Arbeitnehmervertreter und Politiker plädieren für deutsche Produktion von Akku-Zellen für Elektro-Autos

Müssen deutsche Hersteller E-Auto-Batterien bis ins Mark selbst produzieren? "Nicht nötig", sagt die Industrie. "Ja!", meinen Arbeitnehmervertreter und Politik. Tatsächlich könnten solche Pläne noch in diesem Jahr Form annehmen.

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Arbeitnehmervertreter und Politiker plädieren für deutsche Produktion von Akku-Zellen für Elektro-Autos

Bosch arbeitet daran, die Energiedichte von Akkus zu erhöhen.

(Bild: Bosch)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Annika Grah
  • dpa
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Akkus gelten als zentraler Schlüssel für den Durchbruch von Elektroautos, weil sie bislang die Reichweite begrenzen und die Fahrzeuge teuer machen. Trotzdem will Daimler – bislang einziger auf diesem Feld tätiger deutscher Hersteller – seine Kräfte in diesem Jahr aus der Produktion von Akkuzellen abziehen und die Produktion schließen. Das Arbeitnehmerlager sieht darin einen fatalen Fehler.

"Ohne eigene Zellfertigung gefährdet die deutsche Automobilindustrie mittelfristig ihre Innovationsführerschaft", sagte VW-Betriebsratsboss Bernd Osterloh am Dienstag und forderte "eine Entscheidung der deutschen Hersteller und Zulieferer für eine Zellfabrik". Osterlohs Kollege beim Autohersteller Daimler, Michael Brecht, hatte zuvor im Handelsblatt ebenso wie sein Pendant bei BMW eine konzertierte Aktion gefordert. Gestützt werden sie von der Politik. "Ein Premiumstandort, der auch ein Premiumstandort bleiben will, braucht eine eigenständige Akku- und Zellproduktion", sagte Matthias Machnig (SPD), Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium, dem Handelsblatt.

Die Forderung ist nicht ganz neu: Schon im Frühjahr machten sich die Betriebsratschefs von Daimler und Volkswagen für einen solchen Schulterschluss stark. Als Daimler vor einem Jahr ankündigte, seine Zellfertigung im sächsischen Kamenz zu schließen, sahen IG Metall und Betriebsratschef Brecht darin ein Warnsignal. Vergangene Woche wetterte der erste Vorsitzende der IG Metall, Jörg Hofmann: "Es ist ein echtes Trauerspiel, wie hier die Verantwortung zwischen Fahrzeugherstellern, Zulieferern und Politik hin- und hergeschoben wird." Stattdessen werde zugeschaut, wie sich die Schlüsseltechnik in Fernost und den USA entwickele.

Tatsächlich stammen die größten Produzenten von Akkuzellen inzwischen aus Asien. Firmen wie Samsung, LG oder Panasonic können in der Zellfertigung Größenvorteile ausnutzen, weil sie nicht nur für E-Autos, sondern auch für Akkus in Handys, Laptops und Tablets produzieren. Der E-Auto-Pionier Tesla baut in den USA zusammen mit Panasonic die bislang größte Zellfertigung der Welt auf, die 2017 aufgenommen werden soll. Die wachsende Produktion macht die Zellen der aktuellen Generation billig, einen Neueinstieg aber umso teurer.

Angesichts der Ansage von Volkswagen im Lichte des Abgasskandals, 20 neue Elektromodelle zu lancieren, nimmt die Diskussion über eine deutsche Produktion aber neue Fahrt auf. Das Handelsblatt zitiert Gewerkschaftskreise, wonach die drei großen deutschen Autokonzerne jeweils eine Milliarde Euro investieren müssten, um eine gemeinsame Produktion auf die Beine zu stellen. Etwa so viel hatten Daimler, BMW und die VW-Tochter Audi für den Kauf des Kartendienstes Nokia Here locker gemacht.

Doch im Gegensatz zum Kartenmaterial für Roboterautos argumentieren die Hersteller, dass sie die Akkus nicht aus der Hand geben, wenn sie die Zelle nicht selbst produzieren, sondern nur einkaufen. Daimler tüftelt am Li-Tec-Standort Kamenz weiter an Akkusystemen, in die künftig Zellen von anderen Herstellern verbaut werden. Volkswagen entwickelt die E-Auto-Speicher zusammen mit Varta Microbattery. BMW kauft nur seine Akkuzellen von Samsung und macht alles andere selbst. Bosch entwickelt Akkusysteme in einem Joint Venture mit GS Yuasa und Mitsubishi Corp.

Ändern könnte sich die Lage, wenn neue Generationen von Zellen auf den Markt kommen. Dann könnten Investitionen in neue Produktionsstandorte wieder lohnen, heißt es in der Branche. Bosch hatte auf der Automesse IAA im September einen Durchbruch in der Zelltechnik angekündigt, durch den E-Auto-Akkus deutlich kleiner und leistungsfähiger gemacht werden könnten. Der schwäbische Zulieferer hatte dafür eigens das US-Startup Seeo übernommen. Ob dieser Durchbruch allerdings in eine eigene Fertigung münden könnte, ließ Bosch offen.

Deutlich konkreter könnten die Pläne der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE) werden: Noch in diesem Jahr soll eine "Roadmap" für eine Akku- und Zellproduktion in Deutschland vorgestellt werden – allerdings wäre auch diese erst für die nächste Generation von E-Auto-Batterien gedacht. (anw)