Volkswagen: Betrug auch bei NEFZ-Angaben?

Hunderttausende Volkswagen könnten einen höheren CO2-Ausstoß als angegeben haben. VW musste nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch Unregelmäßigkeiten bei Verbrauchswerten einräumen. Es gehe hauptsächlich um Dieselfahrzeuge, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern

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Volkswagen

(Bild: Volkswagen)

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Von
  • Martin Franz

Hunderttausende Volkswagen könnten einen höheren CO2-Ausstoß als vom Hersteller angegeben haben. VW musste am Dienstagabend nach Manipulationen bei Stickoxid-Werten auch Unregelmäßigkeiten bei Verbrauchswerten einräumen. Es gehe hauptsächlich um Dieselfahrzeuge, aber auch um eine geringe Anzahl von Benzinern. Damit erreicht der Abgas-Skandal eine neue Dimension. Wie deutlich der gemessene CO2-Ausstoß über den angegebenen Werten liegt, sagte ein VW-Sprecher zunächst nicht.

Bildmaterial von VW aus dem Jahr 2012 zur Vorstellung des Benziners mit Zylinderabschaltung

(Bild: Volkswagen)

„Nach derzeitigem Erkenntnisstand können davon rund 800.000 Fahrzeuge des Volkswagen Konzerns betroffen sein“, heißt es in einer Mitteilung von Volkswagen vom Dienstagabend. Der Konzern bezifferte die wirtschaftlichen Risiken in einer ersten Schätzung auf rund zwei Milliarden Euro. Volkswagen-Chef Matthias Müller versprach erneut eine „schonungslose“ Aufklärung. „Dabei machen wir vor nichts und niemandem Halt. Das ist ein schmerzhafter Prozess, aber er ist für uns ohne Alternative.“ Der Aufsichtsrat reagierte in einer Mitteilung „mit Betroffenheit und Sorge“ auf die neue Dimension. Nach dpa-Informationen wird sich die Aufsichtsratsspitze spätestens an diesem Sonntag treffen, der komplette Aufsichtsrat dann am Montag.

Bisher ging es in dem Abgas-Skandal um Stickoxid (NOx). Im September hatte das Unternehmen eingestanden, bei Abgas-Tests auf dem Prüfstand mit Softwarehilfe die Ergebnisse für Dieselmotoren manipuliert zu haben. Die Software schaltet in Testsituation in einen Sparmodus. In diesem Zusammenhang musste Volkswagen bereits 6,5 Milliarden Euro zurückstellen.

Im Rahmen der derzeit laufenden Überprüfungen aller Prozesse und Abläufe bei Dieselmotoren ist laut Volkswagen aufgefallen, dass bei der CO2-Zertifizierung einiger Fahrzeugmodelle zu niedrige CO2- und damit auch Verbrauchsangaben festgelegt wurden. Betroffen seien ganz überwiegend Fahrzeuge mit Dieselmotoren. Es gehe um Autos der Typen Polo, Golf und Passat, sagte ein Sprecher auf Anfrage der dpa. Bei Audi seien A1- und A3-Modelle betroffen. Bei Skoda gehe es um den Octavia und bei Seat um den Leon und den Ibiza. Auch bei einem Benzinmotor mit Zylinderabschaltung habe es Auffälligkeiten gegeben, sagte der Sprecher. Es handele sich dabei aber um eine geringe Stückzahl. Bei den Dieselmotoren seien 1,4-, 1,6- und 2,0-Liter-Varianten betroffen.

Am Abend gab es auch eine Reaktion von Porsche. Der Verkauf der Cayenne mit Dieselmotor wird in den USA vorerst eingestellt. Für wie lange, steht noch nicht fest. Eine Ausweitung dieses Stopps auf Europa Könnte Porsche empfindlich treffen, denn mit dem großen SUV hat die Marke gut verdient. Der Diesel macht gerade beim Cayenne einen erheblichen Anteil der europäischen Zulassungen aus. Dazu kommt, dass auch der neue Volkswagen-Chef so in Bedrängnis geraten könnte. Müller war zuvor Porsche-Chef.

Die neue Dimension des Abgas-Debakels könnte für Volkswagen und seine Kunden Folgeprobleme haben. So hängt hierzulande die Höhe der Kfz-Steuer für jüngere Pkw mit Erstzulassungsdatum ab 1. Juli 2009 am Ausstoß von Kohlendioxid (CO2). Autos mit niedrigerer CO2-Emission sind steuerlich günstiger als welche mit einer höheren. Damit steht das Risiko im Raum, dass durch die Abgas-Manipulationen Kfz-Steuern für Autos aus dem Volkswagen-Konzern zu niedrig festgesetzt worden sind.

Die Grünen sehen nun auch Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) am Zug. „Angesichts der Dimension des Skandals und dem damit verbundenen Schaden für die gesamte deutsche Automobilbranche reicht es nicht mehr aus, Aufklärung als Show zu simulieren“, sagte der Grünen-Fraktionsvize Oliver Krischer der dpa. Dobrindt müsse klare politische Regeln und Kontrollen durchsetzen, um die Auto-Branche vor sich selbst zu schützen. „Wir brauchen endlich umfassende Transparenz und Tests auf der Straße durch eine unabhängige europäische Behörde.“

Die Vorsitzende des Umweltausschusses im Bundestag, Bärbel Höhn, erklärte: «Offenbar hat VW bei der Ermittlung des Spritverbrauches illegale Techniken angewendet, um ihn nach unten zu korrigieren.“ Die ganze Wahrheit müsse jetzt auf den Tisch. Nötig seien zudem endlich schlagkräftige staatliche Stellen, die auch die Angaben der Hersteller nachprüfen dürfen und können. Bisher sei das nicht der Fall.

(mit Material der dpa)

(mfz)