Geheimakte BND & NSA: Hilfe für den US-Drohnenkrieg

Die US-Basis im deutschen Ramstein ist ein Zentrum des Drohnenkriegs, dem viele Menschen zum Opfer fallen. Nach unzähligen Ausflüchten haben die USA und die Bundesrepublik das nun eingestanden. Der NSA-Ausschuss hatte sich zuvor lange um Antworten bemüht.

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Geheimakte BND & NSA: Hilfe für den US-Drohnenkrieg
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Inhaltsverzeichnis

Es waren schwere Vorwürfe, die Thomas Drake Anfang Juli 2014 bei der allerersten Zeugenvernehmung im NSA-Untersuchungsausschuss erhob. Schon in seiner sehr ausführlichen Eingangserklärung hatte der frühere Stratege des US-Geheimdiensts angekündigt, "schmutziges Wissen" über die Kooperation zwischen dem BND und dem "großen Bruder" jenseits des Atlantiks preisgeben zu wollen. Auf Nachfrage führte der 2005 zum Whistleblower mutierte Insider aus, dass von den Deutschen gelieferte Telekommunikationsdaten auch in das geheime Drohnenprogramm der US-Regierung und die dazu gehörenden extraterritorialen Tötungen eingebunden würden.

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Geheimakte NSA-Ausschuss

Der NSA-Ausschuss des Bundestags beleuchtet seit 2014 die Überwachungspraxis vor allem der deutschen Geheimdienste und macht dabei auch die Verschleierungsversuche der Regierung deutlich. heise online blickt in einer ausführlichen Serie zurück.

Die einzelnen Kapitel erscheinen im Wochenrhythmus und zwar in der folgenden Gliederung:

Deutschland fungiert im Drohnenkrieg Drake zufolge in zweifacher Hinsicht als Plattform: Zum einen werden die unbemannten Luftfahrzeuge aus hiesigen US-Basen heraus gesteuert, zum anderen die vom BND gelieferten Aufklärungsinformationen für das Treffen von "Kommando-Entscheidungen" genutzt.

Die Behauptung kam nicht überraschend, sorgte aus dem Mund eines quasi unter Eid aussagenden US-Amerikaners aber trotzdem für Furore. Im Mai 2013 hatte die Süddeutsche Zeitung bereits berichtet, dass einige der Hinrichtungen von Terrorverdächtigen insbesondere in Afrika "zumindest zum Teil made in Germany" seien: Im ferngesteuerten Krieg würden die Piloten "massiv von Deutschland aus unterstützt". Sie stünden in Kontakt "mit Analysten, Technikern und Offizieren des United States Africa Command (Africom), dessen Zentrale vor sechs Jahren in Stuttgart-Möhringen eingerichtet wurde".

Das "Herz" der Drohnen-Steuerung schlage in einem schmucklosen beigen Flachbau auf dem riesigen Gelände der US-Station im rheinland-pfälzischen Ramstein, berichtete die Zeitung weiter. Dort überwachten in einem "Air and Space Operation Center" (AOC) bis zu 650 Soldaten an 1500 Computern den Luftraum in Europa und Afrika sowie Aufnahmen von Überwachungsdrohnen auf riesigen Monitoren. Laut US-Armee werden in Ramstein auch Drohnen im Rahmen der US-Regionalkommandos Eucom und Centcom koordiniert, die für Osteuropa und den Nahmen Osten sowie Zentralasien zuständig sind.

Der Spiegel" meldete wenig später im Juni 2013 unter Berufung auf ein Snowden-Papier von 2005, dass Daten, die vom NSA-Stützpunkt in Deutschland abgefangen wurden, für extraterritoriale Tötungen verwendet worden seien. Vom Dagger Complex des US-Dienstes in Griesheim werden demnach "Ziele in Europa" überwacht. Eine NSA-Sprecherin habe erklärt, dass es dort auch einen "ausführlichen und engen Austausch" mit den deutschen Sicherheitsbehörden gebe.

Der NSA-Ausschuss beschäftigte sich erst von Herbst 2014 an mit der Rolle Deutschlands im unheimlichen Drohnenkrieg, der bereits vielen tausend Terrorverdächtigen und unbeteiligten Zivilisten das Leben gekostet hat. Die Abgeordneten näherten sich der Frage, ob auch menschliche Quellen des Bundesnachrichtendiensts direkt Informationen für Todesmissionen geliefert haben, zunächst über eine ominöse Tarneinheit der Sicherheitsbehörde an.

Rede und Antwort stehen sollte den Volksvertretern "Frau K.", die sich als schwieriger Fall entpuppte. Die Zeugin war bis Juni 2014 Leiterin der "Hauptstelle für das Befragungswesen" (HBW) mit 50 eigenen Analysten und etwa zehn Abgesandten eines US-Militärgeheimdienstes. Von 2008 an horchte die Einrichtung unter der schwammigen Legende rund 300 Flüchtlinge und Asylbewerber pro Jahr aus, ließ sich die Juristin aus den Fingern saugen.

Frau K.

(Bild: Stella Schiffczyk )

Generell lautete die Weisungsfrage der Zeugin zufolge, die Betroffenen darüber aufzuklären, dass "Informationen für die Bundesregierung" gesammelt werden und die Teilnahme an der Befragung freiwillig ist. Es habe ihnen auch verständlich gemacht werden sollen, dass die Maßnahme "keinen Einfluss auf das Asylverfahren hat". Sie gehe davon aus, dass ihr Team so auch vorgegangen sei. Nachprüfen habe sie das nicht können, da sie bei keiner Sitzung dabei gewesen sei, nur die Ergebnisse übermittelt bekommen und ansonsten die HBW "gesteuert" habe.

Ziel gewesen sei die "Informationsgewinnung zu zentralen Fragen" wie Politik und Wirtschaft nach dem Auftragsprofil der Bundesregierung, erläuterte die Referatsleiterin dem Gremium. Man habe etwa Interesse an der Brotversorgungslage gehabt, konstatierte sie zum Erstaunen der Parlamentarier. Nach Terrorzellen oder Kontaktdaten wie einer E-Mail sei nicht konkret gefragt worden.

Für den Ausschussvorsitzenden Patrick Sensburg war die Aussage wieder ein Offenbarungseid: Wenn der HBW mehr daran gelegen sei, "Brotpreise rauszukriegen" als Handynummern eines Gefährders "fühle ich mich nicht mehr sicher in diesem Land", meinte der Christdemokrat. Die Brotversorgungslage könne ja aber auch "zu einem Aufstand führen", ließ sich K. anfangs von dem Einwand nicht aus der Ruhe bringen.

Usus war es laut der HBW-Chefin, dass die US-Geheimdienstkollegen von der Defense Intelligence Agency (DIA), einem Pentagon-Arm, "im Team mit BND-Mitarbeitern" die Flüchtlinge befragten. Dieser Ansatz sei aber "aus personeller Hinsicht nicht durchzuhalten" gewesen. Die US-Amerikaner hätten Betroffenen so teils auch allein oder zusammen mit "gestandenen Praktikanten" gegenüber gesessen, um die Leistungsvorgaben ihres "Mutterhauses" zu erfüllen. Die berühmt-berüchtigten rüden Verhörmethoden der DIA seien ihr nur vom Hörensagen – "aus der Zeitung" – bekannt gewesen.

Letztlich seien im Rahmen des Auftrags doch auch Telefonnummern erhoben und der US-Seite zur Kenntnis gebracht worden, räumte die von den Abgeordneten gehörig in die Mangel genommene K. schließlich ein. Dies habe aber "nicht im Vordergrund" gestanden. Die Aussage ist trotzdem brisant, da anhand von Handynummern vergleichsweise einfach mehr oder weniger genau der Standort des zugehörigen Mobiltelefons ausfindig gemacht werden kann.

"Kommunikation ist keineswegs 'harmlos': Mit wem man wo telefoniert oder sich austauscht, wird im Extremfall im US-Drohnenkrieg dafür genutzt, Leute zu töten." Edward Snowden

Neben dem "Regelarbeitsgerät" Stift und Zettel seien auch "einige Laptops" im Einsatz gewesen, um Aussagen etwa zum Standort von Krankenhäusern insbesondere über Google Earth abzugleichen oder sich Notizen zu machen, konnten die Abgeordneten der immer perplexer wirkenden Agentin ferner aus der Nase ziehen.

Bei einbezogenen Satellitenbildern müsse man aber unterscheiden, ob aus Auskünften dazu "militärische" oder "militärisch-nutzbare", also taktische Daten hervorgingen, meinte K. auf Nachfragen hin. Letzteres sei selbst dann nicht zwingend, wenn ein Befragter ein Gebäude als "militärisch genutztes" ausmache. Der Grüne Hans-Christian Ströbele bezeichnete diese Einschätzung als "haarsträubend". Der Ex-Drohnenpilot Brandon Bryant gab später vor dem Gremium zu Protokoll, dass die Schützen neben Handynummern und Standortdaten just "Google Earth und Satellitenbilder" für die Zielerfassung genutzt hätten.

"Ihr Standort auf dem Planeten ist eines der sensibelsten Informationsstücke, das jemand von Ihnen besitzen kann." Google-Chef-Geograf Ed Parsons in Fast Company

Das Kanzleramt habe den BND nach Presseberichten über Ramstein und den Drohnenkrieg generell erneut "sensibilisiert", erinnerte sich die BND-Praktikerin noch. Demnach dürften militärisch-taktische Informationen wie Geodaten nicht an den US-Partner gelangen, bestimmte Quellen etwa aus Palästina und Libyen müssten gesperrt werden. Das HBW habe in Folge unter anderem "manipulierte" Geodaten oder anderweitig "bereinigte" Angaben weitergegeben. Die US-Amerikaner hätten sich daraufhin ihres Wissens nach nicht beschwert: "Wie hätten die auch darauf kommen sollen?"

Als Rechtsgrundlage für die gesamte Schnüffeloperation, bei der teils sehr private Daten verdeckt erhoben wurden, konnte die Juristin nach langem Hin und Her nur auf das BND-Gesetz allgemein verweisen. Die Volksvertreter zweifelten an, ob dieses Basis ausreichend gewesen sei, um etwa auch Informationen des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf) für "Vorgespräche" einzubeziehen.

Am Ende lagen bei K. die Nerven blank: "Ich bitte für heute, die Vernehmung zu unterbrechen", wandte sie sich an Sensburg, der zunächst "kein Wunschkonzert" durchführen wollte. Nach einem weiteren "Ich kann nicht mehr" der Zeugin ließ er sie aber doch gehen.

Der noch operativ tätige BND-Zeuge R. C. wollte es im September 2016 im Ausschuss dann im Gegensatz zu K. nicht von vornherein für unmöglich halten, dass für Drohneneinsätze nutzbare Informationen an den US-Partner gegangen seien: "Ausschließen kann ich gar nichts", konstatierte der damals 53-Jährige, der 2003 bis 2008 als Befrager und von 2009 bis September 2013 als Anführer und stellvertretender Dienststellenleiter bei einer HBW-Niederlassung tätig war. DIA-Kollegen hätten das Befragungswesen schließlich vor über 50 Jahren hierzulande erst entwickelt. Auch zu seiner Zeit hätten sie teils noch allein die Gespräche mit Asybewerbern geführt, wenn dies etwa aufgrund der Sprachkenntnisse oder sonstigen Eignung nahe gelegen oder kein anderer zur Verfügung gestanden habe. Die DIA sei "immer vor Ort präsent" gewesen und in die "Befrager-Community" vollumfänglich integriert gewesen. Außen vor gehalten worden seien die US-Geheimdienstler nur, wenn es sich um Angelegenheiten des "nationalen Interesses" gehandelt habe.

Vermutlich seien zumindest bis 2006 etwa Ortsangaben oder Handynummern manchmal in die Finger der US-Amerikaner gelangt, meinte der Zeuge. Auch später sei im Einzelfall eine Weitergabe noch möglich gewesen. Wenn die zwei "handverlesenen" US-Interviewer an seiner Dienststelle "selbst dran waren" mit einer Flüchtlingsbefragung, hätten sie ohnehin etwa auch Informationen zum Standort von Gebäuden abschöpfen können.

R. C. gab auch zu, dass die HBW "militärisch relevante" Informationen nicht genau definiert gehabt habe. Für ihn habe dazu beispielsweise auch die Lage und Ausstattung einer medizinischen Einrichtung gehört. Die Befrager hätten die in mehrstündigen Gesprächen "bis ins Detail" abgeschöpften Daten generell zunächst an die Auswertungsstelle weitergegeben. Dieser oblag es demnach, die Relevanz des Materials festzustellen und vor einem Austausch der Ergebnisse mit Partnern gegebenenfalls exakte Koordinaten auszumerzen. Praxis sei es gewesen, "Geokoordinaten zu entfernen". Informationen, die exakt auf ein Objekt hindeuteten, sollten so nicht in die Hände Dritter gelangen.

Deutlich redefreudiger als K. war der frühere Drohnensteuermann Brandon Bryant in der Sitzungswoche nach der Vernehmung der HBW-Chefin. Seine Aussage hätte packender kaum sein können. Alle für Tötungsmissionen herangezogene Daten vor allem aus dem Mittleren Osten und Afrika "sind über Ramstein gegangen", erklärte der knapp 30-Jährige dem Gremium: "Das war die zentrale Relaisstation."

"Ramstein hat das Töten ermöglicht." Ex-US-Pilot Brandon Bryant

Brandon Bryant

(Bild: heise online, Stefan Krempl)

Bryant hat nach eigenen Angaben zwischen 2007 und 2011 für die US-Luftwaffe 6000 Drohnenflüge mit 1626 tödlichen Abschüssen absolviert. "Wir hätten ohne Ramstein nicht gewusst, wo wir fliegen", führte er aus. Satelliteninformationen etwa könnten ohne die Station nicht in die USA übertragen werden. Es sei auch nur dort möglich gewesen, die gewaltigen Datenmengen in Echtzeit mit der Ausrüstung zu verarbeiten, die insbesondere für Live-Videoübertragungen benötigt würde. Drohnenmissionen hätten abgebrochen werden müssen, als die Verbindung in die Pfalz einmal stundenlang unterbrochen gewesen sei. Die Entscheidungen über Abschüsse hätten aber Militärführer in Stützpunkten in den Vereinigten Staaten getroffen.

Die in Afghanistan, Pakistan, Somalia im Irak und Jemen verwendeten Überwachungsdrohnen waren dem Zeugen zufolge mit zahlreichen Sensoren, Kameras und einem "Gilgamesh-System" ausgerüstet. Letzteres habe als eine Art fliegender "IMSI-Catcher", also als Ortungsgerät gedient. Damit habe man SIM-Karten und Gerätenummer von Mobiltelefonnummern verfolgen, SMS abhören, Handys per Triangulierung bis auf etwa sieben Meter genau orten und herausfinden können, wer mit wem in Verbindung gestanden habe. Diese Metadaten seien von einem speziellen Funkaufklärer ausgewertet worden, der an einem anderen Ort gewesen sei.

Die Videodaten sind laut Bryant von einem separaten "Screener" gesichtet und teils mit Informationen von menschlichen Quellen auf dem Boden angereichert worden. Die Auswertungen seien bei den militärischen Zielaufklärern zusammengeflossen. Von diesen hätten die Drohnenpiloten die Anweisungen bekommen, bestimmte Personen zu verfolgen oder etwa Häuser zu beobachten. Die hinter den Aufträgen stehenden Behörden mit drei Buchstaben wie CIA oder NSA gälten als "Kunden", erklärte der Ex-Militär. Sie seien eng in den ganzen Auswahlprozess eingebunden, aber als Zivilisten nicht Teil der Kommandokette.

Die Aussage des Ex-NSA-Chefs Michael Hayden, dass die USA auf Basis von Metadaten töteten, bestätigte Bryant. Schon bei der zweiten Hellfire-Rakete, die er als Kopilot abgefeuert habe, sei das Ziel aufgrund eines Mobiltelefons zum Abschuss freigegeben worden, das in einem bestimmten Gebäude geortet worden sei. Vor allem Standortdaten von Handys würden verwendet, um "hochklassige" Ziele wie den 2011 von den USA getöteten vermutlichen Al-Quaida-Anhänger und US-Bürger Anwar al-Awlaki auszumachen.

Zu "Kollateralschäden" unter Zivilisten ist es laut dem Zeugen immer wieder gekommen. Die Flieger hätten Menschen in verschiedene Gruppen eingeteilt, "Raben und Krähen" seien als Kennzeichen für Frauen und Kinder verwendet worden, die besonders geschützt werden müssten. Jungen über 12 Jahren hätten aber schon als legitimierte Ziele gelten können, was wohl UN-Konventionen widerspreche.

Man habe versucht, Individuen nach Körpertypen zu differenzieren, gab Bryant zu Protokoll. Eine Identifizierung einzelner Personen sei aber "sehr schwierig" gewesen, da sich viele der ins Visier genommenen gleich gekleidet und bewegt hätten.

Der Ex-Pilot bezeichnete sich selbst offen als "Teil der Tötungsmaschinerie", die aus einer überschaubaren Gruppe von 3000 Beteiligten bestehe und bis zu 56 Missionen parallel gefahren habe: "Wir sind Menschenjäger." Eine echte Kontrolle habe es nicht gegeben: "Keiner kümmerte sich darum, ob wir das Richtige taten." Er habe seinen Job aufgegeben mit dem Gefühl, vielfach gegen ethische und moralische Auflagen und seinen Eid verstoßen zu haben.

Zuvor hatte Bryant bei einem Symposium in Berlin betont: "Todesdrohnen sind die feigeste Art der Kriegsführung." Der "geheime Krieg" verletzte sämtliche militärischen Ehrenkodizes, die bislang kämpferische Auseinandersetzungen "zivilisieren" sollten. Das Töten aus heiterem Himmel sei keineswegs so "sauber, chirurgisch und anti-septisch", wie es die US-Regierung darzustellen versuche. Es handle sich nicht um ein Videospiel.

Seine tiefen Einblicke in das System erklärte der jüngst mit einem Whistleblower-Preis ausgezeichnete Zeuge im Ausschuss damit, dass er "neugierig und gelangweilt" gewesen sei und viele Fragen gestellt habe: "Ich wollte soviel lernen, wie ich konnte." So habe er während seiner Zeit im Irak einmal mit einem Funkaufklärer gesprochen, der ihn vor Ort herumgeführt und die Abläufe gezeigt habe.

Beim Ausscheiden aus der Air Force sei ihm gesagt worden, dass er über seine Tätigkeiten erst nach 70 Jahren reden dürfte, erinnerte sich Bryant. Mit rechtlichen Schritten sei er trotz seines Gangs auch an die Medien aber bisher nicht bedroht worden. Allein vormalige Kollegen hätten sich mehrfach wie "Idioten" verhalten und ihn beschimpft.

Über die Bedeutung Ramsteins müsste die Bundesregierung im Bilde sein, vermutete der Insider. Auf dem Kopf von Geheimdokumenten über die Funktion der US-Basis in der Pfalz, die er während seiner Ausbildung zu Gesicht bekommen habe, sei eine Freigabe für Großbritannien, die USA und Deutschland verzeichnet gewesen.

Dies legen auch Dokumente nahe, aus denen der Spiegel und das Online-Magazin The Intercept im Frühjahr 2014 zitierten. Demnach teilte eine Abteilung der US Army 2011 etwa dem Verteidigungsministerium mit, in Kürze in Ramstein eine Relaisstation für Drohneneinsätze in Form eines Antennenfelds zum Übermitteln von Informationen aus dem Feld fast in Echtzeit errichten zu wollen. Damit werde ein "einzigartiges Kontrollzentrum" für den Einsatz von "Predators", "Reapers" und "Global Hawks" geschaffen, habe es schon damals geheißen.

Die deutsche Diplomatie wäscht ihre Hände trotzdem in Unschuld. Jürgen Schulz, Ministerialdirigent im Außenministerium, legte nach Bryant im Dezember 2014 im NSA-Ausschuss dar, dass die US-Todesmissionen im Anti-Terror-Krieg nicht pauschal für völkerrechtswidrig erklärt werden könnten. Dabei komme es juristisch "sehr auf den Einzelfall an", also etwa, welche Partei beteiligt sei. Mögliche Rechtsverstöße müssten so auch "die Justizbehörden prüfen". Das Auswärtige Amt sei dafür – es war zu erwarten – nicht zuständig.

Die Rolle Ramsteins sei nur schwer einzuschätzen, meinte der Unterabteilungsleiter. Er habe vor wenigen Monaten einen "Informationsbesuch" vor Ort durchgeführt, berichtete er. Zwei kommandierende Generale hätten ihm und seinen Begleitern dort versichert, dass die unbemannten Todesflieger "nicht von Ramstein aus gesteuert", nicht befehligt und auch nicht "kontrolliert" würden. Das ist die übliche schwammige Sprachformel, die offen lässt, welche Bedeutung die Basis tatsächlich für die USA hat. Zu darüber hinausgehenden operativen Details wollte sich die andere Seite dem Diplomaten zufolge aufgrund "höchster Vertraulichkeitsgrundsätze" schlicht nicht äußern, sodass der Fall für die Bundesregierung wieder einmal weitgehend erledigt war.

"Wir haben die Amerikaner danach gefragt, aber sie haben sich nicht geäußert." Jürgen Schulz

Die gesamte Kaserne, die den Umfang einer Kleinstadt hat, konnten die Regierungsvertreter nach Angaben Schulz' nicht inspizieren. Gesehen habe man ein "normales militärisches Operationszentrum mit vielen Bildschirmen und Verbindungen zu vielen Orten". Er habe nicht den Eindruck gewonnen, dass es sich um einen "Drohnen-Luftwaffenstützpunkt" handle.

Die Bundesregierung hatte 2014 einen ausführlichen Fragenkatalog zu Ramstein gen Washington geschickt. Zuvor sollen zu dem Thema mit dem Partner viele Gespräche geführt worden sein, etwa auch mit Africom in Stuttgart. Die USA hätten die nach den Snowden-Enthüllungen drängenden Fragen schließlich "durch eine hochrangige Vertreterin im Außenministerium" mündlich "zum größten Teil beantwortet", hielt der Regierungsvertreter fest: "Wir bleiben zu diesem Thema in vertraulichem Dialog."

Es gebe ein Interesse an mehr Details, zeigte sich Schulz unzufrieden mit dem Erreichten: "Wir drängen den Partner, noch weitergehende Informationen zur Verfügung zu stellen." Eine rechtliche Handhabe dazu gebe es aber nicht: "Die Amerikaner betreiben ihre Liegenschaften in eigener Verantwortung."

Er sehe "in der Regel" keine Möglichkeit, gegen den Einsatz Ramsteins als Datenaustauschpunkt "juristisch zu intervenieren", ergänzte wenige Tage später der Völkerrechtsberater der Bundesregierung, Michael Koch, in dem Gremium. Man könne nicht vorbringen, dass die USA in Ramstein den Nato-Truppenstationierungsvertrag verletzten, führte der Ministerialdirigent im Auswärtigen Amt aus. Dieser besage zwar, dass das "Recht des Aufnahmestaates ausnahmslos zu beachten" sei. Damit komme man in der Sache aber nicht weiter, müsste sie höchstens "politisch angehen".

Der Generalbundesanwalt habe in zwei vor deutschen Gerichten anhängigen Klagen von Angehörigen von Drohnenopfern gegen die Bundesrepublik dargelegt, dass die Tötungen in einem "bewaffneten Konflikt" stattgefunden hätten und "legitime Ziele" gewesen seien, erläuterte Koch. Der Einsatz verhältnismäßiger tödlicher militärischer Gewalt sei unter diesen Umständen gerechtfertigt.

Koch verstrickte sich bei seiner Vernehmung teils in Widersprüche. So erklärte der frühere deutsche Botschafter in Pakistan zunächst, ihm sei nicht bekannt, dass der BND Informationen an andere ausländische Geheimdienste wie die NSA weitergebe, die für Drohnenschläge genutzt werden könnten. Andererseits wusste er aber Bescheid über einen rechtlichen "Disclaimer", der mit derlei Transfers standardmäßig verknüpft werde.

Im Ausschuss kam ein konkreter derartiger Hinweis zur Sprache, wonach weitergegebene Daten wie Verbindungs- und Standortinformationen nicht als Grundlage für unangemessene Sanktionen wie Folter oder "Verurteilung zum Tode" verwendet werden dürften. Für körperliche Gewalt seien sie ferner nur bei Gefahr eines unmittelbaren Angriffs heranzuziehen. Koch bezeichnete solche Klauseln als "Versuch, so etwas einzuhegen". Es handle sich angesichts der "relativ präzisen Sprache" nicht um ein "rechtliches Nullum".

Die "Sach- und Dienstaufsicht" des Bundeskanzleramts hat diesen Titel derweil nicht ernsthaft verdient. Albert Karl, der seit August 2013 das einschlägige Referat 603 in der Regierungszentrale leitet, gab bei seiner Vernehmung im November 2014 jedenfalls kein gutes Bild ab.

Mit der Rechtsgrundlage für die Befragung von Flüchtlingen durch die HBW und die DIA habe er sich "nicht gesondert befasst", gab der Politologe zu Protokoll. Ob es rechtswidrig gewesen sei, dass DIA-Mitarbeiter die Flüchtlingsgespräche teils selbst übernommen hätten, könne er nicht sagen. Er habe davon ausgehen müssen, dass diese Konstruktion legal gewesen sei.

Am 25. November 2013 erteilte Karl der BND-Leitung trotzdem per E-Mail die Weisung, dass der DIA Asylbewerber nur noch "im Beisein" von Mitarbeitern deutscher Kollegen erfolgen dürfe. Dazu habe er sich aufgrund der Rahmenbedingungen entschlossen. Ob der konkrete Auslöser ein kritischer Zeitungsartikel über die Praktiken der HBW gewesen sein könnte, vermochte der 52-Jährige nicht zu sagen. Er habe auch nicht nachgefasst, wie oft die US-Agenten derart tätig geworden seien. Der BND habe schließlich auch eine Eigenverantwortung.

2014 löste der BND die HBW unter Protesten ausländischer Partner auf und versuchte, die Flüchtlingsbefragung direkt in die Herkunftsländer zu verlagern. Dies sei aufgrund einer internen BND-Kontrolle passiert, erläuterte Karl. Er habe keinen Verdacht geschöpft, dass Drohneneinsätze unterstützt werden könnten. Abgefragte Mobilfunknummern wären dazu auch ungeeignet gewesen. Meldungen über Ortsangaben seien "bereinigt", also geographisch grob gefasst und so "unkenntlich" gemacht worden. Zumindest den Oppositionsvertretern erschloss sich letztlich nicht, dass das Kanzleramt ernsthaft herauszubekommen versuche, was der BND alles anstelle.

Auch Juristen und Militärs aus dem Bundesverteidigungsministerium verneinten in Folge im Ausschuss, dass Deutschland in den US-Drohnenkrieg verstrickt sei. "Wir haben keine Erkenntnisse über gezielt völkerrechtswidrige Drohneneinsätze", befand Stefan Sohm, Ministerialrat im Verteidigungsressort. Man habe auch noch keinen entsprechenden Schlag juristisch bewertet, da es dazu von deutscher Seite aus keinen Anlass gebe. Die Bundeswehr beteilige sich nicht an derlei Einsätzen.

Zu der bereits erwähnten Praxis, dass deutsche Stellen Zieldaten verfälschten, um extraterritoriale Tötungen zu verhindern, war dem Juristen nach eigenem Bekunden "nichts bekannt". Generell würden Informationen weitergegeben, wenn sie Vorgaben und Zweck der Operation entsprächen. "Targeting" sei zwar ein "Reizbegriff". Damit habe "Killing" aber "erst mal gar nichts" zu tun. Es handle sich um einen allgemeinen Fachbegriff für militärische Operationen, versuchte Sohm abzuwiegeln, "mit denen Ziele identifiziert werden".

Weitere Aufschlüsse über Ramstein und Drohenangriffe erhofften sich die Ausschussmitglieder im März 2016 mit Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier von einem prominenten Zeugen. Vergeblich, wie sich gleich vorwegnehmen lässt. Der SPD-Politiker, der als langjähriger Drahtzieher auch im Bundeskanzleramt als Schlüsselfigur gehandelt wurde, erwies sich als "Teflon-Zeuge", wie André Hahn von den Linken konstatierte. Er ließ die meisten Fragen der Abgeordneten an sich abperlen wie Wasser, stellte die Kooperation mit den USA als absolut notwendig im Kampf gegen den Terror dar und kämpfte mit den auch von anderen Vernommenen bekannten Erinnerungslücken in Detailaspekten.

Frank-Walter Steinmeier (re.) mit Patrick Sensburg

(Bild: heise online/Stefan Krempl)

Die allgemeine Linie, die Steinmeier verdeutlichte, war wenig kämpferisch: Die Bundesregierung sei an klaren Grenzen gestoßen, Informationen aus den Snowden-Enthüllungen rund um das Ausmaß der NSA-Überwachung und die Rolle hiesiger Einrichtungen im Drohnengemetzel aufzuklären.

Er selbst mit dem damaligen US-Verteidigungsminister Chuck Hagel im Frühjahr 2014 über Ramstein und Africom gesprochen. Ferner befänden sich "politische Direktoren" verschiedener Ressorts "im Gespräch" über diesen wunden Punkt mit US-Pendants.

Bisher habe Berlin "keine abschließende Antwort" erhalten, sehe sich aber weitgehend die Hände gebunden, meinte der Chef des Auswärtigen Amtes leicht resigniert: "Man kann nachfragen, erneut nachfragen oder versuchen, politischen Druck zu entfalten." Letztlich wäre es möglich, den Aufenthalt von US-Truppen auf deutschem Staatsgebiet zu untersagen. Er halte dies aber nicht für einen angemessenen Umgang unter Partnern und für unverantwortlich aus Sicherheitssicht.

"Was sollen wir mehr erhalten als Obamas Versicherung?" Frank-Walter Steinmeie

Von deutscher Seite ist nach Steinmeiers Verständnis "kein Material" für den geheimen Krieg Washingtons zugeliefert worden. Dass Bryant sowie die Leiterin der ehemaligen "Hauptstelle für Befragungswesen" auch hier anderes berichtet hatten, erschloss sich ihm nicht: Er könne nicht bestätigen, dass von der Tarnorganisation des Bundesnachrichtendiensts beim Aushorchen von Flüchtlingen Informationen wie Telefonnummern oder Geodaten "gewonnen wurden, die für Drohnenschläge genutzt werden konnten".

"Wir haben uns bemüht, gemeinsam mit den Amerikanern Konfliktherde in der Welt zu entschärfen", gab der langjährige Chef des Bundeskanzleramts als Losung aus. Diesen Ansatz dürfe man "nicht vermengen mit dem Ärger darüber, dass ich möglicherweise selbst abgehört wurde". Auch dieses heikle Thema habe er gegenüber den USA angesprochen. Die Standardantwort laute, dass sich Washington nicht in der Lage sehe, über Einzelheiten geheimdienstlicher Operationen Auskunft zu geben.

Insgesamt fassten Vertreter der Koalition den Promi aus dem Kabinett mit Samthandschuhen an. "Ich bohr jetzt ungern so nach", bekundete etwa der Ausschussvorsitzende Patrick Sensburg schon frühzeitig. An anderer Stelle unterstrich der CDU-Politiker, dass er Steinmeier "nicht zum Spekulieren verleiten" wolle. Von seiner eigenen Partei hatte der Minister eh kein Ungemach zu befürchten. Die Grünen hielten sich ebenfalls weitgehend zurück, vermutlich aufgrund ihrer Regierungsbeteiligung rund um den 11. September 2001.

So blieb es der Linksfraktion überlassen, den Chefdiplomaten aus seiner stoisch vorgetragenen Ruhe zu bringen. Unwirsch reagierte Steinmeier etwa, als Hahn von ihm Einzelheiten zum Truppenstatut und zur potenziellen Strafverfolgung rechtsbrüchiger Überwacher hierzulande wissen wollte. Den Oppositionsmann blaffte Steinmeier an, als dieser mehrfach eine Antwort einforderte: "Überreizen Sie ihre Möglichkeiten mal nicht gleich so hochmütig."

Die Drohnen-Episode war damit im Ausschuss aber noch keineswegs beendet. Kurze Zeit nach Steinmeier beschied ein unter dem Tarnnamen "Folker Berfuß" eingeführter Gruppenleiter im Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV), dass auch der Inlandsgeheimdienst Informationen an US-Partner übermittelt habe, die diese theoretisch für extraterritoriale Tötungen verwenden könnten. Der Staatsschützer gab zu: "Es kommt vor, dass Handynummern weitergegeben werden."

Von der Möglichkeit, etwa per Triangulation oder über das Data-Mining-Programm "Skynet" der NSA Handynutzer zu lokalisieren, hatte Berfuß nach eigenem Bekunden zu seiner Zeit als Chef eines Referats in der für Ermittlungen gegen Islamisten zuständigen Abteilung 6 der Kölner Behörde nichts gewusst. Der Fall des deutschen Staatsbürgers Bünyamin E., der im Oktober 2010 als radikalislamischer Kämpfer einer US-Drohne im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan zum Opfer fiel, sei ihm nur vom Hörensagen bekannt.

Seiner Auffassung nach habe das BfV gar keine "geolokalisierbaren Daten" besessen, konstatierte Berfuß. Darunter fasste er aber nur "GPS-Daten". Berfuß versicherte, weitergegebene "Schreiben" in Form "eingescannter Stück Papiere" würden mit einem "sogenannten Disclaimer" versehen, dass die enthaltenen Informationen "nur für nachrichtendienstliche Zwecke genutzt werden dürfen".

Details wollte Berfuß öffentlich nicht darlegen, da die "Dienstvorschrift Ausland" als geheim eingestuft sei. Er habe keine Hinweise darauf, dass es sich bei dem Sperrvermerk um reine Dekoration handle, da sonst "viel Vertrauen weg" wäre. Überprüft werde die weitere Handhabe der transferierten Informationen aber nicht. Torsten Akmann vom Bundesinnenministerium beeilte sich parallel dazu im Ausschuss zu erläutern, dass es bei nachrichtendienstlichen Operationen allein darum gehe, Informationen zu gewinnen und zu analysieren. Todesmissionen dürften damit nicht vorbereitet werden.

Der Leiter der Abteilung 6 im BfV, Klaus Rogner, bekam nach eigenen Angaben von einer Diskussion in dem Amt über Bünyamin E. oder vergleichbare Drohnenschläge gar nichts mit. Hans-Christian Ströbele bezweifelte dies und mahnte Rogner: "Gehen Sie in sich." Ihm sei berichtet worden, dass es bei den Staatsschützern durchaus ein Thema gewesen sei, "ob man sich mit der Nummernweitergabe der Beteiligung an Mord schuldig macht". André Hahn bohrte weiter: "Aber wir wissen, dass Daten zu Personen übermittelt wurden, die jetzt tot sind." Rogner konnte hier trotzdem "keinen unmittelbaren Zusammenhang" sehen und bekräftigte zum Erstaunen der Abgeordneten, dass das BfV seine Praxis auch nicht geändert habe.

Wieso es im Herbst 2010 nach dem Drohnenschlag gegen Bünyamin E. und einen Mitreisenden einen Erlass aus dem Bundesinnenministerium gab, dass mit übergebenen Daten keine Ortung von Personen möglich sein darf, erschloss sich in einer Folgesitzung dem Leiter des Referats "Operative Auswertung" beim Verfassungsschutz nicht. Eigentlich war diese Bestimmung in der Logik des als "Henrik Isselburg" eingeführten Zeugen in dreifacher Weise überflüssig: den Staatsschützern lagen GPS-Daten eh nicht vor und die Rechtsbasis für den Transfer ließ eine solche Weitergabe prinzipiell auch nicht zu. Dazu kam der Hinweis auf jedem übergebenen Datenblatt, dass dieses "nur für nachrichtendienstliche Zwecke im deutschen Sinne" verwendet werden dürfte.

Anlass für die Ansage aus der übergeordneten Behörde war Isselburg zufolge der Plan, erstmals Informationen über mögliche Gefährder "in umfangreicher Listenform" mit Kommunikationsmitteln und Passdaten an einen US- Geheimdienst weiterzugeben. Dem sei mit dem mysteriösen zusätzlichen Hinweis zunächst fernmündlich, bei einer zweiten einschlägigen Initiative dann auch schriftlich stattgegeben worden.

Den Erlass unterschrieben hatte Dieter Romann, der damals als Referatsleiter im Innenressort für Terrorismusbekämpfung zuständig war. Dieser erläuterte den Volksvertretern, dass es sich bei dem Papier um eine "rein deklaratorische Zustimmung" gehandelt habe. Sie habe auch dazu gedient, bereits laufenden öffentlichen Spekulationen über eine mögliche Rolle des BfV im "geheimen Krieg" der USA entgegenzutreten und dem Amt Handlungssicherheit zurückzugeben. An sich habe es für die durchgeführten Datentransfers aber weder einer Rückfrage noch des gegebenen Plazets bedurft.

In der Frage der unmittelbaren Lokalisierungsfähigkeiten mit Handydaten habe sich das Innenministerium mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI), dem BfV und dem Bundesnachrichtendienst beraten, erläuterte der jetzige Präsident der Bundespolizei: "Wir sind davon ausgegangen, dass eine Kreuzpeilung allenfalls auf zehn bis 30 Kilometer möglich ist". Zweifel an der rechtlichen Zulässigkeit der Datenübermittlung habe es zu keiner Zeit gegeben.

Der frühere Präsident des Verfassungsschutzes, Heinz Fromm, räumte später vor den Parlamentariern aber doch ein, dass seine Behörde durch Datentransfers zumindest unwissentlich an tödlichen Drohneneinsätzen der USA mitgewirkt haben könnte. "Es ist natürlich denkbar, dass Informationen, die von uns geliefert wurden, Teil einer Gesamtinformation werden, die dann geeignet ist, solch einen gezielten Angriff durchzuführen", sagte der Jurist. Der 67-Jährige setzte hinzu: "Dann ist das eben so. Dann ist das eine mittelbar nutzbare Information."

Im September 2016 widerlegte der Hamburger Informatikprofessor Hannes Federrath in einem Gutachten für den Ausschuss das dort von offizieller Seite her immer wieder zu hörende Mantra, dass deutsche Geheimdienste selbst mit der Weitergabe von Handydaten den US-Drohnenkrieg nicht beflügelten. Schon Telefonnummern von Mobilfunknutzern sowie die internationale Teilnehmerkennung IMSI könnten aktuell und "konnten während des Untersuchungszeitraums weltweit zur Ortung eingesetzt werden", schreibt der Experte. Voraussetzung sei es, dass "in der jeweiligen Region eine Funkabdeckung gegeben ist".

Gleiches gelte für Gerätekennung eines mobilen Teilnehmers wie die IMEI (International Mobile Equipment Identity), die Electronic Serial Number (ESN), den Mobile Equipment Identifier (MEID) sowie weitere personenbezogene beziehungsweise gerätespezifische Identifizierungsmerkmale wie beispielsweise die MAC-Adresse, die Datenverkehr zu einem Gerät oder einer Person zuordnen könne, schreibt der Fachmann. In Deutschland sei die Funkzellendichte der Mobilfunknetze höher als etwa in Afghanistan oder Pakistan, schränkt er ein. Einige mobilfunkbasierte Lokalisierungsverfahren könnten hierzulande daher genauere Ergebnisse liefern. Prinzipiell funktionierten die Techniken aber auch in den Regionen, für die sich die Volksvertreter im Rahmen des Auftrags besonders interessierten.

Militärische Drohnen könnten "zur autonomen Lokalisierung" eines Mobiltelefons "die Ausbreitungsrichtung der Funkwellen messen", legt er dar. Dazu werde die dem Triangulationsverfahren nahe stehende Methode "Angle of Arrival" zur Richtungspeilung verwendet. Hinzu treten könne eine Laufzeitpeilung ("Time of Arrival"). Letztlich kann so aufgrund der Tatsache, dass die Drohne sich selbst bewegt, mithilfe von Richtantennen herausgefunden werden, ob die Verbindung stärker oder schwächer wird.

Der Einsatz dieser Methoden durch Drohnen sei zwar offenbar "nicht belegt", schreibt der Experte. Das geschilderte Verfahren erscheine jedoch "technisch plausibel" und sei selbst von interessierten Privatpersonen vergleichsweise einfach durchzuführen.

Um Mobilfunknutzer zu lokalisieren, würden die unbemannten Flugobjekte in der Regel mit IMSI-Catchern wie dem Gilgamesh-System bestückt, führt Federrath aus. Das lese Kennungen und Gerätenummern der Mobiltelefone aus, die sich in die "falsche" Basisstation einloggen. Mithilfe des Radio Resource Location Service Protocol (RRLP) könnten auch per GPS oder anderen Ortungsverfahren ermittelte Standortdaten abgefragt werden. Bei der Kommunikation zwischen beiden Geräten werde auch die Empfangsrichtung der Funkwellen bestimmt. Die Position des Mobiltelefons ergebe sich dann aus dem Schnittpunkt der Erdoberfläche mit dieser Empfangsrichtung.

Diese auf Drohnen eingesetzten Methoden zur autonomen Ortung "erlauben je nach Einsatzbedingungen aus einer Höhe von 2 Kilometern die Lokalisierung mit einer Genauigkeit von 5 bis 35 Meter", ist in dem Papier nachzulesen. Durch die Wahl einer tieferen Flughöhe könnten die Ergebnisse verbessert werden. GPS-fähige Mobilfunkgeräte ermöglichten es, Nutzer bis zu unter zehn Meter genau auszumachen. Weitere Informationen wie Videoaufnahmen, Funkaufklärung oder Angaben menschlicher Quellen seien "zur Aufklärung des Zielgebiets gegebenenfalls hilfreich, "aber für eine hinreichend genaue Ortung nicht notwendig".

Der Forscher stellt sich so gegen die im Ausschuss immer wieder von Zeugen zu hörende These, dass nur GPS-Daten wirklich geolokalisierbare Informationen darstellten und andere Verfahren nicht ausreichten. Eine Telefonnummer beziehungsweise IMEI und IMSI sind ihm zufolge "unter günstigen atmosphärischen Bedingungen als einzige technische Daten ausreichend, um eine Fernlenkwaffe mit einem tödlichen Radius von 5 Meter mit hinreichender Treffergenauigkeit für eine gezielte Tötung einsetzen zu können".

Darüber hinaus ergäben sich auch Ortungsmöglichkeiten durch Zugriff auf den Internet-Datenverkehr, wenn jemand etwa Google Maps über ein Smartphone verwende, erläutert Federrath. Die Namen von WLAN-Hotspots könnten ebenfalls zur Positionsbestimmung dienen. Das übliche Verfahren zur Zielführung mit Laser dürfte aber das mit den beschriebenen erweiterten Methoden der Fernlenkung sein. Generell ließen sich Mobilfunkgeräte damit aber nicht direkt Personen zuordnen. Zu diesem Zweck müssten gegebenenfalls weitere Aufklärungsansätze hinzutreten.

Ende 2016 wurde überraschend bekannt, dass die US-Regierung im Spätsommer doch das ständige Aufklärungsdrängen beantwortete und ganz neue Töne anschlug. Vertreter der US-Botschaft hatten bei einem Gespräch Ende August im Auswärtigen Amt eingeräumt, dass Ramstein als Datenknoten und zur Signalübermittlung für Drohnenangriffe dient. Die US-Seite habe inzwischen mitgeteilt, "dass die globalen Kommunikationswege der USA zur Unterstützung unbemannter Luftfahrzeuge Fernmeldepräsenzpunkte auch in Deutschland einschlössen", erklärte Michael Roth, Staatsminister im Auswärtigen Amt, im Bundestag auf eine Frage des linken Abgeordneten Andrej Hunko.

Darüber würden "die Signale weitergeleitet", gab der SPD-Politiker zu Protokoll. Für Drohneneinsätze nutzten die USA zudem "Fernmelderelaisschaltungen", "von denen einige auch in Ramstein laufen". im Jahr auf dem Stützpunkt "eine Vorrichtung zur Verbesserung der bereits zuvor vorhandenen Fernmeldeausstattung fertig gestellt worden". Ramstein unterstütze "eine Reihe weiterer Aufgaben, darunter die Planung, Überwachung, Auswertung von zugewiesenen Luftoperationen".

In Reaktion auf die neuen Informationen "haben wir hochrangige Gespräche in Washington Mitte September geführt", erläuterte Roth die damit geänderte Lage. "Wir werden dazu selbstverständlich auch weiterhin mit der amerikanischen Seite in Kontakt bleiben", versicherte der Sozialdemokrat. Für die Bundesregierung sei aber "die Zusicherung der Vereinigten Staaten" ganz entscheidend, "dass Aktivitäten in US-Militärliegenschaften in Deutschland im Einklang mit dem geltenden Recht erfolgen".

"Missing Link"

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Umfangreiche Konsequenzen will Berlin folglich nicht aus dem Eingeständnis ziehen. Der Staatsminister unterstrich: "Aus der bloßen Tatsache, dass Deutschland den USA Gelände für die Luftwaffenbasis Ramstein zur Verfügung stellt, folgt keine allgemeine Verantwortung für alle Einsätze, nur weil für diese relevante Steuerungssignale möglicherweise auch über Ramstein geleitet werden könnten."

Die Bundesregierung könne daher allenfalls "den genauen und konkreten Einzelfall" untersuchen und nicht "generell von einem völkerrechtswidrigen Verhalten sprechen", konstatierte Roth auf mehrere verwunderte Nachfragen von Oppositionspolitikern. Er persönlich könne "die Verantwortlichkeiten, die sich aus Ramstein heraus ergeben", nicht beurteilen. Die USA hätten für Drohneneinsätze "konkrete, am Völkerrecht orientierte Regeln entwickelt" und "uns gegenüber zum Ausdruck gebracht", dass die einschlägigen internationalen Maßstäbe "selbstverständlich auch für sie gelten".

Hunko beklagte, dass die Abgeordneten und die Öffentlichkeit drei Jahre lang "an der Nase herumgeführt" sowie getäuscht worden seien. Für den Linken steht fest: "Die Bundesregierung ist auf diese Weise beteiligt an völkerrechtswidrigen extralegalen Tötungen." Dies erfülle aus seiner Sicht "den Tatbestand der Billigung einer Straftat und der Strafvereitelung". Die hiesige Exekutive breche nicht nur das Grundgesetz, in dem das Recht auf Leben festgeschrieben sei, "sondern auch das Völkerrecht und die universellen Menschenrechte".

Ströbele stellte kurz darauf Strafanzeige beim Generalbundesanwalt Peter Frank, da seiner Ansicht nach die Verantwortlichen für die Militärbasis in der Pfalz an tödlichen Einsätzen von US-Kampfdrohnen in asiatischen, afrikanischen und arabischen Ländern mitwirken. Zu untersuchen sei auch eine Mitschuld durch "strafbares Unterlassen".

Das Ermittlungsgesuch richtet sich gegen "alle in Betracht kommenden Delikte", insbesondere aber gegen ungerechtfertigte Tötungen mit Drohnen sowie "gegen alle in Frage kommenden Tatverdächtigen aus den USA und Deutschland". Ströbele begründet die Anzeige vor allem damit, dass Washington über Ramstein Pilotenteams von Armee und CIA Kampfdrohnen steuern lasse. Die Verantwortlichen hätten so bei weltweiten Angriffen etwa in Afghanistan, Pakistan, Somalia, Jemen oder Libyen Hunderte Menschen gezielt oder vorsätzlich getötet. (mho)