Abgasbetrug: Volkswagens juristische Baustellen

Bei der Bewältigung der Abgaskrise kämpft VW an mehreren Fronten in mehreren Ländern. Ein erster Vergleich in den USA, wo die Affäre begann, könnte ein wichtiger Schritt werden. Doch Baustellen bleiben

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Abgasbetrug: Volkswagens juristische Baustellen
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Von
  • Florian Pillau

Volkswagen muss sich weltweit wegen des Abgasbetrugs vor Gericht verantworten. In vielen Ländern gibt es Klagen und Ermittlungen – ob in den USA, Südkorea, den Niederlanden oder Deutschland. Weltweit wollen enttäuschte VW-Fahrer auf zivilrechtlichem Wege Schadenersatz einklagen.

In den USA haben der Konzern, Kläger und Behörden nach monatelangen Verhandlungen nun einen Vergleichsentwurf eingereicht. Dieser könnte Volkswagen bis zu 14,7 Milliarden US-Dollar (13,3 Milliarden Euro) an Entschädigungen, Rückkäufen, Reparaturen, Strafen sowie Umweltinvestitionen kosten. Der Richter Charles Breyer in San Francisco, bei dem viele Klagen gebündelt sind, will bis Ende Juli über die Annahme entscheiden.

Nach dem Urteil in den USA fühlen sich nicht nur die deutschen Kunden benachteiligt.

(Bild:  h/A Archiv)

Anders als in Deutschland sind in Amerika Sammelklagen möglich. Dafür gibt es dort jedoch auch die Option, mit einem Vergleich alle Verfahren abzuräumen. Theoretisch hatten Volkswagen laut der Klageschrift in den Vereinigten Staaten bis zu 45 Milliarden Dollar Strafe gedroht.

In der Bundesrepublik urteilte das Landgericht Bochum in einem ersten deutschen Verfahren zwar, dass die Manipulationen keine Pflicht zur Rücknahme des Autos nach sich ziehen. Doch es gibt inzwischen auch andere Urteile. Bisher setzte sich VW in den meisten Fällen durch.

Hintergrund ist unter anderem die Frage, ob die Fälschungs-Software ein Mangel oder ein schwerer Mangel ist und ob Kunden deswegen vom Kauf zurücktreten können. In der EU gelten dafür Vorgaben, die dem Hersteller unter anderem das Recht einräumen, einen Mangel erst einmal zu beseitigen.

Insgesamt gehen Verbraucherschützer davon aus, dass es für Autobesitzer schwierig sein dürfte, am Ende Erfolg zu haben. Enttäuschte Kunden machen einen Wertverlust der Wagen geltend – etwa falls sich Leistungs- oder Verbrauchsdaten durch die notwendigen Umrüstungen verschlechtern. Volkswagen betonte allerdings mehrfach, alle betroffenen Autos seien "technisch sicher und fahrbereit".

Auch dürfte es in vielen Fällen für Besitzer schwierig sein, einen konkreten Schaden zu beziffern und ihn auch zu beweisen. Die Zahl der Verfahren scheint hierzulande auch übersichtlich: Laut VW bewegten die sich zuletzt im zweistelligen Bereich – bei allein 2,5 Millionen betroffenen Autos in Deutschland.

Spannend wird der Streit, wenn er bei den Oberlandesgerichten angekommen ist – mutmaßlich wird sich irgendwann auch der Bundesgerichtshof damit befassen müssen. Auch in Ländern wie Israel, den Niederlanden oder Südkorea gibt es Klagen.

Die Volkswagen-Aktie stürzte nach dem Ausbruch der Abgas-Affäre ab, viele Anleger wollen sich ihre Verluste vom Unternehmen erstatten lassen. Ihr Argument: Volkswagen hätte deutlich früher über die Probleme informieren müssen, weil Kursabschläge drohten. Mittlerweile haben auch Großanleger entsprechende Klagen lanciert, darunter der größte US-Pensionsfonds Calpers und die Sparkassen-Fondstochter Deka.

Anders als bei Gewährleistungsfragen gibt es Deutschland für Kapitalanleger ein Musterverfahrensrecht – also die Möglichkeit, ein Verfahren stellvertretend zu führen. Beim Landgericht Braunschweig sind dafür schon viele Klagen eingegangen, den ersten Schritt zu einem Musterverfahren ist das Gericht auch bereits gegangen.

VW ist der Überzeugung, alle Regeln für die Information der Kapitalmärkte eingehalten zu haben. Ob das tatsächlich so war, wird sich nicht schnell klären lassen. Eine erste mündliche Verhandlung in dem Verfahren wird es dieses Jahr wohl nicht geben, vergleichbare Prozesse haben sich bereits über Jahre gezogen.

Die Staatsanwaltschaft Braunschweig ermittelt in mehreren Verfahren gegen Verantwortliche und frühere Mitarbeiter des VW-Konzerns. Insgesamt laufen Verfahren gegen 26 mutmaßlich Beteiligte, bei 17 davon wegen der Software-Manipulation, etwa wegen des Verdachts des Betruges. Gegen 6 wird im Zusammenhang mit falschen CO2- und Verbrauchsangaben ermittelt, unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung und inzwischen auch gegen einen Mitarbeiter, der zu einer Datenlöschung aufgerufen haben soll.

Dazu kommen die beiden jüngsten Verfahren: Die Ermittler gehen dem Verdacht nach, Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und der amtierende VW-Markenchef Herbert Diess hätten die Finanzwelt zu spät über den aufgeflogenen Skandal ins Bild gesetzt und Informationen für Anleger unterdrückt. Auslöser ist eine Anzeige der Finanzaufsicht Bafin. Wann und ob es überhaupt zu Anklagen kommen wird, ist noch völlig offen.

Weitere strafrechtliche Ermittlungen werden in den USA geführt, dabei geht es unter anderem um Verstöße etwa gegen Umweltrecht. Auch in einigen anderen Ländern gibt es nach Angaben von Volkswagen Untersuchungen.

(dpa) (fpi)