Härtefrei

Im Test: Mercedes GLC 250

Der Mercedes GLC 250 hat das Zeug, selbst SUV-Gegner von sich zu überzeugen. Wie? Mit einer klassischen Tugend, die die Marke einst auf breiter Front auszeichnete: Er ist überaus komfortabel. Wie angenehm das sein kann, bewies er im Test

In Pocket speichern vorlesen Druckansicht 100 Kommentare lesen
Mercedes GLC 250 4Matic 29 Bilder

(Bild: Jessica von Ahn)

Lesezeit: 9 Min.
Von
  • Martin Franz
Inhaltsverzeichnis

München, 17. Juni 2016 – Für grundlegend unterschiedliche Ansichten zum Thema Auto muss man manchmal keine lange Wege zurücklegen. Meinem Kollegen Daniel sind Platzverhältnisse so unwichtig wie mir eine übermäßige Motorleistung – die Prioritäten könnten kaum unterschiedlicher sein. Ich brauche Platz für Kinder und mag eine gewisse Knauserigkeit beim Verbrauch, er reichlich Leistung, wofür das rund um München auch immer gut sein soll. Einig sind wir uns nur in einem, nämlich in der Ablehnung der allseits beliebten, hohen Sitzposition. Die Chancen, dass wir uns auf ein Auto verständigen könnten, sind also ausgesprochen gering. Und doch ist es geschehen, und das ausgerechnet bei einem Mercedes GLC. Der Testwagen hat einen gewissen Exotenstatus, denn er hat einen Benziner.

Die ersten drei Eindrücke

Die ersten Meter mit einem frisch angelieferten Testwagen legen wir in der Regel von einem Parkplatz vor dem Haus zum richtigen zurück, es sind keine 200 Meter. Für den ersten Eindruck gibt es keine zweite Chance, und im Mercedes GLC sind es gleich drei Eindrücke, die haften bleiben. Zum einen muss hier ein elektronischer Schlüssel im Zündschloss tatsächlich noch gedreht werden, wofür es technisch keinen Grund gibt – es wirkt etwas altmodisch, aber nicht unsympathisch. Eindruck Nummer zwei ist ein sehr leiser Motor. Nach vielen Dieselmodellen, die für sich betrachtet keine Brüller waren, wirkt diese Laufkultur wie eine Oase der Ruhe. Und schließlich unterscheidet sich der GLC durch ein mittlerweile ungewöhnlich sanftes Ansprechverhalten der Federung. Auf dem Weg zum Redaktionsparkplatz gibt es eine kleine Schwelle, die viele Autos einfach an die Insassen durchreichen. Der GLC scheint sie im Comfortmodus aufzusaugen. Es gibt sie also noch, die Autos, die auch federn können.

Diese ersten drei Eindrücke haben sich während der Ausfahrten verfestigt. Wer den Schalter für die „Agility Control“ im Comfort-Modus und das SUV gleiten lässt, wird kaum von Geräuschen und oder Fahrbahnunebenheiten belästigt. Der GLC bringt es trotz dieses Federungskomfort sogar fertig, dabei nicht schaukelig zu wirken. Dieser Komfort ist selten geworden, vielleicht erliegt man ihm auch deshalb so schnell. Ganz nebenbei wird diese Gangart mit Verbrauchswerten um 8 Liter herum belohnt – wohlgemerkt, wir reden hier von einem SUV mit einem 211-PS-Benziner und einem Leergewicht von 1735 Kilogramm.

Hektik beim sortieren

Mit der Umstellung auf „Sport“ wird das Fahrwerk etwas straffer, doch vor allem ändert sich die Schaltstrategie des Getriebes, was zu einer gewissen Hektik führt. Das Gedankenspiel der Elektronik scheint nicht immer nachvollziehbar und zeigt sich etwa dann, wenn auf der Landstraße überholt werden soll: Ein spontaner Tritt aufs Gas führt zum Runterschalten, kurz antesten, noch ein Gang runter, wieder kurz antesten, noch ein Gang runter – und dann geht’s mit Verve vorwärts.

Die gefühlten drei Sekunden bis es losgeht reichen, um beim manchem Verfolger, der beim Überholen auf die Potenz des GLC 250 vertraut hat, hektische Flecken im Gesicht zu erzeugen. Bei dem dann folgenden, hohen Drehzahlniveau ist auch der Motor zu vernehmen, wobei man auf das, was dann zu hören ist, gern verzichten würde. Der Vierzylinder ist zwar gut gedämmt und wird auch nie wirklich laut, einen besonders tollen Klang wird ihm wohl aber niemand zugestehen.

Zu viele Gänge

Viel entspannter würde der Antriebsstrang wirken, wenn er sich statt emsigem Sortieren in den neun Gängen auf die Kraft des Motors verlassen würde. Das kennen wir gerade von Mercedes besser. Ganz nebenbei klärt sich damit auch die Frage, wie viele Gänge es nun sein sollen: Hier hätten es keine Neun sein müssen – Sechs oder Sieben wären vermutlich kaum schlechter.

Schlägt der Fahrer eine gemäßigte Gangart ein, passt das Zusammenspiel von Antrieb und Getriebe viel besser. Mehr Leistung und Drehmoment befand nicht einmal Kollege Daniel für unbedingt nötig, was ungewöhnlich ist. Der GLC 250 vermittelt eigentlich stets das Gefühl, ausreichend Kraft zu haben – nicht mehr, aber eben auch nicht weniger. Wer nicht besonders darauf achtet, wird wohl meist zwischen zehn und elf Litern Verbrauch liegen, wobei die Grenze nach oben von uns nicht getestet wurde.

Mit den hierzulande mehrheitlich verkauften Diesel-Versionen wäre man sparsamer unterwegs, doch der Benziner hat seinen Reiz. Der M274 wird in zahlreichen Modellen verbaut, als M270 auch im Quereinbau. Dabei gibt es beträchtliche Unterschiede. Im A 250 beispielsweise läuft er mit homogener Gemischbildung, im GLC dagegen mit Schichtladung. Die erfordert einen höheren Aufwand bei der Abgasnachbehandlung, denn im mageren Bereich des Brennraums herrschen höhere Temperaturen als im Bereich mit stöchiometrischen Gemischbildung. Damit entstehen vermehrt Stickoxide, für die es eine entsprechende Abgasnachbehandlung braucht. Im GLC gibt es auf Ein- und Auslassseite eine Phasenverstellung der Nockenwellen. Bei der Vorstellung des Motors 2012 ging Mercedes übrigens intensiv auf die Möglichkeiten eines Betriebs mit Erdgas ein. Zumindest bislang hat man von dem Potential, dass in einem Artikel in der MTZ zur Vorstellung der neuen Motoren ausführlich besprochen wurde, nur zweimal Gebrauch gemacht: In B- und E-Klasse wurden entsprechend umgerüstete Motoren angeboten.

Obwohl der GLC zu einem straffen Tempo locker in der Lage ist, empfanden alle Fahrer seine eigentlichen Talente als wichtiger. Im Vordergrund steht dabei sein vorzüglicher Komfort, der sich im Wesentlichen aus bequemen Sitzen mit weitem Verstellbereich, geringem Geräuschniveau und einer nachgiebigen Federung zusammensetzt, wobei letztere nicht auf das zügige Umfahren von Hütchen hin optimiert ist. Man kann mit dem GLC einfach stressfrei fahren, wenn es sein muss, auch schnell. Genau das hebt ihn von vielen anderen Autos ab. Dazu kommen ein gutes Platzangebot für Mensch und Gepäck sowie eine akkurate Verarbeitung. Im Testwagen war im Bereich der Mittelkonsole schwarz glänzendes Plastik verbaut. Davon raten wir ab: Die empfindliche Oberfläche zieht Staub an und verkratzt sehr schnell.

Bedienung: Nicht intuitiv

In einen anderen Punkt aber erfordert der GLC Zugeständnisse oder vielmehr die Bereitschaft, sich in ein doch recht komplexes System einzuarbeiten. Im Testwagen war das große Navigationssystem Comand eingebaut, dessen mit unter etwas knifflige Zugänglichkeit wir schon in C- und V-Klasse kritisiert haben. Ein Beispiel: Wer auf dem aufgepappten Bildschirm auf der Mittelkonsole die Navi-Karte und im Kombiinstrument den Bordcomputer eingeblendet hat, kann ohne Umwege nicht Musiktitel oder Radiosender wechseln. Mag sein, dass es Menschen wie meinen Kollegen Daniel gibt, die das nicht stört – mich nervt so etwas im Alltag. Mit einem Trick gibt es immerhin eine Abkürzung: Mit zwei Fingern über das Touchfeld von unten nach oben streichen, und schon gibt es für ein paar Sekunden die Möglichkeiten, mit einem Wisch nach links oder rechts den Wechsel zu vollziehen – steht in der Anleitung, die kaum einer liest. Ohne sie bleiben aber zahlreiche Funktionen sicher ungenutzt.

Mit der verständnisvollen Sprachsteuerung lassen sich so manche Umwege vermeiden, die Eingabe eines Ziels in das Navigationssystem geht damit sehr rasch. Auch der umfangreiche Bordcomputer ist über die Lenkradtasten schnell und einfach zu bedienen. Bisweilen ist Mercedes aber einfach auch über das Ziel einer leichten Bedienung hinausgeschossen. Läuft eigene Musik, gibt es zwei Zeitanzeigen: Eine, die anzeigt, wie lange der Titel schon läuft und eine für die Restzeit. Sehr positiv ist uns das farbige Head-up-Display aufgefallen: gut strukturierte Anzeigen, großer Blickwinkel – hier ist beispielsweise der Peugeot 508 mit seiner kleinen Scheibe erheblich schlechter.

Der Testwagen kam inklusive umfangreicher, keinesfalls aber kompletter Ausstattung auf einen Listenpreis von rund 63.000 Euro. Oder, um es anders auszudrücken: Im Testwagen waren Extras im Werte von rund 19.000 Euro installiert. Zu den möglichen, finanziellen Schwergewichten zählen Dinge das Fahrassistenz-Paket Plus, Lederbezüge, Navigationssystem Comand und LED-Intelligent Light System. Ob es das alles braucht? Der Kunde hat die Wahl: Mit dem kleinen Navigationssystem vom Zulieferer Garmin kommt man auch ans Ziel – es kostet nur ein Drittel vom Comand-Zuschlag. Die „LED High Performance-Scheinwerfer“ kosten 700 Euro weniger als das „LED-Intelligent Light System“ und sind mit Sicherheit keine Funzeln. Zwei von zahlreichen Beispielen, die zeigen, dass nicht jedes Extra die Freude am Gleiten zwangsläufig weiter steigert.

Die Kosten für die Überführung übernahm Mercedes, jene für Kraftstoff der Autor. (mfz)