Frauenmotorräder kommen langsam aber gewaltig
Die Motorradhersteller entwickeln seit Ewigkeiten ihre Modelle für Männer. Die Bedürfnisse der Frauen werden, wenn überhaupt, dann eher zufällig mitbefriedigt. Obwohl die Industrie künftig eine sinkende Nachfrage befürchtet, lässt sie auf diese Art bis zu fünfzig Prozent aller möglicher Kunden außen vor
- Ingo Gach
Die Motorradhersteller entwickeln seit Ewigkeiten ihre Modelle für Männer. Die Bedürfnisse der Frauen werden, wenn überhaupt, dann eher zufällig mitbefriedigt. Obwohl die Industrie künftig eine sinkende Nachfrage befürchtet, lässt sie auf diese Art bis zu fünfzig Prozent aller möglicher Kunden außen vor. Wenn sie endlich von dem Macho-Gehabe abließen, könnten die Motorradmarken in eine rosige Zukunft steuern.
Stellen Sie sich vor, die Hersteller eines bestimmten Produkts würden die Hälfte ihrer potenziellen Kunden ohne Not ausschließen. So dumm ist niemand? Dann haben Sie noch nie erlebt, wie eine Frau einen Motorradladen betritt, mit dem Wunsch, sich ein Motorrad zu kaufen. Es ist die letzte Macho-Bastion auf unserem Planeten.
Frauenmotorräder kommen langsam aber gewaltig (14 Bilder)

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich eine unfassbare Szene miterlebt: Der Kradverkäufer warf erst einmal einen skeptischen Blick auf das weibliche Wesen vor ihm und der unausgesprochene Vorwurf stand im Raum: „Was willst du Mädchen auf einem Motorrad?“ Er fragte gar nicht erst, welches Modell sie bevorzugen würde, sondern geleitet sie in die hinterste Ecke, wo verschämt ein kleiner Chopper einstaubte. Wie sehr sie Chopper hasste bekam der Verkäufer direkt von ihr um die Ohren gehauen. Als die Kundin erklärte, dass sie schon seit vielen Jahren auf Superbikes unterwegs sei, geriet seine Weltanschauung ins Wanken.
Kein Vorurteil vereinzelter Verkäufer
Wer bei „Frauenmotorrad“ nur an pink lackierte Roller denkt, hat gar nichts verstanden. Doch das Vorurteil, Frauen und Motorräder passen nicht zusammen, beschränkt sich nicht auf vereinzelte Verkäufer. Auch die Hersteller bemühen sich nicht ernsthaft, das schönere Geschlecht für ihre Produkte zu gewinnen. Der Begriff „Frauenmotorrad“ wird bis heute gleichgesetzt mit einem vernichtenden Urteil. Völlig zu Unrecht – es gibt einige Bikes denen dieser Ruf anhängt, aber sie erweisen sich bei näherer Betrachtung durch die Bank als sehr zuverlässige und benutzerfreundliche Motorräder.
Es gab zwar bereits Überlegungen zum Thema „Motorrad für Frauen“, aber die Umsetzung geriet daneben. BMW versuchte 2001 mit der F 650 Scarver ein Motorrad zu entwickeln, das bei der weiblichen Kundschaft punkten sollte. Der Fehler war, dass das Entwicklungsteam ausschließlich aus Männern bestand. Da die einzylindrige Reiseenduro F 650 GS bei Frauen recht beliebt war, entwickelte BMW aus ihr die Scarver. Mit viel Plastik, Riemenantrieb und ein großes Staufach anstelle des Tanks. Die Überlegung war wohl, dass Frauen ja immer viel Krempel mitschleppen und sie ihn irgendwo unterbringen müssten. Der aufgepfropfte Doppelscheinwerfer sollte vermutlich stylisch wirken und die extra niedrige Sitzbank einen sicheren Stand gewährleisten. Zumindest letzterer Ansatz ging zwar in die richtige Richtung, aber das Motorrad war hässlich. Hier wollte eine von Männern dominierte Welt Frauen vorschreiben, was sie als Motorrad gut zu finden hätten. Die F 650 Scarver wurde ein peinlicher Flop und verschwand rasch wieder in der Versenkung.