Überleben im toten Winkel

Mercedes arbeitet an einem System, mit dem Trucker vor sonst schlecht zu sehenden Radfahrern und Fußgängern gewarnt werden.

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Inhaltsverzeichnis

Viele moderne Pkws warnen ihre Fahrer, wenn sich andere Verkehrsteilnehmer im toten Winkel des Rückspiegels befinden – etwa auf der Autobahn oder bei mehrspurigen Straßen in der Stadt. Das hilft regelmäßig beim Überholen und dem Wechseln der Fahrspur und dürfte tagtäglich so manchen Unfall verhindern. Je nach Komplexität des Systems warnt dabei ein Leuchtsignal im Spiegel oder das Auto gibt einen Warnton von sich. Denkbar ist aber auch ein Vibrieren des Lenkrads wie bei einem Spurhalteassistenten oder ein automatisches Gegenlenken, wenn der Fahrer nicht reagiert.

Bei Lkws könnte eine ähnliche Technik auch noch Unfälle mit Fußgängern und Radfahrern vermeiden. Gefahrensituationen entstehen hier insbesondere beim Rechtsabbiegen, weil der Fahrer Radwege und Übergänge überrollt und nicht bis ganz rechts hinten sehen kann, wer da denn fährt oder steht. Hinzu kommen Gefahren durch Personen, die in den toten Winkel des Lastwagens hineinlaufen.

Radfahrer, die neben einem Lkw unterwegs sind, leben gefährlich.

(Bild: Mercedes)

Mercedes-Benz Trucks will hier Abhilfe schaffen und hat einen Abbiegeassistenten für genau solche Situationen entworfen. Radarsensoren sollen Fußgänger und Radfahrer erkennen, die der Trucker selbst nicht wahrnimmt.

In der Praxis funktioniert das so: Eine Warnlampe an der rechten A-Säule leuchtet auf, sobald eine Person erkannt wird. Erfährt die Bordelektronik dann etwa durch den Blinker, dass der Lkw-Fahrer rechts abbiegen möchte, fängt die Lampe zusätzlich an zu blinken, und aus den Lautsprechern kommt ein Warnton. Das System soll sich auch nachrüsten lassen.

Eine Totwinkelerkennung ist in Fahrzeugen der Oberklasse bereits häufig vertreten.

(Bild: Mercedes)

Preise hat Mercedes bislang noch nicht genannt. Die offizielle Vorstellung ist auf der IAA im September, Verkaufsbeginn zwei Monate später. Dann soll es auch ein Notbremssystem für frontale Fußgängerunfälle geben.

Der Abbiege-Assistent sei das erste lieferbare Assistenzsystem der Branche, das den Lkw-Fahrer bei Abbiegesituationen auf Fußgänger und Radfahrer aufmerksam macht und damit die Sicherheit im Stadtverkehr deutlich erhöhen kann, so Mercedes. Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) gehe davon aus, dass mit einem Abbiege-Assistenten künftig rund die Hälfte aller Unfälle zwischen Lkw und Fußgängern beziehungsweise Radfahrern vermieden werden könne.

Versuch auf einem Gelände von Mercedes.

(Bild: Mercedes)

Bis es soweit ist, muss sich das Verfahren aber zunächst einmal durchsetzen. Die verwendeten Radarsysteme sind technisch nichts grundsätzlich Neues. Sie stammen von im Auto erprobten Assistenzsystemen ab, die mittlerweile schon in der unteren Mittelklasse angekommen sind, nachdem sie dereinst nur in S-Klasse und Co. verfügbar waren. Mercedes-Benz Trucks ordnet sie im Rahmen der "Vision vom unfallfreien Fahren" ein, die sich der Konzern gegeben hat.

Dazu gehört auch das neue Notbremssystem für Fußgängerunfälle. Es ist konzernweit bereits die vierte Generation und soll ebenfalls ein Novum im Lkw darstellen. Während der Vorgänger etwa Unfälle an Stauenden vermeiden kann oder bei langsamen Vorausfahrern bremst, erkennt Active Brake Assist 4 (ABA 4) nun auch Objekte wie Fußgänger. ABA 4 soll auch dann einen Teilbremsvorgang einleiten, wenn etwa ein Kind auf die Straße läuft. (bsc)