, wie aus den Daten, die diese Sensoren sammeln, Fahrzeuge und schließlich Menschen werden. Zum Beispiel scannt die Kamera hinter der Frontscheibe den freien Bereich vor dem Auto und sobald ein anderes Objekt in diese Fläche eindringt, soll es eindeutig zugeordnet werden. "Free Space Calculation", heißt das in der Fachsprache. Wenn also eine Pkw-Tür aufgeht, muss der Computer das blitzschnell erkennen und dementsprechend reagieren, etwa die Geschwindigkeit reduzieren oder zumindest die Verzögerung und das Ausweichmanöver vorbereiten, weil ein Mensch gleich auf die Straße treten könnte. Also alles das, was ein erfahrener Autofahrer intuitiv macht und in als "vorausschauendes Fahren" bezeichnet wird.