3D-Druck per Stereolithographie

Schon die allerersten 3D-Drucker härteten vor 30 Jahren spezielles flüssiges Kunstharz durch punktuelle Belichtung aus – doch erst seit ein paar Jahren bekommt man Stereolithographie-3D-Drucker für unter 10.000 Euro und seit kurzem sogar für wenige hundert Euro. Wer sich eine solche Maschine zulegt, muss den 3D-Druck in Teilen ganz neu lernen.

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Lesezeit: 10 Min.
Von
  • Peter König
Inhaltsverzeichnis

Die Stereolithographie funktioniert durch eine Kombination aus Licht und lichtempfindlichem Material: Dort, wo durch einen Laserstrahl, eine Beamer-Projektion oder ein LC-Display Licht mit bestimmter Wellenlänge auf flüssiges Kunstharz (Photopolymer, englisch meist bündig als Resin bezeichnet) trifft, verfestigt sich der Kunststoff punktuell oder in Linien und Flächen. Wie bei allen additiven Fertigungsverfahren (die heute oft unter dem Begriff 3D-Druck zusammengefasst werden) entsteht aus vielen solcher Punkte und Linien eine horizontale Schicht und wiederum Schicht auf Schicht das gewünschte 3D-Objekt.

Stereolithographie-Maschinen gibt es mittlerweile in drei Varianten: Bei den klassischen SLA-3D-Druckern zeichnet ein Laserstrahl die nötigen Formen; Flächen werden durch dicht an dicht gelegte Schraffuren ausgefüllt. Alternativ projiziert ein Beamer die komplette Schicht des Modells auf einmal, was oft DLP (Digital Light Processing) genannt wird, was übrigens auch eine Marke für Projektionstechnik von Texas Instruments ist. Die dritte und billigste Variante könnte man LCD-Resindruck nennen. Dabei kommen LC-Displays mit gegebenenfalls modifiziertem Backlight zum Einsatz. Da es durch die massenweise Tablet-Produktion die passenden Displays äußerst günstig zu kaufen gibt, kosten solche Photopolymer-3D-Drucker aus China wie der Elegoo Mars zum Teil keine 300 Euro mehr und man kann sie sich sogar selber bauen. Eine aktuelle Marktübersicht hochauflösender Resin-Drucker ab 180 Euro haben die Kollegen von TechStage zusammengestellt.

Stereolithographiemaschinen (hier der Form 1+) bauen 3D-Objekte über Kopf. Die orangenfarbene Haube schützt das Photopolymer vor Umgebungslicht genau jener Wellenlänge, bei der das flüssige Material aushärtet.

Egal, ob klassische Stereolithographie, DLP oder LCD – die jeweils jüngste Schicht des Objekts entsteht üblicherweise direkt am Boden eines flachen Harzbeckens: Der ist durchsichtig und wird von unten über einen Spiegelmechanismus mit dem Laser oder Projektor oder direkt vom LCD bestrahlt. Die erste Schicht setzt die Maschine direkt auf den Drucktisch, der meist aus Metall besteht. Dieser wird dazu kopfüber so tief in das Harzbecken getaucht, dass sein Abstand zum Beckenboden gerade noch der geplanten horizontalen Schichtdicke des Drucks entspricht. Die ist bei Stereolithographien meist deutlich kleiner als beim Schmelzschichtverfahren (FDM, Fused Deposition Modeling) – 0,01 Millimeter sind durchaus üblich.

Hat der Laser seine Schicht vollendet, vergrößert die Maschine den Abstand zwischen Beckenboden und Tisch wiederum um genau die Schichtdicke. Das ist aus zwei Gründen knifflig: Zum einen klebt die frisch gefestigte Harzschicht nicht nur an der vorigen Schicht des Objekts fest, sondern neigt aufgrund der Adhäsion ebenso dazu, am Boden des Harzbeckens zu haften – zur Abhilfe dagegen wird das Becken mit Silikon oder einer anderen Anti-Haft-Beschichtung belegt oder der Boden besteht komplett aus einer dünnen FEP-Membran. Zum anderen muss zwischen Modell und Boden genügend des zähflüssigens Harzes nachströmen können, damit auch garantiert überall Material vorhanden ist, wo der Laser hinstrahlen wird. Fürs Lösen und Nachströmen gibt es verschiedene mechanische Lösungen. Während der Form 1 von Formlabs und der Nobel 1.0 von xyzPrinting das Becken in einem Scharnier lagern und bei jedem Schichtwechsel leicht nach unten kippen, dreht der 3D-Drucker Ember von Autodesk das Becken zur Seite; der Form 2 schließlich verfügt über einen Schieber zur Trennung vom Boden.

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Mit den feinen Strukturen der Stereolithographien kann kein 3D-Drucker mithalten, der Plastik schmilzt.

Ist das Modell fertig, hängt es kopfüber am ganz nach oben gefahrenen Drucktisch. Dann öffnet man die Haube – und ab diesem Moment ist diese 3D-Drucktechnik definitiv nicht mehr bürotauglich: Man nimmt den Tisch aus der Halterung, hebelt das frisch gedruckte Objekt vorsichtig mit einem Spachtel von der Metallplatte des Tisches. Die fertigen Drucke werden mit Isopropanol gereinigt; dieser hochprozentige Alkohol wäscht Reste des nicht ausgehärteten Kunstharzes von der Oberfläche und aus Spalten des Modells. Beim Hantieren mit diesem leicht entzündlichen und reizenden Stoff empfehlen sich geeignete Schutzhandschuhe, denn der Stoff trocknet die Haut bei Kontakt rapide aus. Nach einiger Zeit wird der Kunstharz-Anteil im Bad zu groß und man muss den Alkohol wechseln – und den verunreinigten Stoff ordnungsgemäß entsorgen.

Ohne ein paar Spritzer Photopolymer auf Arbeitstisch und Kleidung kommt man kaum davon, Handschuhe und Schutzbrille sind Pflicht und die Arbeit mit Isopropanol erfordert eine gute Belüftung (falls man es nicht darauf anlegt, high zu werden). Ist das Hochprozentige dann verflogen, kann man immerhin ohne Handschuhe, aber immer noch mit Schutzbrille daran gehen, die Stützen mit einem Seitenschneider zu entfernen. Einen ausführlichen Praxisartikel zur Nachbearbeitung von Resin-3D-Drucken gibt es online bei TechStage.

Die Materialpalette für Stereolithographiemaschinen wächst derzeit. So bietet der Hersteller Formlabs neben dem Standard-Kunstharz auch ein gummiartiges Material an ...

Die Vorzüge der Technik haben auch noch einen anderen Preis: Stereolithographien zeigen feinste Details, je nach Material sind sie oft aber deutlich zerbrechlicher als aus Pulver gesinterte oder geschmolzene Objekte. Manche Kunstharze altern zudem sichtbar und verfärben sich dabei. In einer wissenschaftlichen Studie wurde zuden festgestellt, dass bestimmte Resine Stoffe ans Wasser abgeben, die auf Zebrafische toxisch wirken.

Doch es tut sich was beim Material: Die Zeiten, als stereolithographisch gelaserten Getrieben schon nach wenigen Umdrehungen die ersten Zähne wegsplitterten, scheinen zumindest vorbei zu sein. Das Standardmaterial der günstigen Maschinen ist fest, aber minimal elastisch, sodass Brüche nicht mehr an der Tagesordnung sind. Solches Harz gibt es in farbig oder klar – wenn man lange genug poliert, soll man damit sogar optische Linsen herstellen können.

... das sehr flexibel ist und aus dem sich neben solcher sinnfreier Eier zum Beispiel auch Stempel in 3D drucken lassen.

Die Firma Formlabs bietet darüber hinaus inzwischen weitere spezielle Materialien an: neben einem gummiartig-elastischen auch ein besonders belastbares sowie eines, das sich mit Formsand ummanteln und dann ausschmelzen lässt – es ist speziell für den Metallguss in verlorener Form gedacht. Wie sich handelsübliche Resine im Vergleich schlagen und wie der Resin-Druck mit flexiblem Material gelingt, haben die Kollegen von TechStage kürzlich ausführlich beschrieben. Einen ausführlichen Resin-Praxistest gab es in der Make-Ausgabe 3/21 ab Seite 106 zu lesen.

Wer schon einige Erfahrungen mit den plastikschmelzenden FDM-3D-Druckern hat, muss bei der Arbeit mit Stereolithographiemaschinen ziemlich umdenken. So kann es über den Erfolg oder Misserfolg eines Drucks unterscheiden, ob man ein Objekt auf der Bauplattform nahe an der Scharnierseite des Beckens platziert oder weiter weg – unter Umständen saugt sich die gerade gebaute Schicht trotz Anti-Haft-Belag so fest am Boden des Harzbeckens fest, dass der Kippmechanismus nicht mehr sauber arbeitet oder das ganze Objekt vom Tisch reißt.

Die Software fügt die notwendigen Stützen in der Regel automatisch ein. Hier sitzt das Modell nicht direkt auf dem Drucktisch, sondern auf einem Fundament aus lauter kleinen Säulen.

Die Software von Formlabs bietet zum Beispiel eine Layout-Automatik für die Druckvorbereitung, die nicht nur den optimalem Platz für ein Werkstück, sondern auch seine Orientierung wählt. Die wirkt für FDM-Kenner oft befremdlich, denn gerade Modelle mit großer Grundplatte ordnet die Software gerne mal gekippt und vielfach gestützt an. Fertigungstechnisch scheint das günstiger zu sein – in unseren Tests erwies sich die Strategie der Software in der Regel als erfolgreich. Anders als bei schmelzgeschichteten Objekten erkennt man bei Stereolithographien mit bloßem Auge bei feiner Auflösung keine Schichten mehr und auch für die Stablilität hat die Richtung der Schichten offenbar keine Auswirkung.

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Zaubern können die günstigen Stereolithographie-3D-Drucker (noch) nicht: Ein funktionsfähiges "Brain Gear" aus einem Stück bekam man damit zumindest 2016 noch nicht produziert – allein das Entfernen der Stützen erfordert einige Stunden konzentrierter Arbeit.

Druckt man ein identisches Objekt einmal mit einem FDM-Drucker und einmal auf einer Stereolithographiemaschine, so brauchte letzteres vor ein paar Jahren noch etwa drei- bis viermal so lang und verbraucht Material zum etwa zehnfachen Preis. Der Zeitvergleich sieht heute (Stand 2022) deutlich anders aus: Durch DLP und vor allem LCD haben gerade die kleinen und günstigen Resin-Drucker zeitlich aufgeholt, um nicht zu sagen, sie haben die Nase vorn: Aktuelle LCD-Drucker wie der Prusa SLS1 Speed oder der Anycubic Photon M3 Plus brauchen selbst bei kleinen Objekten und mit einer Z-Auflösung in 0,05 mm dünne Schichten deutlich weniger Druckzeit als ein FDM-Drucker für dasselbe Objekt bei mindestens doppelt so dicken Schichten.

Das Harz ist immer noch teurer als Filament, aber man hat in der Regel freie Wahl beim Lieferanten, nur die Wellenlänge, auf die das Harz reagiert muss zur Lichtquelle des Druckers passen. Hinzu kommen aber noch Kosten für Drucktisch und Harzbecken – beide Teile existieren in der Grauzone zwischen Verbrauchsmaterial und Verschleißteil. Sobald die Tischfläche erste Riefen vom Spachtel zeigt oder das Harzbecken Trübungen am Boden, müssen diese Komponenten ausgetauscht werden, zum Preis von einigen zig Euro.

Auf der anderen Seite kann man den 3D-Drucker getrost über Nacht alleine werkeln lassen – maximal kann der Druck fehlschlagen, Brandgefahr wie bei Schmelzschichtgeräten besteht jedenfalls nicht. Und der fertige Kunstharzdruck zeigt Details, die beim ABS- oder PLA-Objekt in den Rillen zwischen den einzelnen Schichten verschwimmen würden.

Ausprobiert: Harz-3D-Drucker Original Prusa SL1 (21 Bilder)

Die Gitterstäbe des Petrin Tower bekommt der DLP-Harz-Drucker SL1 von Prusa Research deutlich feiner und sauberer hin als die Schmelzschichtmaschine i3 MK3S desselben Herstellers. Vor allem spielt die Ausrichtung des Objekts im Bauraum nicht die entscheidende Rolle wie im FDM-Druck, da die Schichten am Ende kaum zu sehen sind.

Uns gelingt es in unseren Tests von Resin-Maschinen aber nach wie vor immer wieder, Fehldrucke zu produzieren: In der Oberfläche klaffen Krater und Löcher, Teile von Objekten gehen verloren, Drucke zeigen deutliche horizontale Rillen, obwohl die einzelnen Schichten 0,025 Millimeter fein angelegt sind. Vermutlich verursachen wir alle diese Fehler durch Unachtsamkeit bei der Druckvorbereitung: Zu vollgepackter Bauraum, ungünstige Anordnung und Orientierung der einzelnen Objekte, ein nicht ausreichend auf Harzkrümel durchkämmtes Becken, Flecken auf dem Beckenboden – wer weiß. Als Stereolithographien lassen sich überwältigende 3D-Drucke erzeugen, aber bis danhin braucht es ebenso viel Geduld, Experimente und Hingabe, wie wenn man einen FDM-Drucker ausreizen will. Eine Einstiegshilfe bietet der Artikel "Richtig stützen bei Resin-3D-Druck" aus der Make-Ausgabe 3/20 (S.102).

Die Stereolithografie ist die älteste 3D-Druck-Technik und wurde bereits in den 80er Jahren entwickelt. Durch die 3D-Blogs geistert seit einiger Zeit der fossile Mitschnitt einer Good-Morning-America-Sendung von 1989, in der eine Stereolithografie-Maschine bei der Arbeit zu sehen ist. Das ist der wohl früheste Fernsehauftritt eines 3D-Druckers und heute noch sehenswert – nicht nur wegen der aus Haarspray in 3D betonierten Frisur der Ansagerin.

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