Selbstfahrende Autos: Fingerabdruck der Straße für exakte Navigation

Straßenbelag sieht für menschliche Augen eintönig aus, nicht aber für den Computer. Ein Systems namens Ranger kann Bodenfotos einem exakten Standort zuordnen und so ein KFZ während der Fahrt einweisen.

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 55 Kommentare lesen
Bodenmarkierung Richtungsweiser links oder rechts abbiegen

(Bild: zeevveez CC-BY 2.0 (bearbeitet))

Lesezeit: 4 Min.
Inhaltsverzeichnis

Ranger in schematischer Darstellung

(Bild: SwRI)

Selbstfahrende Autos könnten sich in Zukunft am Straßenbelag orientieren, wenn GPS nicht zur Verfügung steht. Forscher des Southwest Research Institute (SwRI) haben ein System namens Ranger entwickelt, das im Fahren den Straßenboden fotografiert und beim nächsten Mal wiedererkennt. Es besteht aus einer Kamera samt Leuchtdioden am Unterboden des Fahrzeugs, und einem Computer. Ranger wurde diese Woche auf der Drohnenmesse Xponential in New Orleans ausgestellt. "GPS ist die Achillesferse [autonomer Fahrzeuge]", sagte Ryan D. Lamm im Gespräch mit heise online, "Wir wollten einen anderen Zugang finden."

Lamm leitet am SwRI die Forschungsabteilung für angewandte Sensorik. Unter seiner Ägide haben die Forscher Kristopher Kozak und Marc Alban den Ranger entwickelt und die passenden Algorithmen gefunden. In Testfahrten verschiedener selbstfahrender Autos mit deaktiviertem GPS konnte Ranger die Fahrzeuge mit einer Genauigkeit von zwei Zentimetern steuern. Das ist gemessen in Fahrtrichtung; quer zur Fahrtrichtung ist die Schwankungsbreite höher.

Vom vernetzten zum autonomen Auto

Das System ist erstaunlich robust. Es funktioniert selbst bei Regenwassertiefen von bis zu fünf Zentimetern, oder wenn Blätter oder Schnee die Fahrbahn bis zu 70 Prozent abdecken. Der Boden mag aus Asphalt, Beton oder Pflastersteinen sein, und auch unbefestigte Straßen ("dirt roads") sind kein Problem, solange sie nicht schlammig sind. Als Höchstgeschwindigkeit für eine ausreichend flotte Ortsbestimmung geben die Forscher 130 km/h an.

Bei der erstmaligen Erfassung des Straßenbelags machen die Kameras 60 Bilder pro Sekunde. Im Ranger gespeichert werden aber nicht die kompletten Bilder, sondern nur als bedeutend eingestufte Merkmale. Dafür reicht etwa ein MByte Speicherplatz pro Kilometer und Fahrspur. Beim Dauereinsatz für Wiedererkennung und Ortung macht Ranger zehn Bilder pro Sekunde.

Weil einheitliche Beleuchtung die Erkennungsrate deutlich erhöht, leuchten LEDs den Straßenboden aus. Sie ziehen im Schnitt zehn Watt. "Die Beleuchtung macht den größten Teil des Energieverbrauchs aus", erzählte Lamm. Im Prototyp rechnet zwar eine Intel-i7-CPU, aber: "Das braucht es nicht. Das Ziel ist, eine Mobile-CPU oder -GPU zu verwenden, oder das überhaupt dem Bordcomputer des Fahrzeugs zu überlassen."

Nicht jedes einzelne Bild muss unbedingt zugeordnet werden können. Das Fahrzeug hat ja noch andere Sensoren, mit denen es seine Eigenbewegung verfolgt, was für kurze Zeit hinreichend genau ist. Daher macht es nichts aus, wenn kleine Straßenabschnitte frisch asphaltiert oder mit neuen Bodenmarkierungen versehen wurden. Übliche Verwitterung schadet den Angaben zu Folge ebenfalls nicht. Die Tests zeigten auch bei ein Jahr alten Vergleichsbildern keine Probleme auf.

Ryan Lamm mit einem Demonstrationsaufabau des Ranger-Systems auf der Xponential in New Orleans. Die Platten auf dem Tisch sind Asphalt-Fotos.

(Bild: Daniel AJ Sokolov)

In einem kommerziellen Ausbau könnten die teilnehmenden Autos selbst dazu beitragen, die Datenbank zu füttern und laufend zu aktualisieren. Es könnte aber auch sein, dass Straßenbetreiber dabei eine tragende Rolle spielen wollen, glaubt Lamm. Vielleicht senden eines Tages Antennen vor Tunneleinfahrten die erforderlichen Daten an Fahrzeuge.

Bis jetzt haben sich vor allem Autohersteller sowie Militärs für die Entwicklung interessiert. Ranger könnte aber mehr sein, als ein GPS-Backup. Der Einsatz bietet sich gerade dort an, wo es regelmäßig kein zuverlässiges GPS gibt, etwa im Bergbau, an hohen Breitengraden, oder in den bereits erwähnten Tunnels. Weitere Einsatzmöglichkeiten sehen die Forscher bei Schienennetzen. Züge könnten ebenfalls mit dem Ranger nach unten fotografieren, um Schäden an der Infrastruktur automatisch frühzeitig aufzuspüren.

Die Hardwarekosten des Prototypen liegen bei etwa 3.000 US-Dollar. "Das kann man aber viel billiger machen", war sich Lamm sicher, "In Stückzahlen für einen Bruchteil." Das SwRI ist eine nicht auf Gewinn ausgerichtete Forschungseinrichtung mit Hauptsitz in San Antonio, Texas. Sie wurde 1947 gegründet und befasst sich seit etwa zehn Jahren mit Technologien für autonome Fahrzeuge.

KFZ-Unterboden mit aktiviertem Ranger

(Bild: SwRI)

(ds)