Der Champion der Roboterautos steht fest

Der mit viel Rechenpower bepackte Chevy Tahoe der Carnegie Mellon University hat die "Urban Challenge" gewonnen. Das Team darf zwei Millionen Dollar Preisgeld mitnehmen.

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Lesezeit: 7 Min.
Von
  • Kate Greene

Ende des 19. Jahrhunderts haben die Pferdewagen ihre Zugtiere verloren. In den nächsten Jahren könnte das Automobil den menschlichen Fahrer verlieren – und wenn, dann ist ein Roboterauto namens "Boss" sicher nicht ganz unbeteiligt. Der umgebaute Chevrolet Tahoe, den ein Ingenieurteam der Carnegie Mellon University mit Sensoren und Rechnern ausstattete, hat am Wochenende das berühmteste aller Roboterrennen gewonnen: Die so genannte "Urban Challenge". Ohne menschliche Hilfe mussten die im Wettbewerb stehenden Fahrzeuge einen Stadtkurs sicher und zügig durchqueren – und dabei stets auf der richtigen Fahrbahn bleiben und anderen beweglichen wie unbeweglichen Autos ausweichen. Das "Tartan Racing"-Team der Carnegie Mellon University kann sich mit seinem Sieg über ein zwei Millionen Dollar schweres Preisgeld freuen, das die amerikanische Militärforschungsbehörde DARPA ausgeschrieben hatte. Der zweite Platz mit immerhin noch einer Million Dollar ging an "Junior", das Roboterauto der Stanford University. "Odin", der Fahrautomat der Hochschule Virginia Tech, erhielt 500.000 Dollar für den dritten Platz.

Die Urban Challenge ist die dritte Runde im großen amerikanischen Wettkampf der Roboterfahrzeuge. Sie soll Innovationen in der Robotik vorantreiben und die nächste Generation von Ingenieuren inspirieren – und gleichzeitig verwendbare Spitzentechnologie für Militär und Automobilbau abwerfen. 2004 startete die DARPA ihr erstes Rennen, die "Grand Challenge" in der Mojave-Wüste. 240 Kilometer über eine Staubpiste mussten die Fahrzeuge zurücklegen, doch die fahrerlosen Automobile kamen nicht weit – der beste Teilnehmer schaffte gerade einmal 12 Kilometer. Die zweite Grand Challenge 2005 in der Wüste war wesentlich erfolgreicher: Damals kamen fünf Autos durchs Ziel, der Preis ging an Stanford. Das Carnegie Mellon-Team landete knapp abgeschlagen auf dem zweiten Rang.

In diesem Jahr war das Rennen ungleich komplexer: Die ehemalige Luftwaffen-Basis "George Air Force Base" im kalifornischen Victorville diente als Stadtmodell, durch das die Roboterautos navigieren mussten. Der Kurs bestand aus nicht ganz 100 Kilometern mit Straßen und Parkplätzen und ließ sich in rund sechs Stunden absolvieren. Die ganze Zeit über mussten die Fahrzeuge die Verkehrsregeln einhalten und gleichzeitig jederzeit den anderen Fahrautomaten ausweichen. Außerdem waren professionelle Stuntfahrer auf der Strecke, um das menschliche Element nachzubilden.

Am frühen Samstagmorgen starteten elf Fahrzeuge kurz nach Sonnenaufgang, tausende Besucher jubelten ihnen zu. Die Route war den Bordcomputern zuvor in Form von GPS-Koordinaten eingespeist worden. "Odin" von der Virginia Tech fuhr als erster los – die Zuschauer klatschten Beifall, als das Lenkrad sich eigenständig bewegte und das Auto sich durch die ersten zwei Kurven auf den Kurs bewegte. In Abständen von fünf Minuten folgten dann Stanfords Junior, "Little Ben" (U Penn/Lehigh), "Talos" (MIT), "Terramax" (Team Oshkosh, ein 12 Tonnen schwerer Truck), "Skynet" (Cornell), "AnnieWay" (Uni Karlsruhe), "XAV-250" (Intelligent Vehicle Systems), Boss (Carnegie Mellon), "Caroline" (TU Braunschweig) und "Knight Rider" (University of Central Florida).

Innerhalb der ersten drei Stunden fielen bereits fünf der Teams aus dem Rennen. Der Oshkosh-Truck rammte beispielsweise beinah ein Gebäude und AnnieWay blieb vor einem Kreisverkehr zu lange stehen. Am Schluss fuhren sechs Teams ins Ziel: Stanford, Cornell, Carnegie Mellon, MIT, U Penn/Lehigh und Virginia Tech.

Wirklich spektakulär sah das Rennen bis auf die genannten Ausfälle für Außenstehende zunächst nicht aus: Man vergaß recht schnell, dass die Fahrzeuge völlig ohne Fahrer unterwegs waren. Boss hielt so beispielsweise an einer Kreuzung kurz an und setzte dann seine Fahrt fort, nur um schließlich ein sich näherndes Fahrzeug vorbeizulassen, wie dies auch ein vorausschauender menschlicher Fahrer tun würde. Ab und an kam es zu Staus, weil einige der Fahrzeuge zu lange an einer Kreuzung standen – vermutlich, um über die beste Weiterfahrstrategie "nachzudenken". Wirklich spannend wurde es dann noch einmal in der fünften Stunde, als Skynet (Cornell) und Talos (MIT) kollidierten. Skynet blieb mitten auf der Straße stehen. Talos fuhr heran und hielt zunächst dahinter. Dann entschied der Roboter, dass es sich wohl um ein stationäres Objekt handeln könnte, und startete ein Überholmanöver. Beim Einfädeln vor Skynet schaltete sich dann aber auch der Cornell-Roboter wieder ein und traf Talos. Zu wirklichen Schäden kam es jedoch bei keinem der beiden Fahrzeuge.

Nicht ganz sechs Stunden nach Beginn des Rennens rollte Junior schließlich über die Ziellinie, kurz danach trafen Boss und Odin ein. Little Ben, Talos und Skynet folgten in der gleichen Stunde. Der endgültige Sieger wurde dann aber mittels einer Kombination aus Zieleinlaufzeit und Verhalten auf der Strecke ermittelt. Ein Roboter, der ständig Stoppschilder missachtete und dadurch vor anderen ans Ziel kam, hätte beispielsweise wohl nicht gewonnen. Den Sonntag über durchforsteten die DARPA-Preisrichter die Daten der Autos und ihre Punktetabellen, schauten sich Videos des Fahrverhaltens aller Fahrzeuge an. Am Ende wurde Boss zum Sieger erklärt.

"Ein Sieg ist immer besser als der zweite oder dritte Platz", freute sich William "Red" Whittaker, Anführer des Carnegie-Mellon-Teams. "Das haben wir von Boss erwartet. Er ist schnell, sauber und für das Fahren in diesem Rennen perfektioniert worden." Auf einer Pressekonferenz nach der Preisverleihung sagte Whittaker auch, er würde gerne weitere Wettbewerbe wie die Urban Challenge sehen, um die Technologie noch stärker zu treiben – etwa innerhalb eines 24-Stunden-Rennens unter extremen Bedingungen. "Ich würde gerne einen Wettkampf in den Rocky Mountains sehen, durch Schnee, Regen und Nebel", meinte er.

Der deutsche Stanford-Teamleiter Sebastian Thrun sagte, er würde gerne Roboterautos haben, die schwierige Aufgaben besser meisterten, etwa beim Kurvenverhalten und bei hohen Geschwindigkeiten. Die Fahrzeuge in der Urban Challenge konnten zwar normale Fahrbedingungen bearbeiten, meinte er, doch um Autos für den Menschen sicherer zu machen, müssten digitale Technologien vor allem mit plötzlichen und unerwarteten Situationen umgehen können. Thrun schlägt deshalb ein "Mann gegen Maschine"-Rennen vor, das komplexe Manöver unter High-Speed-Bedingungen beinhaltet. Charles Reinholtz, Leiter des Virginia-Tech-Teams, interessiert sich hingegen für einen Wettbewerb, bei dem die Fahrzeuge miteinander kommunizieren und ständig Positionsdaten hin und her senden – eine Funktion, die er in zukünftigen autonomen Fahrzeugen erwartet.

Der allgemeine Konsens der Roboterautobauer lautete dann aber: In den nächsten paar Jahren wird die Technologie aus der Urban Challenge bereits ihren Weg in Fahrzeuge finden – zunächst in den Bereichen Bergbau, Landwirtschaft und Raumfahrt. Vollständig autonome Fahrzeuge für Endkunden seien dagegen noch mindestens zehn Jahre entfernt.

Noch ist unklar, ob es ein weiteres Roboterautorennen geben wird, das die DARPA sponsert. Tony Tether, Direktor der Forschungsbehörde, sagte, die Rennen hätten bereits einen wichtigen Zweck erfüllt – sie hätten die Fehlannahme widerlegt, dass es unmöglich sei, Fahrzeuge zu bauen, die autonom im Straßenverkehr unterwegs sein können und gleichzeitig die Verkehrsregeln beachten. Und: "Sobald man einmal demonstriert hat, dass etwas geht, kommen andere Leute aus dem Gebüsch und sagen, sie könnten es sogar besser." (bsc)